❁ Daisy ❁

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❁ Daisy ❁

Da saß sie.

Tendou Kohana.

Den Blick auf die Blumenwiese vor sich gerichtet, während die ersten Sonnenstrahlen ihre zierliche Silhouette liebkosten. Das aschblonde Haar floss wie flüssiges Weißgold ihren schmalen Rücken hinab und bildete einen perfekten Kontrast zum brombeerfarbenen Ärmel der viel zu großen Trainingsjacke. Die gleiche Jacke, die Wakatoshi selbst in diesem Moment trug. Stumm stand er einige Schritte hinter ihr, während seine Iriden über die Erscheinung des sitzenden Mädchens glitten und schleichend drängte sich ihm der Gedanke auf, dass sie das Kleidungsstück wohl von ihrem Bruder hatte. Ushijima erinnerte sich, wie Satori erst vor wenigen Tagen nur im T-Shirt bekleidet nach dem Training in die kühle Abendluft getreten war und sich lautstark über sich selbst beschwert hatte, keine Jacke dabei zu haben. Jetzt wusste der Captain auch wieso.

Der süßliche Duft von Magnolien begann in seiner Nase zu kitzeln und die vertraute Melodie drang in seine Ohren. Es war genauso wie immer. Wie jeden Morgen und jeden Abend der vorangegangenen Wochen. Sie saß summend vor der Wildblumenwiese. Immer. Bis auf...

„Wo warst du gestern?"

Erschrocken wirbelte Kohana herum und die letzten Töne ihrer leisen gesummten Melodie wurden von der auffrischenden Maibrise hinfortgetragen. Mit geweiteten Augen starrte die Erstklässlerin den Volleyballer an, als hätte sie einen Geist gesehen. Stumm und regungslos saß sie nun da, wie ein Häschen vor dem Bären und Wakatoshis Augenbraue hob sich, während er sie grimmig musterte.

„Ich... äh... ich", begann sie zu stottern, nachdem weitere Sekunden des Schweigens verstrichen waren. „Ich war mit Satori... unterwegs."

Wakatoshi erinnerte sich. Der Mittelblocker hatte es ungewöhnlich eilig gehabt, nach dem Training zu verschwinden. Wenn er darüber nachdachte, war der Rothaarige den ganzen Tag noch unruhiger als sonst gewesen. Und das alles nur, weil er Zeit mit seiner Schwester verbrachte?

Ein leises Rascheln riss Ushijima aus seinen Gedanken. Kohana hatte sich aufgerappelt und ihre mintgrüne Picknickdecke vom Boden aufgehoben.

„Ich bin sofort verschwunden", erklärte sie, während sie den Stoff umständlich faltete. „Entschuldige, Senpai."

Wakatoshi presste die Lippen aufeinander, während seine Pupillen auf die Hände der Jüngeren gerichtet waren, die sich in ihrer Hektik in ihren Bewegungen selbst überschlugen.

„Du musst nicht gehen."

Noch bevor er richtig darüber nachgedacht hatte, hatten die Worte seine Lippen verlassen und Kohana hielt einen Moment lang inne. Erneut starrte sie ihn mit großen Augen an, während sie sichtlich überlegte. Wakatoshi hingegen wandte sich ab und ließ seinen Blick über die erblühende Pracht seiner Idylle schweifen.

„Du störst mich nicht."

Nicht mehr.

Ohne es zu wollen, hatte sich Ushijima an die Anwesenheit der kleinen Schwester gewöhnt. Und es bereitete ihm offensichtlich eher Probleme, wenn sie einmal nicht da war, als dass ihre Präsenz ihn tatsächlich behelligte. Also konnte sie auch genauso gut bleiben, wenn er da war. Schließlich saß sie ja immer einfach nur da.

Wakatoshi wandte sich nun gänzlich von der Jüngeren ab und stampfte einige Schritte zur Seite, indessen er ihr die Entscheidung überließ. Im Grunde war es egal, ob sie blieb, oder nicht. Zumindest hoffte er das.

Der Volleyballer konnte eine gewisse Anspannung in seinen Gliedern nicht leugnen. Letzten Endes würde sich nun zeigen, ob das nervige Kribbeln an diesem Tag erneut sein ständiger Begleiter sein oder ihn in Frieden lassen würde.

❁Flowers to you ❁Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt