☬ σиє ☬

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"Tari, dein Handgelenk muss lockerer werden!", rief ich über den Platz, joggte zu der Schülerin hin und stellte mich hinter sie. Ich nahm ihr den kurzen Stab, der als provisorischer Dolch dienen sollte aus der Hand und schwenkte ein paar Mal hin und her. "Siehst du? Hier lockerlassen." Sie nahm den Stab erneut in die Hand und ich beließ meine auf ihrer, drückte ab und an ihr Handgelenk, als Zeichen, dass sie lockerlassen sollte. Und irgendwann hatte sie es raus. "Geht doch." Ich grinste und klopfte der Schülerin auf die Schulter. "Ms. Choi?", kam es nicht weit von mir. "Sehen Sie mal." Der junge Halbgott vor mir, ein Sohn der Artemis führte die Bewegungen aus, die ich den Schülern gerade beibrachte. Anerkennend nickte ich, korrigierte hier und da ein paar Haltefehler und stellte mich wieder ein paar Schritte von ihm weg. "Probier es schneller Miles." Der Braunhaarige nickte grinsend und begann erneut von vorn. Ich gab einen zufriedenen Laut von mir und wandte mich an diejenigen, die verzweifelt am Rand standen und aufgegeben hatten. "Es ist scheiß egal, ob ihr verliert oder gewinnt. Viel wichtiger ist es, was ihr aus den Erfahrungen macht. Das ihr im Kampf etwas Neues dazulernt, etwas beim nächsten besser macht oder euer neu gewonnenes Wissen einsetzt. Ich selbst habe den Arenakampf in der 11. Klasse verloren, war aber trotzdem stolz auf meine Leistung." "Nachdem Ihnen die Seele entzogen wurde." Einige Schüler der 11. Klasse kicherten und auch ich musste schmunzeln, als ich mich daran zurückerinnerte. "Wohl wahr. Zu meiner Verteidigung muss ich dazu sagen, dass es eine echt hinterhältige Taktik war, aber wie sagt man so schön?" "Welcher Kampf ist schon fair.", wiederholten die Schüler grinsend im Chor. Ich musste erneut schmunzeln. Jap, ich habe ihnen zum Teil Jay's Methoden vermittelt. "Ok genug geplaudert, wir haben noch 60 Minuten vor uns. Also wer traut sich, das heutige gelernte an mir anzuwenden?" Keiner der Halbgötter meldete sich. "Kommt schon. Es geht hier nicht ums gewinnen oder verlieren, sondern ums lernen." Ich ließ meinen Blick erneut durch die Reihen wandern. "Also?", fragte ich und breitete grinsend die Arme aus. Die Gruppe um Miles tuschelte aufgeregt und schob ihn nach vorne. Er stolperte in meine Richtung, blickte kurz zu seinen Freunden, die ihn anfeuerten, sowie auch der Rest der Klasse. Jedes Mal wenn ich hier unterrichte, fühlte ich mich in meine eigene Schulzeit zurückversetzt, aber ohne die grässliche Lehrerin die wir in Kampfsport und Kräftetraining hatten. Sie hatte eh nie Lust auf den Unterricht gehabt und hatte mir mit Freude die beiden Fächer überlassen und war dann in Mutterschutz gegangen. Punkt für mich. Und die Schüler liebten mich, wenn ich das mal so sagen darf. "Also gut Miles. Du kennst die Regeln." Ich tippte gegen den kurzen Trainingsstab. Der Sohn der Artemis nickte, sprang einige Male auf und ab um sich locker zu machen und nahm dann die Grundhaltung ein. Er war einer der besten Schüler dieser Klasse. Auch ich atmete tief durch und stellte meine Beine hüftbreit auseinander. Ein leichter sommerlicher Wind kam auf und Miles Schatten bewegte sich, als er auf mich zu sprintete.
Nein, es war nicht mein Schüler. Er stand noch stocksteif an Ort und Stelle.
Schwarzes Metall blitzte im Sonnenlicht auf und ehe ich mich versah, hatte ich dank meiner Reflexe das Schwert der Athene heraufbeschworen und blockte den Angriff.
Klingen prallten klirrend aufeinander und das Kratzen des Metalls ließ einen Schauer trotz der Wärme über meinen Rücken huschen.
Der aufgewirbelte Staub lichtete sich langsam.
"Wer ist hier ein hinterlistiges Arschloch?", raunte eine dunkle, weibliche Stimme. "Wa- Jay verdammt! Du hast mich fast umgebracht!", fauchte ich und die Tochter des Hades löste unsere Klingen mit einem Grinsen voneinander. "Ich hätte diesen Angriff nicht gestartet, wenn ich gewusst hätte, dass du ihn nicht parieren kannst." Sie ließ ihr Katana verschwinden und stand nun direkt vor mir. Trotzig blickte ich zu ihr auf. Sie schaute grinsend zurück und zog eine Augenbraue nach oben. Für eine Weile lieferten wir uns unsere üblichen Starrduells, bis mir meine Schüler wieder einfielen. "Also, was willst du hier? Ich hab Unterricht." "Wow ich hätte wenigstens eine stürmische Umarmung erwartet, aber das du mir jetzt die kalte Schulter zeigst?" Ich drückte mich an ihr vorbei und rammte ihr gleichzeitig meinen Ellenbogen in die Rippen. "Freut mich auch dich zu sehen.", rief ich trällernd und bewegte mich auf meine Klasse zu, die uns tuschelnd beobachtet hatten. Jay packte mich am Unterarm. "Naomi, es ist wichtig.", sagte sie und die Ernsthaftigkeit in ihrer Stimme ließ mich innehalten. Ich wandte mich ihr zu. "Was ist passiert?" "Ich erklär es dir auf dem Weg." "Jay, ich kann jetzt nicht einfach weg. Ich hab Unterricht und so schnell lässt sich keine Vertretung organisieren." Sie fing wieder an zu grinsen, sah dann zu meinen Schülern hinüber, die ein Stückchen vor ihr zurückgewichen sind und rief: "Okay, ihr habt den restlichen Block frei. Ich muss eure Lehrerin entführen. Wichtige Götterangelegenheiten." Mir klappte der Mund auf. So eine Frechheit! Das war der Teufel, wie er nun mal war. Doch eine Sache ließ mich schlucken. Während die Jugendlichen vom Trainingsplatz strömten, drehte ich mich zu der Hades Tochter um. "Götterangelegenheiten?", fragte ich und zog eine Augenbraue nach oben. Die Blauhaarige verdrehte die Augen, überwand die letzten paar Schritte zu mir und warf mich einfach so über ihre Schulter. "Yahh Jay!" Sie antwortete nicht, sondern trug mich vom Trainingsplatz in Richtung Haus des Hades. "Ich könnte gefeuert werden und zwar deinetwegen!", fauchte ich und wand mich in ihrem Griff. "Wirst du nicht. Ist alles mit der Schulleiterin geklärt." Ich schnaubte. Das war nicht viel besser. Plötzlich wurde ich zurück auf meine Beine gestellt und Jay sah mich mit schief gelegtem Kopf belustigt an. "Also Ms. Choi wollen wir vielleicht noch einmal von vorn anfangen." Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Lange konnte ich mein Grinsen nicht vor ihr verbergen. "Mit Vergnügen. Hallo Devil." Sie beugte sich zu mir runter, sodass sich unsere Nasenspitzen berührten. "Hallo Puppy." Verdammt, diese Frau war mein Untergang. Eine wohlige Gänsehaut ließ mir den Rücken hinunter, während sie mit ihren Lippen meine streifte. "Ich dachte, es wäre eine wichtige Angelegenheit?", hauchte ich atemlos und sie hielt inne. "Wir sollen in einer halben Stunde im Olymp sein. Zwei Minuten davon werde ich doch wohl meine Freundin begrüßen können.", neckte sie und wollte mich küssen, allerdings hielt ich sie davon ab. "Moment, warte! Im Olymp?!", rief ich aus. Jay verdrehte die schwarzen Augen. "Halt die Klappe.", murrte sie und zog mich wieder zu sich.

"Du hast sicher schon davon gehört, dass immer mehr Halbgötter verschwinden." Ich kaute auf meiner Unterlippe und nickte. "Ja, hab ich. Die meisten waren Athene Kinder." "Ja. Aber dabei ist es nicht geblieben. Es verschwinden nun auch andere. Von anderen Göttern. Der Entführer hat es anscheinend auf uns abgesehen. Ich konnte ihn selbst mit Hilfe von Fenris und anderen Aufspürdämonen nicht finden." Jay hielt mit Sprechen inne, seufzte und strich sich müde übers Gesicht. Ich schlang einen Arm um ihre Taille, während wir weiter durch den Wald zum Haus liefen. "Jedenfalls haben die Götter eine Versammlung einberufen." "Bei der wir unbedingt dabei sein müssen?" "Hmh, unsere Eltern haben uns empfohlen." "Meine Mutter hat mich empfohlen?", rief ich perplex aus. Die Blauhaarige stupste mich leicht an und nickte. "Du bist ihr Lieblingskind." "Haha." Wir erreichten das schwarze Haus und traten durch die Tür nach innen. Sofort wurde es kälter. Ich schaute tadelnd über meine Schulter zu Jay, jedoch zuckte sie nur grinsend mit ihren. "Wir haben ein Kleinkind hier." "Du hast Luke mit hierhergebracht?", fragte sie und lief nach oben in ihr Zimmer, wo sich auch der 5-Jährige befand. Ich folgte ihr langsam. "Ich hoffe, du hast die Spinne aus meinem Zimmer entfernt.", grummelte ich und erreichte das dunkle Schlafzimmer, in dem Luke bis eben geschlafen hatte. Aus meinem Zimmer war ein poltern zu hören und ich wich rückwärts in Jay's Zimmer zurück. Diese blickte mich belustigt und mit roten Augen übers Bett gebeugt an. Luke quietschte erfreut, als er Jay erkannte und wollte sogleich hochgenommen werden. Ohne zu zögern tat sie ihm den Gefallen und kam mit ihm im Arm zu mir herüber. Ein zu niedlicher Anblick. Und ich hätte es Jay niemals zugetraut, dass sie so sanft zu ihm war. Mit einer Hand fuhr ich durch die schwarzen Locken des Kindes, welches mich verschlafen anblickte. "Wir können ihn nicht mitnehmen.", murmelte ich und Jay brummte zustimmend. "Wir schaffen ihn zu deinen Eltern. Ihr menschlicher Geruch überdeckt seinen." "Okay." Wir hatten Luke schon mal bei meinen Eltern gelassen. Sie waren zu entzückt von ihm gewesen. Allerdings hatten wir ihnen auch verschwiegen, dass er ein Halbgott ist. Es war für sie sicherer. Trotzdem plagte mich jedes Mal der Gedanke: Was wenn etwas passieren sollte und sie Luke fanden? Was wenn meine Familie dadurch in Gefahr gerät? Ich seufzte und fuhr mir mit den Fingerspitzen über den Nasenrücken. Dann nahm ich Luke's Gesicht zwischen meine Hände und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn. "Sag meinen Eltern liebe Grüße." "Immer.", erwiderte Jay, drückte mir einen Kuss auf die Lippen und war im nächsten Moment verschwunden. Ich ging ins Badezimmer, um mich frisch zu machen, da ich ja gleich vor fast alle Götter treten sollte und grübelte über die verschwundenen Halbgötter nach. Ungefähr Anfang des Jahres gab es die ersten Entführungen. Wie Jay schon sagte, waren die ersten Kinder der Athene gewesen. Ob die Menschen uns nun doch loswerden wollten? Klar, die meisten ahnten von unserer Existenz nichts, doch es gab einige Verschwörungstheorien oder Menschen, die es zumindest ahnten und Nachforschungen anstellten. In den letzten paar Jahren gab es ja auch genug Zwischen- und Unfälle, wie Erdbeben oder Brände bei denen viele Menschen umkamen, entweder, weil die Halbgötter nichts von ihrem göttlichen Elternteil und ihren Kräften wussten oder diejenigen die ihre Fähigkeiten für böses Missbrauchen. Ich konnte nur erahnen, was der Auslöser dafür sein könnte. Ein gewisser Höllenfürst, der auf der Erde sein Unwesen getrieben hatte und unter den Menschen und Halbgöttern Hass und Gier geschürt hatte. "Woran denkst du?" Ich zuckte nicht einmal mehr zusammen, wenn Jay hinter mir auftauchte. "An die Halbgötter. Denkst du, der Entführer könnte ein Mensch sein?" Die Blauhaarige zog die Augenbrauen zusammen. "Nein, Menschen hätten nicht die Kraft und die Mittel um uns festzuhalten. Also ist davon auszugehen, dass es eine Kreatur aus der mystischen Welt ist." Ich gab ein zustimmendes Brummen von mir und richtete das einfache weiße T-Shirt, dass ich mir übergeworfen hatte. Jay nahm meine Hand. "Wollen wir?" Tief durchatmend nickte ich. Um uns herum entstand der altgewohnte schwarze Rauch, der bald schon in tosende Dunkelheit überging. Auf zum Olymp.

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1770 Wörter

Heiho, war zufälligerweise noch jemand auf der Leipziger Buchmesse heute? War brechend voll, aber war nach 3 Jahren Pause zu erwarten und hat sich definitiv gelohnt :)

Hope u enjoy 🖤

Axy D left the Chat.

𝕴𝖒𝖕𝖊𝖗𝖋𝖊𝖈𝖙 𝕻𝖊𝖗𝖋𝖊𝖈𝖙𝖎𝖔𝖓𝖘Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt