☬ тωσ ☬

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Langsam manifestierten sich die ersten Gebäude um uns herum und als der Rauch sich komplett verzogen hatte, kam ich aus dem Staunen gar nicht mehr raus. Weiße Häuser mit flachen oder kuppelförmigen, blauen Dächer reihten sich aneinander. Verwinkelte Gassen taten sich rechts und links von uns auf. Vor uns befand sich eine breite Straße, die bis zu einer gewaltigen und schier endlosen Treppe nach oben führte. Und auf dem Berg thronte der Tempel mit seinen altbekannten Säulen und dem roten Ziegeldach, den ich bis jetzt nur aus Büchern kannte. Fackeln säumten den Weg bis ganz nach oben, aber auch die kleinen Gassen. Oben vor dem Eingang brannten zwei riesige Feuerschalen. "Willkommen im Olymp.", grinste Jay und ging voran, wie als hätte sie den Weg schon tausend Male genommen. "Wow ich hätte es mir nie so..." "Antik? Griechisch?" Ich stieß ihr meinen Ellenbogen in die Seite, was sie mit einem Lachen quittierte. "So wunderschön vorgestellt. Aber danke für diese wirklich altertümlichen Begriffe." Die Blauhaarige verdrehte die schwarzen Augen. Für einige Minuten stiegen wir schweigend die Treppe hinauf. Es tat gut wieder an ihrer Seite zu sein. Zugegeben ich hatte sie schrecklich vermisst. Das letzte Mal, als wir uns gesehen hatten, war zu Weihnachten und wir hatten mittlerweile Anfang August. "Ich hab dich vermisst.", sprach Jay meinen Gedanken aus, nahm eine Hand aus ihrer Hosentasche und verschränkte sie mit meiner. "Hmh ich dich auch." "Mal sehen, was sich die Obrigkeit dieses Mal ausgedacht hatte. Vielleicht arbeiten wir ja zusammen an dem Fall." Ich blies mir eine pinke Strähne aus dem Gesicht und gab ein Murren von mir. "Das Schuljahr hat gerade erst angefangen.", seufzte ich dann. "Das bringt meinen ganzen Plan durcheinander." Jay lachte leise. "Meine Athene. Wie immer schon Meilen vorausgeplant." Wir erreichten das Ende der endlosen Treppe und ich warf mit einem 'Uff' einen kurzen Blick auf die Stadt unter mir. Ein überwältigender Ausblick. Hinter uns aus dem Tempel drangen laute Stimmen. Ich runzelte die Stirn. "Muss ich mir Sorgen machen?" "Nein, sie sind immer so. Lass uns reingehen. Mein Vater ist schon da." Tatsächlich konnte ich unter den ganzen anderen erdrückenden Auren auch eine grollende, dunkle ausmachen. Tief durchatmend, um die Nervosität einzudämmen, griff ich wieder nach der kalten Hand der Blauhaarigen. Sie nickte mir aufmunternd zu und schritt selbstsicher auf die Tore zu, die sich von alleine öffneten, als wir in ihre Nähe kamen. Die Stimmen wurden lauter, hallten von den hohen Wänden des Tempels wieder, sodass man kaum ein Gesprächsfetzen ausmachen konnte. Im Inneren waren ebenfalls an den Seiten entlang die typischen Säulen vertreten und ich fühlte mich klein in diesem riesigen Raum. Vor uns war ein weiterer Durchgang, den wir passierten und in den eigentlichen Saal kamen. Achtzehn verzierte Stühle standen zu einem Kreis angeordnet auf unserer Ebene und in der Mitte des Kreises befand sich eine Art Globus, der sich langsam um sich selbst drehte. Die Stühle waren alle gefüllt bis auf einen. Auch in den oberen Rängen tummelten sich Götter herum, alle wild durcheinander diskutierend. Manche der siebzehn Götter standen und beschimpften sich gegenseitig, andere wiederum lauschten den Konversationen mit grimmigen Gesichtern und warfen ab und an etwas zur ihren Meinungen ein. Jay griff meine Hand fester und führte mich zu einem Sessel aus schwarzem Marmor. Hades war aufgesprungen und stritt wild mit einem Gott, den ich als Ares erkannte. Persephone, die neben ihm saß, warf uns ein gequältes Lächeln zu. Wir stellten uns neben Hades und seine Frau. Der Gott der Unterwelt hörte auf sich zu streiten und nickte uns angespannt zu, als er uns wahrnahm. Jay runzelte die Stirn. "Was ist hier los, Persephone?", fragte sie und beugte sich zu ihrer Ziehmutter hinunter. Die Rothaarige schüttelte nur den Kopf. Sie sprachen etwas in der Sprache der Unterwelt. In der Zwischenzeit ließ ich meinen Blick über die anwesenden Götter schweifen. Wie können sie nur so ungehalten sein? Sollten sie nicht Ruhe bewahren, auch während einer annehmlichen Krisensituation? Meine Augen trafen nicht weit von mir auf himmelblaue. Athene hatte sich in ihrem Stuhl zurückgelehnt und beobachtete mit berechnenden Blick ihre Mitgötter. Zumindest solange, bis sie mich sah. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Elegant stand sie auf, wobei der Stoff ihres weißen, bodenlangen Kleides sich wie Wasser über ihre Beine ergoss. An der Taille hielt ein Gürtel das Kleid zusammen, wobei er im Licht der Feuerschalen im Raum golden funkelte, als sie sich zu mir gesellte. Auf ihrer Schulter saß eine große Schleiereule, die bei dem Lärm immer wieder das Gefieder aufplusterte. Bei diesem Tier musste ich unweigerlich an den Dämon damals denken, obwohl es sicherlich harmlos war. Meine Mutter betrachtete weiterhin die versammelten Götter. "Sie behalten keinen klaren Kopf.", murmelte ich und ich dachte schon Athene hatte mich nicht verstanden. Doch sie antwortete mit einem Glucksen, die Stimme hell wie eine Glocke: "Sie behalten nie einen klaren Kopf. Sie sind nur darauf aus zu streiten und lassen die eigentlichen Probleme außer Acht." "Typisch Männer." Meine Mutter schüttelte lächelnd den Kopf. "Nicht nur die Männer. Auch manche Frauen. Sie dir Hera an." Sie deutete mit einem Nicken auf eine der Frauen in der Männerrunde mit rabenschwarzem Haar und gebräunter Haut. Jedoch war sie hochrot im Gesicht, während sie sich mit Poseidon stritt. Ich glaubte sogar einige Tränen in ihren Augen zu erkennen. Mit offenem Mund blickte ich meiner Mutter ins Gesicht. "Was ist passiert?" Sie schluckte einmal, dann sah sie mich an. "Zeus ist spurlos verschwunden."

𝕴𝖒𝖕𝖊𝖗𝖋𝖊𝖈𝖙 𝕻𝖊𝖗𝖋𝖊𝖈𝖙𝖎𝖔𝖓𝖘Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt