Kapitel 6

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...Mit meiner zitternden Hand griff ich nach ihm. "Kommst du?", meine Mutter war ungeduldig. "Ja!" Den Brief stopfte ich noch hastig in die Seitentasche meines Ranzens. Kurz darauf saß ich in meinem Zimmer. Es war klein und überhaupt nicht farbenfroh, eher weiss und kalt. Oft kuschelte ich mich in eine Decke, damit die Atmosphäre angenehmer war. So machte ich es dieses Mal auch, aber nicht, weil mir kalt war und weil ich die Atmosphäre gemütlicher machen wollte, sondern weil ich Angst hatte. Der Brief war ohne Absender. Ich konnte mir jedoch denken von wem er ist. Er war auch nicht zugeklebt oder so. Meine Neugier war zu groß. Schließlich öffnete ich ihn.
"Hä??" Ich war verwirrt. Da stand gar nichts drauf. "Was soll das denn?", mit einem entsetzten Gesicht starrte ich auf das leere Stück Papier. "Steht auf der Rückseite vielleicht etwas?", dachte ich mir und drehte den Zettel um. "Oh Gott, bin ich dumm!" Ich schlug mir meine Hand gegen die Stirn. Ein bisschen schmunzeln musste ich aber. "Wie kann man nur soo dumm sein!" In der Zeit, wo ich mich über mich selbst kaputtlachte, hätte ich mir eher mal den Text durchlesen sollen:
"Sehr geehrte Frau Bartenschlager,(so hieß der Kindesname meiner Mutter)
aufgrund zahlreicher Verspätungen und Alkohol am Arbeitsplatz muss ich Ihnen hiermit des Jobs entlassen!"...weiter wollte ich gar nicht lesen. In Gedanken versunken, wie es für meine Mum jetzt weiter geht, schmiss ich mich nach hinten in die flauschigen Kissen, die meiner Meinung nach hinter mir lagen. Falsch gedacht! "Auuuuu!!" Anscheinend stieß ich genau mit meinem Kopf gegen die Bettkante. "Lea? Geht es dir gut?" Kaum, dass ich mich wieder aufgerichtet hatte, sah ich sie schon neben mir stehen. "Was hast du da denn in der Hand? Ist das etwa der Brief? Lea, du darfst nicht einfach so in MEINEN Sachen kramen!" Grimmig und sauer war sie, das konnte man nicht nur hören, sondern auch an ihrem Gesichtsausdruck erkennen. Kleinlaut sagte ich: "Ja, aber...", doch ich konnte meinen Satz nicht beenden, ehe sie mir ins Gesicht schlug. "Verstanden?", ertönte noch. Doch ich traute mich nicht mehr etwas zu sagen. Sie riss mir den Zettel förmlich aus der Hand und knallte beim Herausgehen die Tür extra lautstark hinter sich zu. Zusammengekauert und immer noch voller Schock saß ich am Ende meines Betts. Angespannt schaute ich durchs Zimmer, bis mir auffiel, dass sie den Umschlag vergessen hatte. Ich schnappte ihn und schaute noch mal hinein. Ein kleinerer, zusammengefalteter Zettel steckte an der Seite. Beim Herausziehen riss ich nur die Hälfte raus, also musste ich das andere Stück mit Fingerspitzengefühl heraus prokeln bis ich die beiden Teile endlich öffnen konnte.
Die Schrift war nur schwerlesbar. Aber ich versuchte sie trotzdem zu entziffern:
"Ich kriege dich schon noch...."

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