Kapitel 14

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...Ich setzte mich neben sie auf den Boden. Meine linke Hand schmerzte, mit der rechten strich ich über das blutende Loch in ihrem Oberkörper. Das Blut war warm, geradezu wie Urin. Aber ich wollte diesen Augenblick nicht mit solchen irrsinnigen Gedanken verschwenden. Mir war kalt, ein frischer Wind wehte. "Warum sitzt du da so ganz allein?", fragte mich die Polizistin. Ich war still. Im Schneidersitz hockte ich immer noch vor Mama. "Was ist mit deiner Hand?", sie setzte sich zu mir und nahm sie, also die Hand meine ich. Es war nur noch eine Schürfwunde zu sehen. Nichts. Kein Loch. Das Messer war weg. "Ich bin nur hingefallen", eigentlich merkt es jeder, wenn ich lüge, aber sie kaufte mir das eiskalt ab. In ihrem Job sollte man das schon irgendwie merken, oder? "Komm, steh' auf, wir fahren dich ins Heim. Morgen musst du übrigens nicht zur Schule, nach diesem Schock wäre das ja unzumutbar." Natürlich war ich froh darüber. "Ich muss dem Jungen morgen nicht begegnen!" Innerlich hüpfte ich auf und ab, äußerlich war ich jedoch immer noch so still wie vorher. Schnell nickte ich und stieg ins Auto. Von innen sah ich nur noch, wie ein Wagen angefahren kam und meine Mutter in den Kofferraum verfrachtete. Das erinnerte mich an eine Situation aus meiner Kindheit:
Vor ungefähr einem Jahr ist mein bester Freund Rene von unserem Kack-Dorf weggezogen. Seitdem habe ich irgendwie totale Verlustängste. Ich habe ihn seit Jahren nicht gesehen. Schade eigentlich, wir waren früher richtig dicke. Das letzte Mal sah ich ihn im Auto auf der Rückbank. Verdutzt und traurig starrte er aus der Heckscheibe. Ich war auch traurig. Mein Leben ging gerade den Bach runter, aber so wirklich Emotionen zeigte ich nicht. Warum, wusste ich jedoch nicht. "Vielleicht sitzt der Schock ja nicch zu tief!", überlegte ich mir. Es war irgendwie eingeredet. Ich schaute nocheinmal zu Mama, doch draußen konnte ich fast gar nichts mehr erkennen. In dem Auto war es so warm, dass das Glas beschlug. Mit meiner Jacke wischte ich die Tropfen weg. Plötzlich sah ich grüne Augen. Sie starrten mir direkt in meine. Ein Mund erschien, lachend, geradezu gehässig. Ich schrie, ich schrie aus Verzweiflung, aus Angst. Mir wurde kalt, außerdem öffnete sich auf einmal die vordere Autotür. Wieder fing ich an zu schreien. Mein Atem war unkontrolliert, ich bekam schwer Luft. Ein Gesicht schaute herein, gehässig sah es aus. Blonde Haare, grüne Augen. "Na Lea, kann ich mich zu dir setzen?"...

Gedanken, die nie verschwindenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt