„Ich wusste es! Du warst es! Du hast Alex von meinem Handy geschrieben! Ich würde niemals ein Herzchen unter so eine Nachricht setzen", konfrontiere ich ihn, als mir endlich klar wird, was mich an den letzten Nachrichten irritiert hat. Theo lacht. Ein eisiger Schauer läuft mir über den Rücken.
„Ach Simi", säuselt er. „Ein wenig komplizierter ist es schon gewesen." Ich höre an seiner Stimme, dass ihn diese Situation befriedigt.
„Wie, Theo?", will ich wissen. „Wie hast du es geschafft, Alex eine Nachricht zu schicken? Man kann den Account nicht hacken! Nicht mal die Leute von THE BLIND SITE können das. Ich habe nachgefragt."
Abermals lacht Theo. „Das musste ich auch gar nicht, du Dummerchen!", grinst er und ich spüre trotz der gefährlichen Situation, in der ich mich befinde, Wut in mir aufsteigen. Wie konnte ich nur die ganze Zeit so blind sein? Wie konnte ich nicht merken, dass Theo mich manipuliert und nur so tut, als wäre er mein Freund und dass er hinter meinen Rücken ein eiskalter Killer ist?
‚Die Polizei', denke ich. Sie ist vermutlich meine letzte Chance zu entkommen. Hoffentlich haben sie gesehen, dass ich mit Theo hier rauf bin und kommen, um mich zu retten.
„Es war so leicht, dich in den Focus der Ermittlungen zu rücken!", holt Theo mich aus meinen Gedanken zurück. „Ich musste nur deine Zugangsdaten für die App herausfinden und mich einloggen. Dann habe ich erst Alex eine Nachricht von dir geschickt und dann von Alex Handy aus, die Antwort. Simpel", grinst er und mir wird übel, von so viel Arroganz. Trotzdem habe ich noch immer nicht verstanden, wie er es gemacht hat.
„Woher hattest du meine Daten? Die App hatte ich geschlossen, als ich dir mein Handy gegeben habe!"
„Ich habe einen Moment abgepasst, in dem du unvorsichtig warst. Erinnerst du dich an das Telefonat in der Wunder-Bar?", fragt er.Es dämmert mir. „Als du telefonieren warst, habe ich die App geöffnet", erinnere ich mich.
„Du hast deinen Nutzernamen und Passwort eingegeben. Und ich stand nah genug hinter dir, dass ich alles sehen konnte. Mal abgesehen davon, dass 1234 das am leichtesten zu erratende Passwort ist, dass ich kenne", lacht er auf.Ich schlucke. Natürlich habe ich nicht darauf geachtet, ob mir irgendjemand über die Schulter schaut. Wieso auch? Ich hatte nichts zu verbergen und dachte auch, dass niemand etwas mit meinen App-Daten anfangen könnte. Wie man sich doch irren kann.
„Und dann bist du zu Alex gefahren und hast sie brutal umgebracht! Du hast die Anfrage vom BOT, ob ich eine Nachricht schicken darf, bestätigt und von meinem Account die Nachricht mit der Entschuldigung geschickt", fasse ich zusammen.
„Genial, oder? Es war ganz einfach dir danach zu antworten, da ich ihre App mit ihrem Fingerabdruck entsperren konnte."
„Naja," provoziere ich ihn ein wenig, „wenn ich jetzt so darüber nachdenke, war es ja gar nicht so kompliziert." Ich sehe, wie sich auf Theos Stirn eine Falte bildet. Anscheinend habe ich ihn verärgert.„Und wie habe ich deiner Meinung nach verhindert, dass du nach meiner Nachricht noch mal auf das Handy schaust und erst am nächsten Tag entdeckst, dass sie dir geschrieben hat?", fragt er beleidigt.
„Ich vermute, dass du mich beobachtet hast", erkläre ich.
„Oh, das wäre viel zu gefährlich gewesen. Du hättest mich entdecken können. Und außerdem hätte ich dann nicht gewusst, ob du wirklich dein Handy nicht mehr anschaust. Nein, meine Idee war viel besser!" Schon wieder dieses süffisante Grinsen.„Na los, sag schon", bitte ich. Seine Spielchen gehen mir langsam auf die Nerven.
„Du erinnerst dich, dass ich dir meine Nummer gegeben habe?"
„Du hast nicht nur deine Nummer eingegeben", dämmert es mir, als ich mich daran erinnere, wie lange Theo dafür gebraucht hat.„Ich habe in deinen Einstellungen für den Ortungsdienst einfach meine E-Mail-Adresse hinterlegt. Dann habe ich gewartet, bis dein Handy sich nicht mehr bewegt hat. Ich konnte mir ja sicher sein, dass du bald müde in dein Bett fallen würdest", lächelt er.
„Wie bitte?", keuche ich. Hatte er wirklich das getan, was er gerade andeutet?
„Hat dir dein Swimmingpool geschmeckt?" Er hat das Lächeln eines Teufels!
„Deswegen bin ich so schnell eingeschlafen!", wird mir klar. „Du hast mir was in den Drink getan!"„Nicht böse sein, ja?", sagt er und setzt sein freundliches Lächeln auf. „Eigentlich wollte ich dir nur helfen!
„Helfen?", frage ich ungläubig.
„Ja, helfen! Ich wollte dir doch nur zeigen, dass du niemandem vertrauen solltest, den du erst so kurz kennst!"„Mein einziger Fehler war, dir zu vertrauen!", zische ich wütend.
„Ja, genau! Das meine ich ja!" Er scheint direkt stolz auf mich zu sein, dass ich meine Lektion gelernt habe.„Und warum musste Alex dann sterben? Und all die anderen Mädchen?"
„Weil sie alle nicht ehrlich waren! Als ich Alex im Café angesprochen habe und sie so schnell auf meine Avancen eingegangen ist, wusste ich, dass sie die nächste sein würde. Seit Monaten beobachte ich nun schon Matches, die sich über THE BLIND SITE kennen gelernt haben und sich in meinem Café treffen. Aber meistens sind sie dann doch enttäuscht und gehen. Oder denken sich blöde Ausreden aus. Oder lassen sich von einer scheinbar besseren Option blenden.
Ich sorge nur dafür, dass dieses heuchlerische Verhalten ein Ende findet! Ich halte ihnen den Spiegel vor! Ich zeige ihnen, dass sie sich selbst belügen, wenn sie so tun, als würden sie sich wirklich auf das Experiment ‚Blinde Liebe' einlassen. Aber am Ende lasst ihr euch alle von Äußerlichkeiten blenden!"
„Ich wollte wirklich jemanden kennen lernen", protestiere ich.
„Das ist auch der Grund, warum du immer noch lebst!", erklärt er großzügig. „Du hast mir dein Herz geöffnet. Du hast dich für mich interessiert. Du warst ehrlich. Leider habe ich das erst begriffen, als du am nächsten Tag im Café aufgetaucht bist. Du wolltest mich wiedersehen, wie du versprochen hast. Du hast kein Spielchen mit mir gespielt. Aber da war es schon zu spät. Da hatte ich die Fährte schon gelegt, die dich als Täter in den Vordergrund rückt."„Hast du mich deshalb aus dem Polizeirevier abgeholt?", will ich wissen. „Weil du ein schlechtes Gewissen hattest?"
„Ich gebe meine Fehler zu, wenn ich welche mache. Und ich wollte ja nicht wirklich, dass du ins Gefängnis gehst", antwortet er fast vertraut, aber ich falle nicht noch einmal darauf herein. Mein ‚blinder Fleck', den ich ihm gegenüber der ganzen Zeit gehabt habe, ist nicht mehr da. Ich sehe nun alles, klar und deutlich.„Und trotzdem hast du mich weiterhin glauben lassen, dass ich es war, der Alex umgebracht hat! Du hast mir diese Idee überhaupt erst eingepflanzt", schießt es aus mir heraus.
„Du musst das verstehen, Simi, ich hatte keine andere Wahl!" Mein Name aus seinem Mund klingt wie ein Befehl. „Ich musste verhindern, dass du mich verdächtigst. Ich wollte doch, dass du mich gernhast. Dass du fragst, wie es mir geht und mich so ansiehst, als würde ich dir etwas bedeuten."„Du bist so krank, Theodor!", sage ich verächtlich.
„Hey, was ist aus Theo geworden?", fragt er enttäuscht.
„Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich dich nach diesem Geständnis noch mögen kann! Du bist ein Mörder!", werfe ich ihm an den Kopf.
„Ein Mörder? Mehr siehst du nicht in mir?", fragt Theodor traurig.
„Doch," wende ich ein, denn ich habe etwas vergessen, „einen Mörder und einen Psychopathen!"Seine Augen funkeln, doch diesmal vor Wut. Ich sehe, wie seine Kieferknochen zittern, als sich seine angestaute Wut ihren Weg nach außen bahnt. Sein blaues Auge zuckt. Dann wandert sein Blick zu dem Küchentresen, auf dem immer noch das Messer liegt. Er braucht zwei Schritte, um es zu erreichen.
Genau wie ich.
Gleichzeitig sprinten wir los.
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THE BLIND SITE - ONC 2023
RomanceIn einer Welt, in der Aussehen und Prestige alles zu sein scheinen, verspricht eine neue Website eine radikale Veränderung. Sie verspricht, dass die Last der Vergangenheit verschwindet und wahre Freiheit nur erreicht werden kann, wenn man den Mut ha...