Kapitel 29 - Ups

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Ein Glück hatten wir nachmittags Verwandlung und so konnte ich mich mit Harry und Ron auf den Weg machen. McGonagall war schon im Raum, als wir das Klassenzimmer betraten. Ich setzte mich in die Mitte und wartete auf Hermine, die kurz vorm Klingeln in den Raum gehetzt kam. Schnell sah sie sich um, erblickte mich und eilte zu mir. Schnaufend ließ sie sich auf den Platz neben mich fallen. Bevor wir auch nur ein Wort wechseln konnten, begann unsere Lehrerin mit dem Unterricht. Wir sollten einen Kaktus in eine Nadel verwandeln. Beschwingt griff ich nach meinem Zauberstab. Das würde ich schon hinbekommen. Ich schwang meinen Zauberstab ein paar Mal in der richtigen Bewegung, dann murmelte ich den richtigen Spruch einige Male. Schon kombinierte ich beides. Und schwupps war aus meinem Kaktus eine Nadel geworden. „Du hast es geschafft“, quietschte Hermine nur leider in diesem Moment und die gesamte Klasse wandte sich mit großen Augen uns zu.

„Nur Glück“, rief ich schnell und schaute hilfesuchend zu McGonagall. „Weitermachen, na los!“, bellte sie die Klasse an und kam dann zu mir. „Wenn Sie mir bitte folgen würden, Miss Dawson“, murmelte sie und nahm meine Nadel. Ich schaute Hermine fragend an, doch diese zuckte nur mit den Schultern und wandte sich ihrem Kaktus zu. Schnell stand ich auf und folgte McGonagall in die hinterste Ecke des Klassenzimmers. Sie legte die Nadel auf einen der Tische und schwang ihren Zauberstab. Schon stand ein Kaktus auf dem Tisch. „Verwandeln Sie den Kaktus noch zweimal in eine Nadel und wieder zurück. Dann sind Sie fertig für die heutige Stunde." Ich nickte und konzentrierte mich. Eine Minute später war die Sache erledigt. „Wir hätten Sie vielleicht doch in eine der höheren Klassen stecken sollen“, murmelte McGonagall und nahm den Kaktus wieder an sich. „Sie können schon mit der Hausarbeit beginnen. Einen Aufsatz über die Anwendung des Zaubers und möglichen Folgen, positiv wie negativ. Sie müssen nicht hierbleiben, gehen Sie in die Bibliothek oder die Große Halle. Dort können Sie ungestört schreiben.“ „Danke, Professor“, murmelte ich. Meine Lehrerin winkte ab und schritt durch die Reihen zum Pult. Ich lief zurück zu meinem Platz und nahm meine Tasche.

„Ich bin fertig. Wir sehen uns später“, flüsterte ich Hermine zu und verschwand schnell aus dem Raum. Die Blicke der anderen brannten sich unangenehm in meinen Rücken. Ich musste in nächster Zeit darauf achten, dass ich mehr Fehler machte. Oder ich fing einfach später mit der Aufgabe an und tat davor nur so, als würde es nicht klappen. Ich kam in die Große Halle. Verwundert blickte ich auf. Ich hatte den Weg unterbewusst zurückgelegt. Es war ein Wunder, dass nichts passiert war. Oder ein gutes Zeichen. Schüler aller Altersgruppen saßen an den jeweiligen Haustischen. Manche arbeiteten konzentriert wie ich es vorhatte, andere unterhielten sich leise, lasen ein Buch oder eine Zeitschrift. Ich suchte den Gryffindor-Tisch mit meinen Augen ab, fand aber niemanden, den ich kannte. Also setzte ich mich hin und kramte Feder und Pergament hervor. In der Zeit, in der die anderen bei McGonagall im Unterricht saßen und versuchten, Kakteen zu verzaubern, schrieb ich schon die Hälfte meines Aufsatzes fertig. Dann klingelte es zum Stundenende und ich packte meine Sachen wieder weg.

Plötzlich setzte sich mir jemand gegenüber und ich blickte auf. Harry grinste mich breit an. „Du warst aber schnell fertig.“ Ich verdrehte die Augen. „Glaub mir, das ist längst nicht so toll wie du denkst. Es war verdammt unangenehm.“ „Glaub ich nicht“, sagte Ron und setzte sich auf meine linke Seite. „Immerhin musstest du keine Doppelstunde im Unterricht sitzen. Du hattest frei. Ich würde alles darum geben, früher aus dem Unterricht zu kommen.“ Ron stützte seinen Kopf auf seine Hand und blickte verträumt in die Luft. „Ich hab aber nicht frei gemacht, ich hab Hausaufgaben gemacht. Ich bin euch einen halben Aufsatz voraus.“ Ron grummelte. Hermine setzte sich auf meine andere Seite. „Und das ist auch gut so“, nickte sie. Kurze Zeit später begann das Abendessen, ohne dass jemand aus der Stufe mich auf die Sache in Verwandlung angesprochen hatte, was mich wirklich erleichterte.

Nach dem Abendessen zog Hermine mich dann sofort in unseren Schlafsaal und verdonnerte mich zum Schafen. Nicht nur, weil ich in der letzten Nacht zu wenig Schlaf bekommen hatte, sondern auch, weil wir um Mitternacht auf dem Astronomieturm sein mussten für unsere Astronomiestunde. Das Einschlafen fiel mir nach der letzten kürzeren Nacht nicht schwer, das Aufstehen eine halbe Stunde vor Mitternacht war dafür eine Qual. Hermines Wecker schrillte unaufhörlich und sie schaltete ihn auch nicht wieder aus, als sie ins Bad ging. „Hermine!“, kreischte Lavender aus ihrem Bett. Ich drückte meinen Kopf in die Matratze und das Kissen auf meine Ohren, aber auch das brachte nichts. Seufzend ergab ich mich meinem Schicksal, stand auf und stellte den Wecker aus. Ich kam der Versuchung meines warmen Bettes gar nicht erst nach und zog mich schnell im Zimmer um. Ich verschwand nur noch mal im Bad, um auf die Toilette zu gehen, sonst machte ich mich gar nicht weiter frisch. Es war eh dunkel. Und außerdem sahen bestimmt alle anderen genauso scheiße aus wie ich. Hermine hielt mir meine gepackte Tasche hin, als ich aus dem Bad kam. Leicht musste ich grinsen. „Du bist zu gut für mich, Hermine.“ Sie lachte auf und ich verzog mein Gesicht. „Und du bist zu laut“, flüsterte ich. „Tut mir leid, Flora“, grinste Hermine mit gesenkter Stimme. Dann lief sie zu Lavenders Bett und riss den Vorhang beiseite. „Hermine“, quengelte Lavender. „Du hast noch zehn Minuten um fertig zu werden und los zu laufen. Ansonsten kommst du zu spät.“ Lavender seufzte, rollte sich dann aber aus dem Bett. Ich zog meine Augenbrauen hoch. Sie stand wirklich auf? Tatsächlich. Mit ihren Klamotten schlurfte sie an mir vorbei ins Bad. Hermine wandte sich nun Parvati zu und weckte sie auf dieselbe Weise. Auch das Mädchen stand auf und kramte nach Klamotten. Mit großen Augen sah ich Hermine an. „Manchmal funktioniert es auch nicht, aber es erstaunt mich schon, dass sie fast jede Woche so spät aufstehen, wenn ich es ihnen sage“, flüsterte Hermine mir zu, hakte sich dann bei mir ein und verließ mit mir den Schlafsaal.

Im Gemeinschaftsraum trafen wir dann tatsächlich auf Harry und Ron. Die beiden schienen zwar im Stehen zu schlafen, aber sie waren unten, hatten richtige Klamotten an und trugen ihre Schultaschen bei sich. „Ich hasse Astronomie“, murmelte Ron, als wir bei ihnen angekommen waren. „Ich auch“, gähnte ich und hakte mich bei ihm ein. Ein raues Lachen verließ seinen Mund. „Und deswegen mag ich dich“, grinste er. „Ach, nur deswegen?“, fragte ich, doch Ron gähnte nur. „Du darfst ihm nicht zuhören. Er ist nicht zurechnungsfähig, wenn er müde ist“, flüsterte Hermine mir ins Ohr und ich musste kurz lachen. Zu viert verließen wir den Gemeinschaftsraum und liefen zum Astronomieturm. Immer mehr Stufen hinauf, bis wir endlich oben waren. Professor Sinistra wartete schon und im Licht einer Laterne konnte ich auch zwei Schüler erkennen. Wir setzten uns auf die Plattform und warteten auf unsere restlichen Mitschüler.

Sinistra begann die Stunde mit einer viel zu lauten und viel zu wachen Stimme. Wir sollten mit unseren Teleskopen den Nachthimmel nach bestimmten Sternen absuchen und sie in unsere Karte eintragen – irgendwie sowas. Dazu löschte unsere Lehrerin das Licht. In völliger Dunkelheit und Stille fühlte ich mich wirklich wohl. Die Vorstellung, jetzt ungesehen zu schlafen, war verlockend, doch ich fand Gefallen daran, die Sterne am Nachthimmel zu suchen. Die Welt dort oben war wirklich wundervoll. Fast schon war ich traurig, als Sinistra die Stunde beendete, aber dann erinnerte ich mich wieder an mein warmes und weiches Bett. Ich hakte mich bei Hermine unter und wartete gar nicht erst auf Harry und Ron – sie würden es mir bestimmt verzeihen. Schnellen Schrittes zog ich Hermine zurück zum Portraitloch, nannte der schläfrigen Fetten Dame das Passwort und zog Hermine weiter in unseren Schlafsaal. „Du hast es aber eilig“, grinste Hermine. „Ich bin hundemüde“, gähnte ich und stellte meine Tasche neben meinem Nachttisch ab. Schnell zog ich mich um, während Hermine im Bad verschwand. „Gute Nacht, Hermine“, rief ich ihr zu und war schon in meinem Bett, bevor sie überhaupt antworten konnte. Ihre Antwort vernahm ich dann nur noch in meinem Unterbewusstsein. Ich schlief ein, bevor Lavender und Parvati den Schlafsaal betraten.

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