Kapitel 36 - Die Flüche von Leid und Tod

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„Weiß noch jemand einen? Einen verbotenen Fluch“, drängte er. Seine magisches Auge flog wild hin und her. Hermines Hand schoss wie immer sofort in die Höhe, doch das magische Auge blieb bei jemand anderem hängen. Ich drehte mich leicht um und erkannte Neville, der seine Hand ebenfalls gehoben hatte. Ich zog meine Augenbrauen nach oben. Nun, das war auch neu. „Ja?“, nickte Moody dem Jungen zu. „Es gibt noch den … den Cruciatus-Fluch.“ Nevilles Stimme war so leise, dass ich sie fast nicht verstand, doch Moody schien mit einem Mal ein besonderes Interesse an ihm zu zeigen. „Dein Name ist Longbottom?“ Neville nickte zögerlich. Ich erwartete irgendwelche weiteren Worte seitens unseres Lehrers, aber er sagte und fragte nichts weiter, was mich doch etwas enttäuschte. Warum schien er so interessiert an Neville zu sein?

Moody zog eine weitere Spinne aus dem Einmachglas und legte sie auf das Pult. Dann wandte er sich wieder uns zu. „Der Cruciatus-Fluch. Die muss ein wenig größer werden, damit ihr euch eine Vorstellung davon machen könnt.“ Ruckartig richtete er seinen Zauberstab auf die Spinne und vergrößerte sie. Ich lehnte mich in meinem Stuhl weiter zurück. Ich hatte ja eigentlich nichts gegen Spinnen, aber die war mir dann doch etwas zu groß. Moody ließ seine beiden Augen noch einmal über uns schweifen. Sein normales Auge richtete sich wieder auf die Spinne, ebenso wie sein Zauberstab. Sein magisches Auge beobachtete weiterhin uns alle. „Crucio!“ Das folgende Schauspiel war einfach nur schrecklich und ich war froh, dass Merlin mir nicht die Gabe verpasst hatte, Tiere zu verstehen. Die Spinne rollte sich auf den Rücken, zog die Beine an und wippte hin und her, wie ein Kind, das Angst hatte. Nur, dass diese Spinne wohl keine Angst hatte. Sie zitterte und zuckte und musste fürchterliche Schmerzen erleiden. „Merlin, wer hat sich nur so einen Fluch ausgedacht?“, flüsterte ich. Ich wollte nichts lieber als meine Augen von dem Anblick abzuwenden, aber er hielt mich gefangen.

„Aufhören!“ Ich zuckte zusammen. Mein Herz machte einen Satz. Ich verschluckte mich an meinem Atemzug und hustete leicht. Endlich konnte ich mich von der Spinne lösen. Meine Augen flogen zu Hermine, die gerufen hatte, aber sie blickte nicht zu dem Tier. Ich folgte ihrem Blick hinter mich zu Neville. Er sah so schlimm aus, wie die Spinne sich fühlen musste. „Neville?“, flüsterte ich, doch der Junge schien ganz weit weg zu sein. Ich blickte kurz wieder nach vorne. Moody hatte seinen Zauberstab von der Spinne abgewandt, aber sie zuckte immer noch fürchterlich. Ich drehte mich wieder zu Neville. „Schmerz“, begann Moody eine Erklärung. Ich streckte meine Hand nach Nevilles aus, die die Tischkante umklammerte. Sachte legte ich meine Hand auf seine. Neville zuckte zusammen und blickte mit aufgerissenen Augen zu mir. „Es ist alles gut“, formte ich mit meinen Lippen. Meine Hand erhitzte sich. „Man braucht keine Daumenschrauben oder Messer, um jemanden zu foltern, wenn man den Cruciatus-Fluch beherrscht … auch dieser war einst sehr beliebt. Schön … kennt jemand noch einen?“, sprach Moody. Die Wärme ging in Nevilles Hand über. Der Junge schien sich etwas zu entspannen. Seine verkrampfte Hand lockerte sich.

Ich blickte wieder nach vorne, ließ meine Hand aber noch auf Nevilles. Dieses Mal traute keiner meiner Mitschüler sich zu melden. Nur Hermines Hand hob sich zitternd in die Höhe. Am liebsten hätte ich sie daran gehindert. Warum konnte sie es nicht einfach lassen? „Ja?“, fragte Moody und fixierte das Mädchen mit seinen beiden Augen. „Avada Kedavra.“ Ich zuckte zusammen. Ein Schmerz durchzuckte meinen Kopf. Das war ein böser Fluch; Irgendwas Schreckliches würde geschehen. „Aah. Ja, der letzte und schlimmste. Avada Kedavra … der tödliche Fluch.“ Mein Atem stockte. Nevilles Hand löste sich abrupt von der Tischplatte und umklammerte meine Finger. Moody griff sich die letzte Spinne. „Oh, bitte nicht“, flüsterte ich. Nevilles Hand begann zu zittern. Oder war es meine eigene? Die Spinne landete auf dem Pult. Moody hob seinen Zauberstab. Bitte nicht. „Avada Kedavra!“ Ein grünes Licht, ein leises Sirren, und die Spinne würde nie wieder in ihrem Leben Todesangst haben müssen. Ich schluckte. Schloss kurz die Augen, als meine Mitschüler leise Schreie ausstießen. Nevilles Hand drückte fester zu. Ich drückte zurück und öffnete meine Augen wieder. Moody fegte die Spinne vom Tisch, als wäre sie ein wertloser Fussel. Ich blickte ihr hinterher. Mein Körper schien den Verlust dieses Lebens wahrzunehmen. Ich bebte innerlich.

„Nicht nett. Nicht angenehm. Und es gibt keinen Gegenfluch. Man kann ihn nicht abwehren. Wir kennen bislang nur einen Menschen, der ihn überlebt hat, und der sitzt hier vor mir“, sprach Moody. Mein Blick flog zu Harry, der starr auf die Tafel blickte und alles um sich herum ignorierte. Ich beugte mich weiter vor und versuchte, ihm in die Augen zu sehen. Sein Blick war verklärt. Er war weiter weg als Neville vorhin. „Avada Kedavra ist ein Fluch, hinter dem ein mächtiges Stück Magie stehen muss – ihr könntet hier und jetzt eure Zauberstäbe hervorholen, sie auf mich richten und die Worte sagen, und ich würde mir vermutlich nicht mal eine blutige Nase holen. Aber das spielt keine Rolle. Ich bin nicht hier, um euch beizubringen, wie der Fluch funktioniert. Wenn es keinen Gegenzauber gibt, warum zeige ich euch dann den Fluch? Weil ihr ihn kennen müsst! Ihr müsst das Schlimmste mit eigenen Augen gesehen haben. Ihr wollt euch doch nicht in eine Lage bringen, in der ihr es mit ihm zu tun bekommt. IMMER WACHSAM!“ Wieder zuckte ich zusammen und Nevilles Handgelenk rutschte ein Stück auf der Tischplatte umher, so erschrocken war er. Ich drückte seine Hand fester und wieder wurden meine Finger warm.

„Nun … diese drei Flüche – Avada Kedavra, Imperius und Cruciatus – nennen wir die Unverzeihlichen Flüche. Wer auch nur einen von ihnen gegen einen Mitmenschen richtet, handelt sich einen lebenslangen Aufenthalt in Askaban ein. Dagegen steht ihr. Den Kampf gegen diese Flüche muss ich euch beibringen. Ihr müsst euch vorbereiten. Ihr müsst euch wappnen. Doch vor allem müsst ihr lernen, in eurer Wachsamkeit niemals nachzulassen. Holt eure Federn raus … und schreibt mit…“ Ich wollte Nevilles Hand loslassen, doch er hielt meine eisern fest. Ich blickte zu ihm und drückte seine Hand kurz. Die Wärme ging auf seine Haut über. Neville blickte mich an. „Alles gut, lass los“, formte ich mit meinen Lippen. Neville zögerte kurz, löste dann aber seine Umklammerung. Ich lächelte ihm noch einmal aufmunternd zu und drehte mich dann wieder richtig auf meinen Stuhl. Ich schnappte mir Feder und Pergament und notierte mir Moodys Diktat.

Wer schaut auch gerade die Krönung von Charles?

Merlins Erbin - Willkommen in der Welt der Hexen und Zauberer Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt