Kapitel 78 - Trauerbeflaggung

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Am nächsten Morgen fühlte ich mich schwach und ausgelaugt. Ich hatte Kopfschmerzen vom vielen Weinen und absolut keinen Appetit. Mein Körper jedoch sprang in den Autopilot. Ohne es wirklich zu realisieren, zog ich mir gemütliche Sachen an und machte mich auf den Weg in die Große Halle. Begleitet wurde ich dabei von Fred und George – wie ich später feststellte – die mich wie Wächter nach beiden Seiten hin abschirmten und jedem Schüler einen bösen Blick zuwarfen, der es nur wagte mich krumm anzusehen. Dumbledore ließ es sich natürlich nicht nehmen ein paar Worte zu sagen, die das ganze restliche Frühstück noch mehr überschatteten. „Ich weiß, ihr seid alle darauf aus zu wissen, was am gestrigen Abend passiert ist. Aber ich kann euch nur um eines beten. Lasst die Champions und besonders Harry Potter in Ruhe. Löchert sie nicht mit Fragen über die Geschehnisse im Irrgarten. Dies ist gleichwohl eine Bitte als auch eine Anweisung.“

Irgendwann wurde es Zeit für Dracos und mein wöchentliches Treffen. Vor einer Woche noch hatten wir gescherzt, dass wir nun meinen Sieg mit einer ordentlichen Party feiern würden. Nun betrat ich den dunklen Raum der Wünsche. Draco zog mich sofort in seine starken Arme. Und ich brach wieder in Tränen aus. Draco sagte nicht viel. Wiegte mich nur sachte hin und her und murmelte Worte der Beruhigung. Tatsächlich versiegten meine Tränen langsam und ich konnte durchatmen. Doch als mein Freund Anstalten machte, sich von mir zu lösen, klammerte ich mich an ihm fest. Wir blieben in der Umarmung verschlungen. „Der Irrgarten war schrecklich“, begann ich schließlich mit brüchiger Stimme. „Du musst es mir nicht erzählen“, flüsterte Draco sogleich. Ich blickte kurz zu ihm hoch, ehe ich meinen Kopf wieder gegen seine Brust drückte. „Wenn ich nicht mit dir darüber reden kann, mit wem dann?“, hauchte ich. Kurz blieben wir still. „Dann erzähl“, meinte Draco und drückte mich noch etwas fester an sich. „Zuerst war da gar nichts. Nur diese verdammte Stille und die Dunkelheit. Dann bin ich einem von Hagrids Krötern begegnet. Er war riesig, aber ein Petrificus totalus hat ihn außer Gefecht gesetzt. Als nächstes … als nächstes habe ich einen Irrwicht gefunden.“ Ich musste stark schlucken. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. „Da warst plötzlich du, übersät mit Wunden, und dem Vorwurf, ich hätte dich getötet. Meine größte Angst… Meine Freunde zu töten, weil ich dem Bösen verfallen bin.“ Ich kniff meine Augen zusammen und klammerte mich fester an Draco. „Das wird niemals passieren“, wisperte dieser und begann, mir über meinen Kopf zu streichen.

Ich atmete tief durch. „Und dann musste ich noch durch einen verwunschenen Nebel, voll mit Schreien und unsichtbaren Händen. Dann… Ich wollte eigentlich schon aufgeben und mich aus dem Irrgarten holen lassen… Aber ich habe… Ich habe Harrys und Cedrics Stimmen gehört. Sie standen beim Pokal und haben sich darum gestritten, wer ihn nehmen soll.“ Wieder musste ich schwer schlucken. Ich spürte, dass Draco sich anspannte. „Sie haben ihn mir angeboten, aber ich habe natürlich abgelehnt. Dann hat Harry vorgeschlagen, dass wir ihn alle gemeinsam nehmen. Ich habe vorher meine Hand zurückgezogen und die beiden sind verschwunden. Was… Was wenn ich Cedric hätte retten können? Wenn einfach ich den Pokal genommen hätte? Oder bei ihnen gewesen wäre?“ „Diggorys Tod ist nicht deine Schuld und egal wie du gehandelt hättest, irgendetwas Schlimmes wäre bestimmt passiert. Hörst du? Du trägst an nichts eine Schuld!“ Ich blieb still und lauschte weiter Dracos Worten, die mich beruhigen sollten. Und irgendwie taten sie das auch. Wenn auch nur ein klein wenig.

„Miss Dawson? Ich würde Sie gerne in meinem Büro sprechen. Es ist dringend“, kam Dumbledore am Sonntagmorgen auf mich zu. Nickend erhob ich mich von meinem Platz. „Aber du hast noch gar nichts gegessen!“, rief Ginny mir hinterher. Ich winkte ab. Ich hatte keinen wirklichen Appetit. Der Weg zu Dumbledores Büro verlief in Stille und schien eine Ewigkeit anzudauern. Dann endlich kamen wir an den Wasserspeier. Dumbledore ließ die Treppe erscheinen und kurz darauf standen wir in seinem Büro. Er deutete auf den Stuhl vor seinem Pult. Ich setzte mich. Er setzte sich dahinter. Bedeutsam faltete der Schulleiter seine Hände und räusperte sich. „Miss Dawson. Ich möchte mit Ihnen ein Gespräch führen. Nicht von Schulleiter zu Schülerin. Sondern von Zauberer zu Merlins Erbin.“ Ich zog meine Augenbrauen nach oben, nickte aber. Dumbledore fuhr fort. „Sie hatten mit ihren Worten vom Freitagabend recht. Etwas Dunkles hat sich in Gang gesetzt. Harry selbst hat gesehen, wie Voldemort wieder auferstanden ist. Damit erfüllt sich die Prophezeiung über Merlins Erben nun endgültig.“ Ich schluckte und nickte.

Merlins Erbin - Willkommen in der Welt der Hexen und Zauberer Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt