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„Na und?", lachte Fallon und griff nach ihrer Hand. Sofort begann Brookes Herz zu rasen. „Fallon, ich denke nicht dass, das...." Abrupt verstummte sie, denn Fallon legte beide Hände um ihre Hüfte. „Vertrau mir einfach Brooke." Sie nickte, warf alle Ängste über Bord und ließ sich von ihrer Nachbarin führen. Als hätten sie niemals etwas anderes getan, schwebten die beiden Frauen förmlich über die in Dunkelheit gehüllte Wiese. Brooke hob den Kopf und verlor sich in Fallons schokoladenbraunen Augen. „Was starrst du mich denn so an?", fragte diese nach einer Weile. „Nichts." Eilig senkte Brooke den Blick. Ihre Wangen glühten. „Na, ihr beiden." Mylo kam mit schnellen Schritten auf sie zu. „Was treibt ihr denn da?" „Wir tanzen Mylo, das sieht man doch.", antwortete Fallon und löste sich von Brooke. Mylo schmunzelte. „Klar. Was macht man auch sonst zu zweit draußen in der Dunkelheit." „Auf was willst du hinaus, Mylo? Wir haben nichts miteinander, wenn du das meinst. Brooke und ich sind gute Freunde, mehr nicht." Brooke verspürte einen Stich in ihrem Herzen. Hatte sie sich wirklich Hoffnungen gemacht?

Eine einzelne Träne löste sich aus ihrem Augenwinkel und hinterließ eine feuchte Spur auf Brookes rechter Wange. Diese Party war ein Fehler gewesen. Niemals hätte sie Fallon dorthin begleiten dürfen. Niemals. Die Worte ihrer Nachbarin auf der Party hatten Brooke gezeigt, was sie unterbewusst ohnehin schon wusste. Sie hatte sich in Fallon verliebt. Und jetzt? Was änderte diese Erkenntnis an ihrer Situation? Nichts, rein gar nichts. Morgen würde sie fliegen. Sie musste fort von hier, ganz weit weg. Brooke rutschte unruhig auf der Bettkante hin und her. Die ganzen Morde hatten sie kaputt gemacht, sie innerlich zerrissen, bis auf den Grund ihres Herzens zerstört und doch war da noch ein Fünkchen Hoffnung in Brooke. Eine Zukunft ohne Töten, ohne Angst, ohne Flucht, das war jenes, was sie sich wünschte. Ein ganz normales Leben, gemeinsam mit ihrer Familie. Brookes Herz wurde schwer bei dem Gedanken an ihre Liebsten. Ohne eine Nachricht zu hinterlassen, war sie damals gegangen. Was, wenn ihre Eltern sie für tot hielten? Nein, daran wollte sie gar nicht denken. Brooke stand auf. Die Wohnung war gekündigt, die Koffer gepackt. Was fehlte noch? Der Abschied von Fallon. Oder sollte sie einfach gehen, ohne auf Wiedersehen zu sagen? „Mörderin!" Sie fuhr herum. Die blonde Frau mit den grünen Augen, ihr letztes Opfer, stand quicklebendig vor ihr. Nein. Das konnte nicht sein. Brooke schüttelte heftig den Kopf. Diese Situation war eine Einbildung, ein Hirngespinst. „Kannst du dich überhaupt noch im Spiegel anschauen?", zischte die Blonde jetzt. Panik breitete sich in ihr aus. „Du wirst die Bilder nicht mehr aus deinem Kopf bekommen, niemals vergessen, was du getan hast!" Brooke stürmte aus dem Schlafzimmer. Schritte erklangen hinter ihr. „Mörderin! Schämst du dich denn nicht! Am Baum sollst du hängen für das, was du getan hast du widerliches Monster!" Die Tränen schossen nur so aus Brookes Augen hervor. Keuchend erreichte sie die Wohnungstür. „Irgendjemand wird sich rächen und dann sollst du das erleiden, dass du all den Menschen angetan hast!", brüllte die Frau mit den grünen Augen und trat gefährlich nah an Brooke heran. Ein lautes Schluchzen entwich ihrer Kehle. Bibbernd vor Angst lehnte Brooke an der weisen Wand des Flures. Und so plötzlich wie die eigentlich tote Frau gekommen war, verschwand sie auch wieder, löste sich auf, so als hätte sie nie existiert, jedenfalls nicht in Brookes Wohnung. Wie versteinert stand sie da und rührte sich nicht vom Fleck. Hatte das alles tatsächlich einzig in ihrem Kopf stattgefunden? Eine Mörderin. Eine kaltblütige Mörderin. Brooke vergrub das Gesicht in den Händen. Nichts anderes war sie.

14 September 2012
Entschieden zog Brooke die Tür hinter sich zu. Eine Welle der Erleichterung durchströmte ihren Körper. Erneut begann ein neuer Abschnitt ihres Lebens, an einem anderen Ort, in einer anderen Stadt, unendliche Kilometer entfernt. London, England, ihr Heimatland war abgehakt. Für immer. „Brooke?" Sie schnellte herum. Fallon! Es war kurz nach fünf, was um Himmels Willen machte ihre Nachbarin so früh schon hier? „Verreist du?", wollte Fallon wissen und musterte mit einer gewissen Skepsis in der Stimme Brookes Koffer. „Ich...." Brookes Gedanken überschlugen sich. War nun der Zeitpunkt gekommen, sich von Fallon zu verabschieden? „Brooke?" „Ich..." Sie versuchte erneut anzusetzen und bemerkte erst da den dünnen Plastik Ordner welchen Fallon in den Händen hielt. Ihre Nachbarin machte einen Schritt nach vorne und just in diesem Moment segelte ein Foto aus dem Hefter hervor. Automatisch beugte Brooke sich hinunter um das Bild aufzuheben. Ein Fehler, wie sich später herausstellen sollte, denn kaum hatte die junge Frau die Fotografie an sich genommen, traten ihr auch schon die Tränen in die Augen. Wortlos reichte sie Fallon das Foto. Es gab keinen Zweifel, die Frau darauf war diejenige, die sie vorgestern ermordet hatte. Brooke schluckte. Nein. Nein, nein, nein. Das konnte nicht sein. weshalb besaß ihre Nachbarin eine Abbildung ihres letzten Mordopfers. „Brooke? Alles okay? Das Foto...du solltest das nicht sehen, ich weiß es ist schrecklich." „Wo....woher...", fing Brooke an, doch ihre Stimme versagte. „Diese Frau wurde heute in den frühen Morgenstunden tot aufgefunden, wir wissen noch nicht sehr viel." Mit ernster Miene fügte Fallon hinzu: „Ich arbeite bei der Kriminalpolizei." Bei der Kriminalpolizei! Brookes Herz begann zu rasen. Ein starkes Zittern erfasste ihren Körper. Wenn Fallon herausfand, dass sie... Nein. Das durfte nicht geschehen, niemals. „Brooke? Hey, geht es dir nicht gut?" Fallons Gesicht verschwamm vor ihren Augen. „Doch...es ist alles...alles...." Weiter kam Brooke nicht, denn bereits Sekunden später fand sie sich auf dem kalten Flur Boden wieder. „Brooke!" Fallon ging neben ihr in die Hocke. „Hey, was ist mit dir?" Ich habe diese Frau auf dem Foto umgebracht, dieser Satz schoss wie die Kugel eines Revolvers durch ihren Kopf. „Brooke, sprich mit mir. Brooke. Hey." Die junge Frau drehte den Kopf und begegnete dem sorgenvollen Blick ihrer Nachbarin. Schwarze Nebelschleier bildeten sich vor Brookes Augen, nahmen ihr die Sicht. Eine Art Maul tat sich vor ihr auf,schien sie zu sich her zu winken. Dankbar ließ sie sich in den finsteren Schlund fallen. Es folgte absolute Schwärze.




Und sie atmete - Eine Frau die ungewollt tötetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt