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Brooke nippte an der leicht pinken Porzellantasse. „Brauchst du noch eine Decke?", erkundigte Beverley sich und strich ihr eine nasse Strähne aus der Stirn. Brooke verneinte. „Was machst du denn für Sachen Brooke?" „Ich...es tut mir leid Beverley. Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst." Brooke zog die Wolldecke noch etwas fester um ihre Schultern. „Warst du schwimmen?", hakte Fallon nach, die soeben aus der Küche kam. „Schwimmen? Bei dem Wetter? Also Miss O'Connor." Brooke verkniff sich ein Lachen. Warum klang es nur so seltsam, wenn Beverley Fallon mit Miss O'Connor ansprach? „Fallon. Sie können gerne Fallon zu mir sagen." „Okay. Gerne." Brooke sah, wie die Mundwinkel ihrer Schwester nach oben wanderten. „Dann bin ich für sie, aber auch nicht Misses Glanville, sondern Beverley." Brooke verdrehte innerlich die Augen .Na toll. Hoffentlich freundeten sich die beiden nicht an. Denn dann würde Beverley vielleicht öfter hier auftauchen und vor ihrer Schwester konnte Brooke kein noch so kleines Geheimnis verbergen. Das war früher schon so gewesen. Beverley hatte immer alles irgendwann herausgefunden. „Ich würde gerne mal deine Wohnung sehen.", bat Beverley. „Du kannst mir ja auch einfach den Schlüssel geben und ich gehe alleine rüber." Hilfesuchend blickte Brooke zu Fallon hinüber. Wie sollte sie Beverley erklären, warum sie ihre Wohnung gekündigt hatte? „Brookes Wohnung steht derzeit unter Wasser.", erklärte Fallon jetzt. „Die Ursache ist noch unklar, aber morgen kommen einige Handwerker vorbei, um dem Ganzen auf den Grund zu gehen." Beverley setzte eine mitfühlende Miene auf. „Das ist ja schrecklich." Erleichtert atmete Brooke auf. Es schien, als würde ihre Schwester Fallon die Lüge abkaufen. Aber für wie lange? Irgendwann würde Beverley skeptisch werden. Brooke seufzte und leerte ihre Teetasse. „Okay. Wie wäre es, wenn wir alle gemeinsam noch einen Tee trinken und vielleicht eine Kleinigkeit essen?", schlug Fallon vor und griff nach Brookes Tasse, die sie noch immer in den Händen hielt. „Du bist doch fertig, Brooke oder?" Die junge Frau kam erst gar nicht dazu, ihrer Nachbarin zu antworten, denn Fallon war im Begriff, ihr das Gefäß zu entnehmen. Für den Bruchteil einer Sekunden berührten sich die Finger der beiden Frauen und augenblicklich stieg Brooke die Röte ins Gesicht. Eilig zog sie ihre Hand zurück und fing sich damit einen misstrauischen Seitenblick von Beverley ein. „Ja, ich...mache dann mal Tee." Fallon wandte sich ab und verschwand in der Küche. „Was war das denn?" „Was?" Irritiert drehte Brooke sich zu ihrer Schwester um. „Das gerade eben zwischen dir und Fallon. Ich habe doch Augen im Kopf. Was geht da zwischen euch vor sich? Habt ihr etwas miteinander?", hakte Beverley nach. „Was? Nein...ich Fallon ist meine Nachbarin, mehr nicht." „So, so. Nur deine Nachbarin. Okay, dann nehme ich das für den Moment mal so hin." Brooke schluckte. Wirklich überzeugt klang ihre Schwester nicht.

Brooke saß auf Fallons quietschgelben Sofa, die Beine mit den Armen umschlungen und starrte vor sich hin. Beverley. Ihre Schwester war wirklich hier. Nach all den Jahren hatte sie, sie endlich wiedergesehen. „Hey." Fallon ließ sich neben ihr in die weichen Polster sinken. „Schläft Beverley schon?" „Ja." Fallon nickte. „Die Reise hierher muss sie ziemlich müde gemacht haben. Es ist doch okay, dass ich ihr das Zimmer gegeben habe, indem du gestern geschlafen hast." „Klar. Ich habe kein Problem damit, auf dem Sofa zu schlafen." „Wirklich nicht?" „Wirklich nicht.", versicherte Brooke und kurz verschmolz ihr Blick mit dem ihrer Nachbarin. „Okay. Gut." Fallon stand auf. „Es ist ja noch nicht mal 22 Uhr, wie wäre es, wenn wir noch etwas unternehmen?" Brooke runzelte die Stirn. Wollte Fallon sie jetzt wirklich wieder auf so eine blöde Party schleppen? „Keine Angst. Wir gehen auf keine Party.", beruhigte Fallon sie, als hätte sie Brookes Gedanken gelesen. „Auf keine Party? Wohin willst du dann?" „Einfach raus, ein bisschen frische Luft schnappen.", lachte ihre Nachbarin und zog Brooke vom Sofa. Kaum fünf Minuten später fanden sich die beiden Frauen vor dem vierstöckigen Fachwerkhaus wieder. „Ganz schön kalt.", stellte Fallon fest und zog die Jacke noch etwas enger um ihre Schultern. Brooke sah in den Himmel hinauf. Nur sehr schwach konnte man die Sterne hinter der dichten Wolkendecke vor sich hin schimmern sehen. Ein Anblick, der so viel Schönes ausstrahlte und in den sich Brooke für einige Sekunden flüchten konnte. „Brooke?" Fallon berührte sie am Unterarm. „Kommst du? Oder wollen wir hier Wurzeln schlagen?" „Nein. Ich...." Brooke brach ab und setzte sich in Bewegung, während ihre Nachbarin ihr schmunzelnd folgte. Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her. „Erzählst du mir, weshalb Beverley und ich dich heute Nachmittag triefend nass im Wald gefunden haben?" Die plötzliche Frage ließ Brookes Gedanken Achterbahn fahren und gleichzeitig brachte sie die Sanftheit in Fallons Stimme beinahe um den Verstand. Die junge Frau gab sich einen Ruck. „Ich war wirklich baden, also.... so ähnlich....nicht freiwillig. Ich bin blöd gestolpert und in einen Fluss gefallen." „Was. Wirklich?" Fallons Blick war voller Sorge. „Warum hast du das vorhin denn nicht erzählt?" Brooke zuckte mit den Schultern. Sie wusste es selbst nicht, sie wusste im Moment einfach überhaupt nichts mehr. Das Verlangen nach Erlösung heute im Fluss hatte ihr einmal mehr gezeigt, wie sehr ihr eigenes Leben sie belastete. Brooke haderte mit dem Gedanken, sich Fallon anzuvertrauen. Mit Selbstmordgedanken oder gar Selbstmordversuchen war nicht zu spaßen. Brooke blieb stehen. „Brooke? Was ist los?", wollte Fallon wissen und hielt jetzt ebenfalls inne. Sekundenlang standen sie einander gegenüber, erneut umhüllt von absoluter Stille. Ein Windstoß brachte Fallons Haare in Bewegung. Mit einem Lachen versuchte sie, die schwarzen Locken aus ihrem Gesicht zu verbannen. Erfolglos. Brooke seufzte. Sie wusste nicht, wie sie die Attraktivität dieser Frau beschreiben sollte. „Alles okay, Brooke?" Fallon trat näher an sie heran, gefährlich nah. Brookes Gehirn setzte aus. Eine gewaltige Gänsehaut erfasste ihren Körper, sowie sich ihre Lippen auf die von Fallon legten.

Und sie atmete - Eine Frau die ungewollt tötetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt