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„Okay, überredet. Ich begleite dich.“ Brooke wusste selbst nicht, weshalb diese Worte gerade ihren Mund verlassen hatten, es musste an Fallon liegen. „Das ist großartig.“ Ihre Nachbarin fiel ihr um den Hals. „Danke, danke, danke. Ich hole dich dann um neunzehn Uhr ab, okay?“ Brooke nickte und Fallon stürmte in ihre Wohnung zurück. „Bis nachher!“
„Bis nachher.“, brachte sie sie kaum hörbar hervor und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. Was zum Teufel war in sie gefahren? Heute Abend wollte Brooke im Flieger nach Peking sitzen und sich nicht mit ihrer Nachbarin auf irgendeiner Party amüsieren. Nachdenklich biss sich Brooke auf die Unterlippe. Noch war Zeit , das Ganze zu beenden? Entschieden näherte sich die junge Frau sich der gegenüberliegenden Tür, wurde auf halber Strecke langsamer und blieb schließlich ganz stehen. Nein. Fallon würde todtraurig sein. Das konnte sie ihr einfach nicht antun. Brooke wandte sich um. Morgen, gleich morgen früh, würde sie den Flieger nehmen und von hier verschwinden, sich voller Angst aus dem Staub machen, wieder einmal.

Aufs Neue betrachtete Brooke sich im Spiegel. Die grauen Augen der Frau vor ihr wirkten müde, so als wäre jegliches Leben daraus entschwunden. Hatte es dort überhaupt jemals etwas Vergleichbares gegeben? Sicher, doch dies schien Ewigkeiten her. Brooke schloss die Augen. Es gab Augenblicke da konnte sie sich selbst kaum ansehen, denn sie erkannte sich einfach nicht mehr wieder. Stattdessen starrte sie in das Gesicht einer Fremden , an deren Händen Blut klebte, einer Frau die kaltblütig mordete. Das Läuten der Türklingel riss Brooke aus ihren Gedanken. Es war kurz vor neunzehn Uhr. „Okay , Brooke. Du schaffst das.“, flüsterte sie leise und beeilte sich zur Wohnungstür zu kommen. Fallon stand da, im Schein der schwachen Treppenhauslampe und grinste. „Gut siehst du aus.“ „Danke, du auch.“, gab Brooke das Kompliment zurück und musterte ihre Nachbarin ein wenig genauer. Fallon trug eine weise Bluse mit silbernen Knöpfen, dazu einen violetten, knöchellangen Rock und Halbschuhe in derselbigen Farbe. Brookes Outfit bestand ebenfalls aus einer Bluse und Halbschuhen, jedoch waren die Schuhe schwarz und die Bluse dunkelblau. Dazu schmückte eine graue Jeans ihre Beine. „Können wir los?“, wollte Fallon wissen.
„Klar.“ Gemeinsam verließen sie das vierstöckige Fachwerkhaus und steuerten auf Fallons blutroten Käfer zu. Brooke zögerte. Obwohl sie bereits mehrere Male in diesem Auto mitgefahren war, machte ihr dieser Wagen Angst. Lag es an der Farbe? Rot. Blutrot. „Hey.“ Fallon legte ihr eine Handy auf. „Alles gut?“ „Ja.“ Brooke bemühte sich zu lächeln. „Alles bestens.“ „Gut.“ Fallon Nachbarin öffnete die Beifahrertür des Käfers. „Darf ich bitten.“

Schon von Weitem sah sie die unzähligen Menschen die sich auf dem riesigen Parkplatz tummelten. Dort wo sonst Autos standen, waren jetzt jetzt kleine Stände aufgebaut, an denen man wahrscheinlich alkoholische Getränke und Snacks kaufen konnte. „Ziemlich voll.“, lachte Fallon und stoppte den Käfer vor einem Schild mit der Aufschrift „Nur für Party-Besucher“. Brooke verzog das Gesicht. Am liebsten hätte sie sofort wieder umgedreht. Sie war keine Party-Gängerin, ganz geiss nicht. Im Normalfall blieb sie diesen Veranstaltungen fern und ließ sich nur im äußersten Notfall dazu überreden. „Na du siehst ja nicht gerade begeistert aus Brooke.“, meinte Fallon da und schenkte ihr einen kurzen Seitenblick. „Nein...ich ich gehe eigentlich nie auf Partys.“ „Tut mir leid. Das war dumm von mir, ich hätte dich nicht zu dieser bescheuerten Idee überreden dürfen. Ich weiß ja dass du eher zurückhaltend bist und das hätte ich akzeptieren müssen. Am besten fahre ich dich wieder zurück.“ „Nein.“, hielt Brooke ihre Nachbarin zurück, obwohl sie mehr als begeistert von Fallons Vorschlag war. „Ich schaffe das schon und ich möchte dir ja auch nicht den Abend verderben.“ „Das tust du nicht Brooke. Also....“ Weiter kam sie nicht denn in dieser Sekunde trat jemand an das Fahrerfenster. Zwei giftgrüne Augen blitzten den beiden Frauen entgegen und Brooke sog scharf die Luft ein. Gestern hatte sie schon einmal in solch grünen Augen geblickt, jedoch war jeglicher Glanz aus diesen vertrieben worden. „Mylo.“, entfuhr es Fallon. Brooke zog die Stirn in Falten. Wer war dieser Mann? Ihre Nachbarin kurbelte das Fenster runter. „Fallon, hi. Warum hast du mir nicht gesagt dass du auch hier auftauchst, dann hätten wir zusammen gehen können.“, erkundigte sich der junge Mann, der anscheinend Mylo hieß jetzt. „Tut mir leid Mylo, das habe ich ganz vergessen. Ach übrigens, das ist meine Nachbarin Brooke. Brooke, das ist Mylo, mein Arbeitskollege.“ Brooke nickte. Arbeitskollege also. „Hallo Brooke.“ Fallons Kollege reichte ihr durch das Fenster seine Hand und Brooke nahm diese entgegen. „Hallo.“, entgegnete sie leise. „Na dann.“ Mylo öffnete die Fahrertür. „Lasst uns feiern.“ Ehe Brooke sich versah, hatte der Mann Fallon aus dem Auto gezogen. „Kommst du auch Brooke?“, fragte Mylo anschließend. „Ja.“ Sie entstieg dem Käfer und Fallon sperrte den Wagen zu.

Sie saß im Schatten einer Eiche und beobachtete die Sterne, welche dem tief dunklen Nachthimmel ihr Leuchten schenkten. Kalt hauchte der Septemberwind ihr seinen Atem ins Gesicht. Mylo und Fallon tanzten irgendwo in dem gigantischen Gewirr aus Menschen miteinander. Brooke erhob sich und musterte ihre Armbanduhr. Kurz nach zweiundzwanzig Uhr. Fröstelnd rieb sie sich die Oberarme. Brookes Augenmerk richtete sich auf den Hafen, welcher keine zehn Schritte von ihr entfernt in der Finsternis lag. Gemütlich schaukelten die weisen Boote und Schiffe auf den , sich leicht kräuselnden Wellen der Themse. „Brooke?“ Fallon war wie aus dem Nichts an sie herangetreten. Erschrocken brauchte Brooke einen Moment um zu realisieren, dass es sich lediglich um ihre Nachbarin handelte. „Habe ich dich erschreckt?“ „Ja, aber es geht schon.“ „Sorry.“, entschuldigte Fallon sich und reichte Brooke ein Weinglas. „Hier. Ich wusste nicht ob du Weißwein magst.“ „Doch, den mag ich. Danke.“ „Hey.“ Fallon legte einen Arm um sie, woraufhin Brookes Körper sich verkrampfte. „Ich wollte unbedingt dass du mich begleitest und jetzt tanze ich die ganze Zeit mit Mylo und lasse dich hier alleine herum stehen.“ Brooke öffnete den Mund um etwas zu erwidern, ließ es dann aber sein. „Weißt du was, ich tanze jetzt einfach mit dir.“ Sie riss die Augen auf. „Fallon ich kann nicht tanzen.“




Und sie atmete - Eine Frau die ungewollt tötetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt