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Brooke versuchte sich aus dem eisernen Griff ihrer Schwester zu befreien, versagte aber kläglich. „Also?" Beverley hob eine Augenbraue. „Raus mit der Sprache." „Ich....ich also...ähm...", stammelte Brooke und gab sich schließlich einen Ruck. „Ich habe Fallon gestern Nacht mit Mylo gesehen und...." „Mylo?" Ihre Schwester runzelte die Stirn. „Wer ist Mylo?" „Achso. Das weißt du ja gar nicht. Mylo ist...ist Fallons Kollege."
Die junge Frau atmete tief durch. Kollege! Kollege! Warum klang das in ihren Ohren so seltsam? Vielleicht weil Brooke nun wusste, dass Mylo mehr als Fallons Kollege war.
„Okay, du hast deine Nachbarin und diesen Mylo gesehen. Und dann? Ist irgendetwas passiert?" Beverley lockerte den Griff um ihr Handgelenk. „Brooke?" Sie sah auf. „Die beiden haben sich geküsst." Sie haben sich geküsst! Sie sind zusammen! Sie sind ein Paar! „Okay. Und was ist so schlimm daran? Anscheinend sind sie verliebt. Ich verstehe nicht, was das Problem ist. Hast du deshalb geweint? Sag bloß, der Kuss war so schlimm?"
Beverley lachte laut, doch schon nach wenigen Sekunden wurde ihre Miene wieder ernst. „Warte mal. Ich...ich hatte recht, oder? Zwischen dir und Fallon läuft wirklich etwas. Hast du dich in deine Nachbarin verliebt, Brooke?" Brooke senkte den Blick. „J...ja." „Weiß sie es?" „Ja. Aber...sie wird meine Gefühle sowieso niemals erwidern. Schon...gar nicht nach gestern Nacht."
„Du hast uns gesehen?" Erschrocken fuhr Brooke herum. Fallon stand im Türrahmen! Oh nein! Die Gedanken der jungen Frau rasten. Sie hatte alles mit angehört! Fallon hatte alles mit angehört! „Ich...es tut mir leid, Brooke. Ich wollte nicht, das du es so erfährst." Fallon fuhr sich sichtlich aufgewühlt durch die schwarzen Locken. Brookes Augen füllten sich mit Tränen. Sie musste hier raus! Weg! Und das sofort!

Brooke trat aus dem vierstöckigen Fachwerkhaus. Ihr Herz klopfte wie verrückt und nur mit Mühe gelang es ihr die herauf kommenden Tränen zu vertreiben. Bevor Fallon oder Beverley etwas unternehmen konnten, war sie ohne ein weiteres Wort zu verlieren aus der Wohnung geflohen. Und jetzt? Was nun? „Brooke!"
Die junge Frau fuhr herum. Fallon trat hinter ihr aus der Tür des weiß gestrichenen Gebäudes. „Brooke. Bitte, lass uns in Ruhe über alles reden, okay?" Brooke zögerte. Sie hatte die Flucht nach vorne gewählt, weg von den Problemen, weg von der Tatsache, dass inzwischen zu hundert Prozent klar war, wie Fallon fühlte. Doch genau jetzt stand diese vor ihr und wollte ein Gespräch.
„Komm schon Brooke." „O...okay.", hörte Brooke sich selbst sagen und sah wie Fallons Mundwinkel sofort nach oben wanderten. „Dann...dann...fange ich am besten gleich an. Also...ich wollte wirklich nicht, dass du uns siehst. Aber Mylo und ich wir...wir sind jetzt ein...ein Paar." Brookes Lippen begannen zu zittern. Verdammt! Sie durfte jetzt auf keinen Fall anfangen zu weinen!
„Das alles muss dich furchtbar verletzt haben. Dafür...dafür möchte mich bei dir entschuldigen.", fuhr Fallon fort. „Ich möchte..." Sie brach ab und musterte Brooke. „Hey." Die junge Frau zuckte zusammen, sowie ihre Nachbarin ihr eine Hand auf die Schulter legte.
In diesem Moment nahm der Herbstwind an Fahrt auf und ließ eine handvoll orangefarbene Blätter über den beiden Frauen nieder rieseln. Der morgendliche Himmel hatte sich sein dunkelstes Kleid übergeworfen, bereit die Häuser unter sich mit Regen zu überfluten.
„Nicht weinen." Sanft zog Fallon Brooke an sich, doch bevor es zu einer Umarmung kommen konnte trat Brooke einige Schritte zurück und löste somit den nahen Moment auf. In ihrem Kopf tobte ein wahrer Gedankensturm. Warum musste das alles passieren? Weshalb hatte sie sich nicht einfach nach Peking abgesetzt? Diese Chance hatte sie verspielt. Vielleicht war es nun an der Zeit alle Karten offen auf den Tisch zu legen.
Brooke wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Was hatte sie noch zu verlieren? Fallon würde nach der Beichte nicht mehr mit ihr sprechen. Aber was machte das schon aus?
„Hey Brooke. Ich.... möchte dich wirklich nicht als Freundin verlieren, aber ich kann verstehen, wenn du jetzt vielleicht etwas Abstand brauchst.", riss Fallon sie da aus ihren Gedanken. Brooke nickte mechanisch und unvermittelt platzte es aus ihr heraus. „Der Fall an dem du gerade arbeitest, ich...ich weiß wer die Frau auf dem Foto umgebracht hat." „Was?" Ihre Nachbarin wirkte irritiert. „Was redest du denn da? Und...und wie kommst du denn jetzt überhaupt darauf?"
Brooke schluckte schwer. Sie hatte es getan! Sie hatte es wirklich getan! Und jetzt? Die komplette Wahrheit? „Was meinst du damit Brooke? Du willst mir doch nicht wirklich sagen, dass du etwas weißt, oder?" „Doch, ich..." Die junge Frau brach ab und kehrte ihrer Nachbarin den Rücken.
War sie in der Lage diese Worte auszusprechen? Regentropfen wehten ihr ins Gesicht und Brooke wischte diese fort. Es gab kein Zurück mehr. Wie in Zeitlupe schloss sie die Augen, ließ noch einmal die gestrige Nacht Revue passieren, ehe sie die Lider wieder öffnete. Es war Zeit. Zeit für die Wahrheit.
„Brooke. Weißt du nun etwas oder nicht?" Fallons Stimme schien von weit herzukommen. Ja ich weiß etwas. Ich weiß es. Ich weiß alles. Ich bin die Mörderin! Ich habe die Frau auf dem Foto umgebracht! Ich habe sie auf dem Gewissen! Und ich hasse mich dafür! Jeden Tag! Jede Stunde! Jede einzelne Minute! Tränen flossen Brookes Wangen hinunter und noch in derselben Sekunde drehte sie sich zu ihrer Nachbarin um.
„Ich...ich habe diese Frau umgebracht." Stille folgte. Ein Augenblick von absoluter Ruhe. Etliche Minuten verstrichen, ehe Fallon urplötzlich in lautes Gelächter ausbrach. „Für...für einen kurzen Moment hätte ich es dir beinahe abgekauft, Brooke. Aber...aber über so etwas macht...macht man doch keine Witze. Also, was hast du wirklich gesehen? Jeder Hinweis kann uns bei unseren Ermittlungen weiter helfen." Brooke klappte die Kinnladen herunter. Sie glaubte ihr nicht. Fallon glaubte ihr einfach nicht. War das ihr Ernst?
„Fallon...ich...ich meine das wirklich ernst. Ich...habe dieser Frau das Leben genommen." „Also wenn ich gewusst hätte, dass du so einen seltsamen Humor hast, dann..." „Fallon." Brookes Stimme zitterte leicht. „Es ist die Wahrheit." „Nein. Hör...hör auf damit. Du redest Unsinn, Brooke. Du würdest doch niemals...." Fallons Augen weiteten sich. „Brooke, bitte...bitte nicht."

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 20 ⏰

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Und sie atmete - Eine Frau die ungewollt tötetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt