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„Brooke? Hey!" Nur schleppend drangen diese Worte an ihr Ohr, ehe Brooke die Augen aufschlug und in Fallons braune Augen blickte. „Da bist du ja wieder. Ich dachte...." Ihre Nachbarin brach ab und kramte ihr Handy hervor. „Was..was hast du vor?" Brooke setzte sich auf und erst jetzt bemerkte sie, dass sie nicht mehr draußen im Treppenhaus lag, sondern auf dem quietsch gelben Sofa in Fallons Wohnzimmer. „Ich rufe einen Krankenwagen", erklärte Fallon. „Immerhin warst du über zwei Minuten bewusstlos." „Nein." Sie schüttelte den Kopf. „Ich...mir geht es gut, wirklich." Wie zur Bestätigung stand Brooke von der Couch auf. „Ich weiß ja nicht Brooke." „Bitte." „Okay. Aber dafür erzählst du mir, was mit dir los ist." Fallon ließ sich auf die gelben Polster sinken. „Also? Man klappt doch nicht einfach so zusammen, bist du krank?" Brookes Gedanken fuhren Achterbahn. Was sollte sie ihrer Nachbarin erzählen, wenn sie den Grund ihres Zusammenbruchs doch selbst nicht kannte. „Ich bin...bin nicht krank." Waren die einzigen Worte, die Brooke heraus bekam. „Was stimmt dann nicht mit dir? Mensch Brooke, weißt du eigentlich, welche Angst ich um dich hatte!" Ein leichtes Lächeln tanzte um Brookes Mundwinkel. Fallon hatte sich wirklich Sorgen um sie gemacht. „Brooke?" Ihre Nachbarin erhob sich von ihrer Sitzgelegenheit. „Hörst du mir überhaupt zu?" „Ja. Aber...wie schon gesagt, mir geht es gut...ich habe bestimmt einfach nur zu wenig geschlafen." Diese Ausrede klang glaubwürdig und in gewisser Weise handelte es sich dabei auch nicht um eine Lüge. Seit dem Mord an der blonden Frau bekam Brooke so gut wie kein Auge zu. „Hey, du weißt dass du mit mir über alles reden kannst." „Es ist nichts...ich habe wirklich einfach nur zu...." „Zu wenig geschlafen, jaja.", fiel Fallon ihr ins Wort. „Brooke, ich bin Polizistin, ich weiß wann man mir nicht die Wahrheit sagt, also hör auf irgendwelche Ausreden zu erfinden." Das hatte gesessen. Brooke wusste selbst nicht, weshalb sie Fallons Appell so sehr traf, vielleicht weil der jungen Frau in diesem Moment klar wurde, wie leicht es Fallon fiel, sie zu durchschauen. „Wenn ich es dir sage, dann....dann....“ „Was dann? Denkst du, ich werde, dich auffressen? Komm schon Brooke, es ist alles gut, dir kann nichts passieren.“ Fallon schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. „Okay.“ Brooke schloss die Augen ging ganz in sich, sammelte all den Schmerz der letzten Jahre, packte ihn zu einem Bündel zusammen und öffnete die Lider. Sie war bereit, bereit ihrer Nachbarin jedes noch so winzige Detail zu gestehen. „Ich habe....“ Mitten im Satz erstarb ihre Stimme. Es ging nicht. Es ging einfach nicht. Brooke konnte dieser Frau für die sie so viel empfand nicht in die Augen blicken um ihr dann zu eröffnen welche grausamen Dinge sie getan hatte. „Ich kann nicht.“ „Doch du kannst.“ „Nein.“ Heftig schüttelte Brooke den Kopf. Nein, nein, nein. Tränen traten ihr in die Augen und perlten Sekunden später von ihrem Kinn ab. „Hey, warum weinst du denn?“ Sanft wischte Fallon ihr mit dem Daumen eine Träne von der Wange. Brookes Atem beschleunigte sich und ihr Herz schlug mit einem Mal so unglaublich schnell. Ein Schluchzen entwich ihrer Kehle. „Komm her.“, flüsterte ihre Nachbarin und schloss Brooke in ihre Arme. „Wenn dich diese Sache so belastet, dann....dann musst du mir auch nicht davon erzählen, aber....aber vielleicht wäre es wirklich besser mit der Sprache raus zu rücken.“ Fallons Stimme war ganz dicht an ihrem Ohr. Brooke biss sich auf die Unterlippe. Ja, natürlich war es besser, die Wahrheit zu sagen, für alle, auch für Brooke selbst. „Geht's wieder?“, wollte Fallon wissen, als sie die Umarmung beendete. „Ja, danke.“ Brooke versuchte zu lächeln, was ihr jedoch nur sehr schwer gelang. Und jetzt? Sie hatte die Chance verpasst Fallon den Mord zu gestehen. Die Frage war, würde eine weitere Gelegenheit kommen und würde Brooke diese nutzen?

Brooke saß auf einem Stuhl in Fallons Küche und kaute nervös an ihren Fingernägeln. Ihren Flug hatte sie verpasst und im Moment war ihr dies auch völlig gleichgültig. „So, da bin ich wieder.“ Fallon betrat den Raum. „Ich habe meinen Kollegen gesagt, dass ich heute ein wenig später komme.“ Brooke erhob sich. „Fallon, du....“ „Pssst.“ Ihre Nachbarin stützte sich mit einer Hand am Türrahmen ab. „Ich will jetzt nichts hören. Es war meine Entscheidung, okay. Die Arbeit kann warten, denn für mich zählt gerade nur, dass es dir gut geht, Brooke." Fallon trat an Brooke heran und nahm ihre Hände in die ihrigen. „Ich möchte, dass du mir vertraust Brooke.“ Völlig überrumpelt von der plötzlichen Berührung entzog sich Brooke diesem nahen Moment, indem sie ihre Hände aus Fallons Umklammerung löste. „Tut mir leid.“, entschuldigte sich ihre Nachbarin. „Bin ich dir zu nahe getreten?“ „Nein, schon....schon okay.“ „Soll ich dich in deine Wohnung begleiten?“ „In meine....meine Wo....Wohnung.“, stammelte Brooke. „Ja.“ Fallon nickte. „Komm, dann kannst du dich vielleicht ein bisschen hinlegen.“ „Nein, das ist nicht nötig.“ „Doch. Das mache ich gerne.“ „Nein, Fallon, ich kann....ich kann nicht in meine Wohnung.“ „Was? Warum denn nicht?“ Stirnrunzelnd strich sich ihre Nachbarin eine Strähne aus dem Gesicht. „Ich kann nicht in meine Wohnung, weil ich dort nicht mehr wohne.“ Jetzt war es raus. Fallon atmete hörbar aus. Ihre Augen weiteten sich. „Du wolltest gar nicht verreisen. Du wolltest weg von hier.“ Brooke war überrascht, wie schnell Fallon eins und eins zusammengezählt hatte. Lag das an ihrem Beruf? „Ja.“, gestand sie. „Ich wollte England verlassen, das möchte ich immer noch.“ „Aber....aber warum? Hat es mit dem zu tun, dass du mir nicht erzählen willst?“ Brooke nickte. Stille erfüllte das Zimmer. Keiner der beiden Frauen ergriff das Wort. „Das ist jetzt wirklich sehr plötzlich, aber....aber es ist dein Leben, Brooke." Ein leichter Glanz bildete sich in Fallons Augen. War sie etwa im Begriff zu weinen? „Aber wir bleiben in Kontakt, oder?“ Diese Frage traf Brooke wie ein Schlag ins Gesicht. Ließ Fallon sie wirklich so einfach gehen? Warum hielt sie sie nicht zurück? „Wohin soll es denn gehen?“ „Nach, nach Peking.“ „Peking.“, wiederholte Fallon. „Das ist nicht gerade um die Ecke. Naja, dann gibt es für mich ja nur noch eins zu sagen. Gute Reise Brooke Glanville.“








Und sie atmete - Eine Frau die ungewollt tötetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt