Die Tierhaut färbte weniger schnell als erwartet. Ab einem bestimmten Punkt trat eine vollkommene Sättigung ein und der Ton ging nicht mehr über das leichte pink-rötliche hinaus.
„Du solltest sie kurz herausnehmen und etwas eintrocknen lassen, danach kannst du die zweite Lage angehen", bemerkte Mic mit einem Seitenblick.
Vera nickte nur und tat wie ihr gehießen.
Unterbeschäftigt stocherte sie anschließend mit ihrem Stab im gusseisernen Topf herum und ließ die Geräusche und Gespräche des Raumes sie vom Warten ablenken. Sie war nie die geduldigste Person gewesen, hatte es sich auf der Jagd lange antrainieren müssen ihre Arme und Beine davon abzuhalten sich ständig strecken zu wollen. Ihre Gelenke versteiften sich in der langen Hocke und knackten anschließend bei jeder Bewegung. Sie war kein leiser schattenhafter Jäger, sie war laut und ungehemmt und erbeutete durch pure Grobschlächtigkeit und Masse. Sie erlegte nur, wenn sie es mehr wollte, wenn sie es mehr wollte zu töten als ihre Beute zu leben. Ganz besonders war ihre Wut ein Problem, an den Tagen, an denen keine Beute ihren Weg kreuzte. An diesen Tagen hätte sie am liebsten Schreiend den nächsten Felsen zerkratzt, wenn es nicht so sinnlos gewesen wäre.
Doch sie war nicht länger in der Wildnis und um sie herum war es auch nicht bitterkalt, genauso wenig still. Im Gegenteil, der Raum bebte vor Gelächter.
Eine großgewachsene Frau mit Haut, wie die tiefste Nacht lachte volltönend als Delano ihr etwas ins Ohr flüsterte.
Auch ihre eingefallenen Wangen und die rot unterlaufenen Augenhöhlen konnten ihre Schönheit nicht dämpfen. Besonders nicht, wenn sie mit allen Zähnen strahlte. Sie hustete vor Emotion in ihre Armbeuge und Delano tätschelte ihr den Rücken.
Ihr lautes Lachen hatte eine wilde Freiheit, die Vera vom Bergvolk der Nogarden kannte, die in der Felsenweite Voka lebten und ab und an zum Handeln in Zura aufgetaucht waren. Vielleicht lagen die Wurzeln der Frau dort, auch wenn es den Fakt noch unverständlicher machte, dass sie hier gelandet war. Von einem Ende der Hauptinsel ans andere verschleppt, denn die Nogarden liebten ihre Berge und blieben viel zurückgezogen und unter sich. Diese Frau war mit Sicherheit nicht freiwillig gegangen. Was war ihre Geschichte, was war ihr Verbrechen, dass sie hier stand, mit gelber Farbe an den schlanken Händen?
„Was hat er gesagt Hisli, wir wollen mitlachen", tönte es von der blauen Farbe. Zustimmendes Gemurmel schloss sich an.
Hisli grinste und wandte sich an den Raum, gleichzeitig an niemand bestimmten.
„Er meinte nur, dass mir der gelbe Umhang viel besser stehen würde als seiner königlichen Fettheit." Der Schock ließ Vera ihre erste Reaktion im Halse stecken bleiben, derartig feindlich gegenüber der Krone hat sich bisher niemand geäußert, nicht einmal Heron und Tam. Seelenschmerz versuchte sich einen Weg in ihre Gedanken und durch ihren Körper zu fressen, doch sie schloss ihn tief in sich ein. Es half nichts ihre Familie zu vermissen. Es half nichts, dass sie sich wünschte Zuna die vielen Farben zeigen und Bänder aus gefärbtem Leder in ihre Haare flechten zu können. Denn es war nicht mehr real, es gab kein Zurück. Ihre Familie war von Anfang an nie ihre leibliche Familie gewesen und jetzt war sie nicht einmal mehr ihre geistige. Was mit Heron geschehen war, mal ganz außen vor.
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Die Eisdienerin - Band 1
FantasyBAND I - Die Eisdienerin ✧✧✧ „Eis wird ihr Schicksal sein. Sie hat die Möglichkeit diese Welt zu verändern" ~ „Nichts wird sie verändern." Veralia Ristossorio wächst in einem kleinen Dorf im hinterletzten Winkel des Eiskönigreiches Musashia auf. A...