Die Flasche wurde leerer und mit jedem weiteren Glas bemerkte Hain weniger, dass er sie mehr und mehr alleine trank. Vera wollte nicht vom Wein in Schwingung versetzt, leicht anstoßbar für den Willen anderer sein. Auch, wenn es so aussah als ob Hains Wille ihr recht gut gefiel.
Sie traute sich zu interpretieren zu können, wenn ein Mann Interesse zeigte. In Zura war es wichtig davon Abstand zu nehmen. Tam war auch ein guter Schutzmechanismus gewesen, aber hier gab es keinen Tam und im Grunde brauchte sie weder Schutz noch wollte sie ihn.
Nicht, wenn Hains Augen glühten, wie sie es nur taten, wenn er sie ließ. Doch gerade schwebten dumpfe Schwaden des Weins darin herum, kein kaltes Feuer mehr. Er lächelte sie träge an, seine Mundwinkel hingen dabei leicht nach unten. Seine Hand lag schon zu lange am ihrem Nacken und zwirbelte abwesend an einer entwischten Haarsträhne herum. Der Reiz dessen war längst abgeflacht und seine Haut wärmte ihre nicht mehr, vielmehr klebte sie vom Kondenswasser.
Vera konnte den kurzen Aufruhr an Ekel in ihr nicht unterdrücken. Ein Mann, wie Hain sollte sich nicht derartig gehen lassen. Egal, wie sicher er sich fühlte und er sollte sich neben einer Mörderin nicht derartig sicher fühlen.
Zum ersten Mal kam ihr der Gedanke, dass er sie nicht als fähig genug einschätze ihm etwas antuen zu können oder er vertraute ihr genug, dass er sich in ihrer Gegenwart gehen ließ. Der Gedanke schlitterte in ihren Magen und klärte ihren Kopf. Sie mochte es nicht als schwach angesehen zu werden.
Auf der anderen Seite, was war sie neben ihm? Er war einer der höchsten angestellten, mit seinen eigenen Gemächern. Plural. Er Hatte mehrere Zimmer nur ein Stockwerk unter der Erde allein für sich, wie er nebensächlich erwähnt hatte. Als wäre es kein Privileg. Nicht, dass er sie viel verwendete oder sie ihr gezeigt hätte. Nur Ciara kannte sie und, wie Vera mit leiser Wut im Magen festgestellt hatte, eine Köchin und eine Schneiderin.
Sie konnte sich ihren Seitenblick auf seine scharfen Wangenknochen nicht verwehren. Den Dienern waren Liebschaften nicht untersagt, ungeachtet alles anderem bedeuteten von Dienern geborene Nachkommen nur weitere Diener für die Obrigkeiten. Niemand konnte wiedersprechen, dass Hain eine der besten Optionen der anwesenden männlichen Spezies war. Sie würde lügen, wenn sie behauptete bereits einen schöneren Mann getroffen zu haben und sie wusste es. Es war nicht abzustreiten. Egal, wie leer seine Augen gerade aussahen.
Sie konnte ihre eigenen Gedanken nicht mehr hören.
Es war spät. Es war dunkel und Hains Zustand würde sich nicht mehr genug bessern, als dass er eine gute Unterhaltung erbringen wurde.
Vera klopfte ihrem Gegenüber auf die Schulter und wandte sich zum Gehen.
Seine Hand schloss sich für seine Ausstrahlung unerwartet schnell um ihren Oberarm.
„Wo gehst du hin?"
„Zu Bett. Es ist spät, du bist angetrunken und wie du sicher weißt reichen meine Privilegien nicht so weit, dass sie mir eine längere Wachzeit erlauben würden." Nicht, dass jemand kontrollierte ob sie wirklich schliefen. Die Wachzeiten bedeuteten nur, man sollte sich auf den Zimmern befinden und bedachte man die Arbeits- und Weckzeiten waren sie sehr sinnvoll. Sinnvoll genug, dass Vera sich daran hielt, abgesehen von ihren kleineren Abenteuern und mutigen Abenden mit den Geschwistern.
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Die Eisdienerin - Band 1
FantasyBAND I - Die Eisdienerin ✧✧✧ „Eis wird ihr Schicksal sein. Sie hat die Möglichkeit diese Welt zu verändern" ~ „Nichts wird sie verändern." Veralia Ristossorio wächst in einem kleinen Dorf im hinterletzten Winkel des Eiskönigreiches Musashia auf. A...