*Kapitel 26*

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Der schwarze Haarschopf der Frau verschwand zwischen den Gruppen an Dienern, doch die gelben Flecken in den Haarspitzen machten sie zu einem leichten Ziel. Hislis krause Locken, die sie immer offen trug, wippten bei jedem ihrer Schritte mit dem Tablet.

Andere Diener drängten sich in Veras Sichtfeld. Sie schob die Körper entnervt zur Seite. Zwängte sich zwischen den vielen Leibern in rauer Kleidung hindurch, ohne dabei den Inhalt ihres Tabletts zu verlieren. Hisli hatte indes einen Tisch gewählt, sich daran gesetzt und sah sich nun um.

Lächelnd hob die rote Färberin die Hand zum Gruß der Gelben. Mit einem Klopfen auf die Tischplatte und einem Seitenblick neben sich lud sie Vera ein. Schnell legte diese die letzten Schritte zurück und ließ sich auf die lange Steinplatte der Bank fallen. Kratzend kam das Tablett auf dem Tisch auf.

"Danke, um diese Zeit sind die Speisesäle immer besonders voll." Hislis warme Augen lächelten gutmütig.

"Einer der wenigen Nachteile ein Färber zu sein. Man hat immer die schlechtesten Essenszeiten."

"Damit kann ich umgehen", Veras Lachen kratze an ihrem Hals. Endlich hatte sie es geschafft ihre Pause und ihre Schichten mit Hislis abzugleichen, um die Färberin nach ihrer Heimat fragen zu können.

"Ja, ich auch", Hisli zwinkerte ihr zu.

"Du bist aus Voka oder?", es gab keinen Grund nicht direkt zum Punkt zu kommen.

"Offensichtlich und du aus Zura, wenn man dem Küchentratsch glauben schenken kann."

"Ja meine Familie lebt in der Eiswüste. Ich wollte dich schon länger nach deiner Herkunft fragen und welchem Stamm du angehörst."

"Woher weißt du von den Stämmen?", ihr Gegenüber legte den Kopf schief.

"Von Zeit zu Zeit kamen Händler aus den Bergen zu uns ins Dorf. Das ist auch der Grund warum ich dich einordnen konnte, du siehst ihnen ähnlich, in der Form deiner Stirn und der Farbe deiner Haut."

"Du meinst auf eine Art, wie sich Zugehörige eines Volkes eben ähnlich sehen?" Hisli verlangte keine Antwort. "Ich bin eine Nogardin, oder war es zumindest bevor ich herkam."

"Den Stammesnamen habe ich noch nicht gehört."

"Das liegt daran, dass mein Volk keinen Handel treibt, zumindest nicht aktiv aufsuchend. Wenn ein Händler durch unsere Siedlung in den Berghängen kam, war das eher Zufall als Absicht. Die Nogarden leben recht abgeschottet und es gibt nicht mehr viele von uns."

"In den Berghängen sagst du?"

"Ja, wir haben unsere Tempel und Tunnel, mit den Wohnkammern zusammen mit den alten Göttern in die Berge geschlagen. Für mich, der schönste Ort der Welt." Das ließ Vera aufhorchen.

"Ihr huldigt noch den alten Göttern?"

"Es ist eine Schande, dass die Welt die Schöpfermächte zu vergessen versucht, aber die Nogarden heiligen noch die alten Wahrheiten." Vera runzelte über Hislis Verblendung die Augenbrauen.

"Die alten Götter sind tot, seit Äonen. Sie sind durch die Schöpfung der Eislande darin übergegangen, haben ihre Seelen bis auf den letzten Rest aufgebraucht."

Hisli deutete mit der Gabel auf Vera.

"Und da liegst du falsch. In den Tempeln meiner Heimat steht eine andere Geschichte." Veras Nackenhaare stellten sich Stück für Stück auf.

"Welche denn?" Die Augen der gelben Färberin bekamen einen verschwörerischen Glanz.

"Sie schlafen oder warten auf den Zeitpunkt, um wiedergeboren zu werden", Hislis Stimme wurde tiefer, ihre Augen wurden abwesender, als sähe sie einen anderen Ort, nicht den Speisesaal des Schlosses. "Zwei Seelen, die sich einst verloren, werden sich wieder vereinigen und bis dahin ist jeder einzeln herzlos gefangen in seiner Form der Überdauerung der Zeit, doch die zweite Seele wartet auf die Hälfte, die sie einst verlor. So stand es zumindest in den Reliefs der Tempel." Mit einem Schulterzucken und einem energischen Zustoßen in die kleinen Fleischstücke auf ihrem Teller klärte sich Hislis Blick wieder und wanderte zu Vera.

Die Eisdienerin - Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt