*Kapitel 29*

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Mehrere Nächte versuchte Vera, den Funken der Macht des Wassers, den sie sich aus den Grotten genommen hatte, bewusst zu verwenden. Ihn zu Formen, wie Lia ihr Eis, oder gesteuert eine Vision auszulösen, wenn sie allein auf ihrem Balkon stand. Doch nichts rührte sich. Ganz deutlich war es spürbar, das Ruhen der Magie nur knapp unter ihren Rippen. Gezielt darauf zugreifen konnte sie jedoch noch nicht und das trieb sie in den Wahnsinn.

Wozu war ihre Macht nütze, wenn sie sie nicht nutzen konnte? Wieso war dieser Teil bei ihr geblieben, wenn er nicht richtig funktionierte? Ihre Anfängliche Begeisterung wandelte sich in Frust und Ärger.

"Ach komm schon, verfluchtes Wasser."

Sie stand auf dem Balkon, die Hände vor sich ausgestreckt und versuchte gerade zum vierten Mal, Wasser in ihre Handfläche zu beschwören, wie sie es Lia mit ihrem Frost hatte tun sehen, doch ihre Haut blieb trocken.

Weißt du was Wasser? Eis ist sowieso das bessere Element.

Nein, sie würde sich jetzt nicht mit einem leblosen Vorkommnis streiten, das nicht einmal anwesend war.

Weil es sich weigert mir zu gehorchen.

Sie atmete durch, versuchte die Wut über ihre eigene Unfähigkeit aus sich herausfließen zu lassen.

"Sei nicht so störrisch. Na los." Den Fokus auf ihre zu Schalen gekrümmten Finger gerichtet, legte sich ihre Stirn in Falten.

"Erwartest du, dass man dir ein Geschenk macht, wenn du nur fest genug daran glaubst?"

Hain.

Veras Augenlider schossen auseinander. Wie konnte dieser Mann so lautlos sein? In der letzten Zeit hatten sie sich nicht wirklich zu Gesicht bekommen, abgesehen vom gemeinsamen Mittagessen. Vera war zu viel mit Lia und Hain mit der Ausbesserung des Schlosses beschäftigt gewesen. Er war praktisch gar nicht mehr auf dem Balkon erschienen.

Jetzt stand er da und schmunzelte sie an, als wäre nichts geschehen. Als wartete sie nicht noch immer darauf, dass er seinen Wetteinsatz einlöste, aber sein Hauptinteresse galt offensichtlich nicht ihr. Was nicht unverständlich war, trotzdem bereitete es ihr einen kleinen Stich.

Sie wollte von Hain mehr beachtet und gemocht werden als ein Gebäude.

"Hallo Fremder", sie ließ ihre Arme sinken.

"Das habe ich wohl verdient." Hain fuhr sich über die akkurat kurzen Haare und trat neben sie.

"Es ist schön dich nochmal hier zu sehen, Mogelvogel." Da war es, das hatte sie hören wollen.

Ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen und sie beschloss, es dort zu lassen und nicht zu verstecken.

"Man könnte fast meinen, du hättest mich vermisst. Ich war immer hier, das ist dir bewusst, oder?" Sie konnte nicht anders. Vera musste versuchen, die Kontrolle über die Situation zu behalten.

„Du könntest die Welt verändern mit diesem Lächeln."

Die Situation entglitt ihr.

Ihre Gesichtszüge hielt sie unverändert.

„Und du glaubst tatsächlich das größte Kompliment, dass du einer Frau machen könntest handelt von ihrem Lächeln." Sie wollte für anderes geschätzt werden als ihr Lächeln, ein Lächeln war kein Verdienst, keine Stärke, kein Talent. Eine Frau nur an ihrem Lächeln zu messen, blieb an der Oberfläche der Dinge. Sie verdiente mehr von jemandem, der tatsächlich an ihr interessiert war, denn sie war an ihm interessiert. Wie tief, das stand noch nicht fest, aber leugnen konnte sie seine Anziehung nicht.

Der oberste Handwerker lachte nur. Tief und selbstsicher.

"Ich an deiner Stelle würde mich nicht mit jemandem anlegen, der etwas hat, das ich möchte. SChade, dass du deine Hände herunter genommen hast. Ich hätte sonst etwas hineingelegt-" Er brach ab, als wollte er mehr sagen. Ließ jedoch nur gespannte Stille zwischen ihnen in der Luft hängen.

Die Eisdienerin - Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt