*Kapitel 25*

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Noch von ihrer Entdeckung berauscht trugen ihre Schritte sie zum nächstbesten Platz im Schloss, dem Platz an welchem ihre Gedanken nur ihr gehörten. Ihr Balkon.

Bereits auf dem Gang roch sie ihn.

Hain kam ihr entgegen noch bevor, sie den Balkon betreten konnte. Er streifte ihre Schulter mit der seinen und Veras Beine hielten ganz von allein an.

"Schöne Nacht heute", er nickte ihr zu. Seine Augen wanderten an ihrem Körper entlang.

"Davon muss ich mich noch selbst überzeugen. Ich komme gerade von den Färbern", sie durfte ihn nicht in Gefahr bringen, indem sie Hain in die Sache mit der geheimen Kammer hineinzog. Außerdem würde er ihr die Flucht nur wieder ausreden wollen. Celina hatte es bereits am Anfang getan und besonders als Team konnten die beiden sehr überzeugend sein, aber Vera war es leid in Selbstmitleid zu versinken.

Sie hatte mehr mit sich und ihrer Zeit anzufangen als aufzugeben. Besonders in diesem Moment, in dem Hains Präsenz ihre Aufmerksamkeit band.

"Mhm, das sehe ich. Du hast noch die typischen Flecken an deiner Haut", er streckte eine Hand nach ihr aus.

Vera wich gegen die Wand zurück.

"Nicht." Hain trat ihr nach. Er hörte die Warnung in ihrer Stimme nicht oder ignorierte sie.

"Du hast da Farbe am Ohr, Mogelvogel." Seine Augen wurden dunkler als sich seine Pupillen weiteten. Vera schauerte es, jedoch nicht vor Angst.

"Du weißt die Farbe", insgeheim wünschte sie sich, es wäre ihm egal. Wünschte sich seine Hand würde seine Bewegung fortsetzen. Er war nicht Tam, aber mit Sicherheit gab es etwas Besseres als Tam.

"Ist ungiftig. Zumindest diese. Der alte Delano scheint eine Schwäche für dich zu haben. Zu seinem Glück weiß ich, dass einer der Wächter seinen Namen seufzt."

"Zu seinem Glück." Vera schluckte.

"Glaub mir, es würde mir ganz und gar nicht gefallen, wenn er ein Auge auf dich geworfen hätte." Hains Hand wanderte an ihrem Kopf vorbei und stützte sich an der Wand ab.

Vera wusste darauf nichts zu erwidern, sah ihn einen langen Moment einfach nur an. Er war zum niederknien. Ewigkeiten hätte sie dort stehen und seinen Anblick aufsaugen können. Seine andere Hand fuhr über ihr Kinn.

Er spielte mit ihr, als hätte er ihre Gedanken gehört, aber das konnte sie auch. Vera war keine eingeschüchterte Unberührte ohne Vorerfahrung. Dessen sollte er sich schnellstmöglich bewusst werden.

Besitzergreifend fuhren ihre Hände über die Brust seiner Uniform. Ihre Finger spielten bewusst unbeteiligt mit den glänzenden Knöpfen.

"Ich habe die Beförderung übrigens erhalten. Das ist mir die letzten Tage seltsamerweise entfallen, dir mitzuteilen." Süßlich verzogen sich ihre Lippen und auch ihre Augen begaben sich auf Wanderschaft.

Der oberste Handwerker reagierte nicht.

"Du hast unsere kleine Wette gewonnen." Ihren gezielten Hieb setzte sie mit einem Augenaufschlag.

Hains Adamsapfel zuckte. Er begriff. Seine Iriden verschwanden komplett oder es war die Dunkelheit.

"Ich schätze, dann muss ich mir wohl etwas ausdenken, was mir gefallen würde, kleiner Mogelvogel", damit stieß er sich von der Wand ab und zupfte, im Vorbeigehen, die Farbe von der Spitze ihrer Ohrmuschel. Hain verschwand im Gang, ohne einen Blick zurück und Vera war sich ziemlich sicher, dass sie ihr verbales Gefecht gerade verloren hatte. Die Hitze in ihrer Magengegend und an den Wangen bewies es.

"Dämlicher Handwerker", ihre Faust durchschlug nur Luft.

"Dämlicher Gang", der Ellbogen folgte als sie ihre Hüfte eindrehte. Mit den Knöcheln von Zeige und Mittelfingern der linken Hand voran, machte sie ihrem imaginären Gegner den Gar aus. Mit einem Kinnhaken, den sie Hains viel zu perfekter Knochenstruktur zudachte.

Die Eisdienerin - Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt