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Eine Welt in Flammen

Beinahe zwanzig Mondzyklen später

(entspricht etwa zwei Jahren in unserer Zeitrechnung)

Entsetzte Schreie zerfetzten die Stille der Nacht und rissen Filyina erbarmungslos aus dem Schlaf. Augenblicklich war sie hellwach und griff nach ihrem Bogen und dem Köcher mit Pfeilen, die neben ihrer Schlafstätte bereitlagen. Derweil sie beides über ihre Schultern schlang sprang die Elbin auf die Füße und hatte bald darauf auch ihren Gürtel samt dem Dolch um die Taille geschnallt.

Schon kroch sie durch den Zelteingang, um sich daraufhin inmitten eines einzigen, zerstörerischen Chaos zu finden. Flammen züngelten zwischen Zelten und Baumstämmen empor, leckten an Holz und ließen Farne verschrumpeln. Dichter Qualm hing unter dem Blätterdach des Mischwaldes, zog beißend in Filyinas Nase, sodass sie sich schützend den Arm davor hielt.

Um sie herum war ein Tumult ausgebrochen. Elben stürmten aus ihren Zelten, wendeten Magie an, um Wurzelgeflecht aus der Erde zu reißen, Feuerbälle und Sturmböen entstehen zu lassen, wurden jedoch sogleich von weiteren riesenhaften Gestalten niedergerissen, die in ihr Lager eingefallen waren.

Sofort war Filyina klar, dass es sich bei ihren Angreifern um die Waigōn handeln musste. Niemand sonst wäre wohl dazu fähig ihr Volk derart zu überrumpeln und ihnen wirklich gefährlich zu werden.

Filyina erschauderte, war für einen Moment erstarrt, bis ein Aufschrei unmittelbar in ihrer Nähe sie in die Realität zurückholte. Sie musste handeln und ihren Stammesmitgliedern, ihrer Familie, helfen.

Ohne zu zögern riss sie einen Pfeil aus dem Köcher auf ihrem Rücken, legte ihn in die Sehne und streckte mit präzisem Schuss in den Hals einen Waigōn nieder, der ein junges Elbenmädchen unter sich begraben hatte. Mit wenigen Sätzen war sie bei den beiden, schob behände den erschlafften Haufen an Muskeln und Sehnen beiseite und half der Elbin sich aufzurichten.

Im nächsten Moment schweifte Filyinas Blick suchend durch das rauchverhangene Unterholz, in der Hoffnung Milaileé zu erblicken. Ihr Spähen blieb vergeblich und so übernahm sie die Initiative.

»Komm!«, wandte sie sich an das Elbenmädchen.

Dem Wind entgegen, der Glut und Funken in andere Richtung mit sich trug, hetzten sie zwischen Bäumen und Zelten hindurch, die inzwischen lichterloh brannten und die mondbeschienene Dunkelheit der Nacht weiter erhellten. Das Knistern und Knacken drang überdeutlich an Filyinas empfindliche Ohren, Augen und Lunge brannten vor Rauch und sie musste blinzeln, um ein klares Sichtfeld beizubehalten.

Hier und da brachen Lederplanen und Knochenstränge krachend zusammen, einen verkohlten wie dampfenden und unförmigen Haufen zurücklassend. Der nächste Pfeil fand seinen Weg aus ihrem Köcher an die Bogensehne und in die Nacht hinaus. Weitere folgten. Die Elbin wusste, dass sie ihre Ziele getroffen hatte, ohne sich dessen vergewissern zu müssen.

Andere Elben - wie auch fliehendes Getier - schlossen sich ihnen an, wichen geschickt feindlichen Geschossen aus, sprangen über Baumstümpfe und Wurzeln, der ein oder andere erklomm einen der Stämme. Auch Filyina war diese Idee bereits gekommen, doch als die ersten Kletternden von Netzen umgriffen aus den Wipfeln stürzten verwarf sie den Gedanken schnell wieder. Es gelang ihr einigen zu helfen, sich aus den Sakena-Plättchen zu entwinden, andere jedoch wurden bereits von Waigōn gepackt und fortgeschleppt.

Alsbald hatten sie einen der Hänge erreicht, ebenfalls von Mischwald und Gestrüpp überzogen, welche die Senke säumten, in der sich das Lager der Elben befand.

»Dort hinauf!«, wies Filyina ihr Gefolge an, derweil sie ihren Dolch aus der Hülle zog, um einen Waigōn, der ihr zu nahe gekommen war, mit der eleganten Klinge niederzustechen.

Flügelschlag eines SchmetterlingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt