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Flucht vor den Waigōn

Leichter Schneeregen fiel, benetzte Solveig Schultern und Haare, sodass sie die weite Kapuze ihrer Tunika über den Kopf zog, als sie Frowins Hütte verließ und sich auf den Weg zum Träumenden Weber begab. Der eisige Wind trieb ihr Tränen in die Augen, gegen die sie anzublinzeln versuchte.

Das Gasthaus befand sich etwas abseits oberhalb der übrigen Hütten des Dorfes in einer flachen Senke zwischen Hügelkuppen, und war umgeben von knorrigen Bäumen, deren Äste und Zweige schon beinahe gänzlich ihrer farbenfrohen Blättertracht beraubt waren. Es war wohl das einzige Gebäude in ganz Grüntal, welches über kleine Fenster verfügte, durch die der orangegelbe Schein von Öllampen auf den gefrorenen Boden des Hofes fiel.

Auf der linken Seite stand etwas versetzt zum Haupthaus der länglichere und dafür niedriger gebaute Stall. Hier wurden die Pferde und Esel der Gäste untergebracht, weshalb selbst aus der Entfernung das Rascheln von Stroh und Heu sowie Hufescharben zu vernehmen war.

Langsam näherte Solveig sich dem Gemäuer, mit leisen Schritten und darauf bedacht kein Aufsehen zu erregen. Sie wurde noch behutsamer und bemüht sich im Schatten der Gebäude zu halten, da die Tür zum Träumenden Weber mit einem Mal aufgerissen wurde.

Für einen Augenblick drangen Musik und Gegröle an ihre Ohren, während zwei Männer, sich aneinander festklammernd, auf den Hof getorkelt kamen, wo sie sich nebeneinander an den Brunnen stellten, der in dessen Mitte schemenhaft in die nächtliche Dunkelheit aufragte. Kurze Zeit später plätscherte es verdächtig und die beiden brachen in johlendes Gelächter aus.

Trotz der Unruhe, die ihren Körper beben ließ, rümpfte Solveig die Nase angesichts dieses widerlichen Verhaltens. Mochte sein, dass diese Stümper schon zu betrunken waren, um zu erkennen, welch Unsinn sie hier trieben, doch war das keine Entschuldigung dafür, dass viele Menschen, die im Gasthaus Quartier bezogen, verschmutztes Wasser würden trinken müssen.

Solveig seufzte, derweil die beiden Männer in das Gasthaus zurückkehrten. Das war nicht weiter relevant für sie. Sie war aus einem Grund hergekommen und wenn ihr Vorhaben gelingen sollte, dann hieß es nicht nur Vorsicht walten zu lassen, sondern ebenso sich zu beeilen.

Nur ein paar Stunden blieben ihr wohl bis zum Morgengrauen und Solveig gedachte, Filyina bis dahin nicht nur hier weggebracht zu haben. Ihr Ziel war es - unvermeidlich, bedachte man, dass die Waigōn die Verfolgung aufnehmen würden, sobald auffiel, dass ihnen ihre Beute abhandengekommen war - alsbald so weit wie nur möglich aus Grüntal zu verschwinden.

Weiter an der Wand entlangschleichend, hielt Solveig die Augen offen, ließ ihren Blick trotz der Hast und dem nervös pochenden Herzen, aufmerksam umherschweifen, auf der Suche nach dem Käfigkarren, in dem Filyina sich befand. Der Schneeregen verstärkte sich, vernebelte schon bald zunehmend ihre Sicht, sowie hin und wieder kräftige Böen an ihrer Kleidung zerrten.

Nachdem sie sowohl den Stall als auch das Gasthaus einmal umrundet hatte, darauf achtend, sich sorgfältig unter den Fenstern weg zu ducken, und der Käfigkarren samt der Elbin weiterhin nicht aufzufinden war, fasste Solveig den Entschluss, sich in den Stall hinein zu wagen und ihre Suche dort fortzusetzen.

Das Holz knarrte, als sie einen der schräg gelegenen Türflügel aufzog. Vor Schreck setzte ihr Herz einen Schlag aus und sie schaute sich hektisch nach allen Seiten um, in der Hoffnung, dass niemand bemerkte, wie sie sich klammheimlich Zutritt verschaffte. Dann schlüpfte sie erleichtert durch den entstandenen Spalt in die tiefe Finsternis des Gebäudeinneren.

 Dann schlüpfte sie erleichtert durch den entstandenen Spalt in die tiefe Finsternis des Gebäudeinneren

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Flügelschlag eines SchmetterlingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt