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Ein jeder hat die freie Wahl

In Gesellschaft Dialyas saß Filyina am Feuer und schaute den Flammen bei ihrem gewundenen Tanz zu, das Gesicht getaucht in deren warmen, orangegelben Schein.

Valbharion war ausgeschwärmt, um den Reiter abzufangen, der ihnen vermutlich folgte. Er war der erste gewesen, der den Verfolger mit seinen scharfen Augen ersichtet hatte, kurz danach waren auch Filyina und Dialya auf die dumpfen Hufschläge aufmerksam geworden, die den Boden unter ihren Füßen leicht vibrieren ließen und für die Elben schon von der Entfernung zu spüren waren.

Um einen einzelnen Reiter handelte es sich wohl, dennoch war äußerste Vorsicht geboten. Sollte es sich um einen Waigōn handeln, so war zu erwarten, dass von ihm höchste Gefahr ausging - nicht zuletzt da ungewiss war, ob weitere folgen würden. Nicht viel hatten die Elben den Waigōn entgegenzusetzen gewusst, als diese ihr Lager angriffen. Damals waren ihre Jäger ihnen in Anzahl überlegen gewesen, doch Filyina wollte es nicht darauf ankommen lassen und sich sowie ihre Freunde gefährden.

»Mach dir nicht so viele Gedanken«, meinte Dialya besänftigend, derweil sie sich einer Konstruktion aus stabilen Stöcken widmete, mithilfe derer sie das Fleisch der kleinen Gämse braten würden, die Filyina erlegt hatte. Der schlaffe Körper wartete nun nahe des Feuers auf seine Verarbeitung. »Valbharion wird die Lage schon im Griff haben und uns alsbald wissen lassen, ob es sich bei unserem einsamen Verfolger um einen Waigōn handelt.«

In dem Moment, da diese Worte ihre Lippen verlassen hatten, tauchte der Elb hinter ihnen zwischen den Stämmen des kleinen Wäldchens auf. Er war nicht allein. Filyina und Dialya drehten sich zu den Neuankömmlingen, um herauszufinden, wen Valbharion bei sich hatte.

Fassungslos starrte Filyina die junge Frau an, der ihr Freund die Klinge seines Dolchs an die Kehle hielt. Die kastanienbraune Lockenmähne, das sommersprossige Gesicht mit den weichen von Angst verzerrten Zügen und die warmen, braunen Augen, die sie so sehr liebte waren für ihre scharfen Elbenaugen selbst im dunkler werdenden Dämmerlicht unverkennbar.

Unwillkürlich ballte Filyina die Hände zu Fäusten, darum bemüht ihre Miene unter Kontrolle zu halten, was ihr nicht so recht gelingen wollte. Zähneknirschend musste sie sich eingestehen, dass, jene Frau, die ihr so viel bedeutete, bedroht zu sehen - noch dazu von einem der ihren - eine nie gekannte Wut in ihr weckte. Selbst den Waigōn gegenüber, die ihr alles genommen hatten, hatte sie einen solch brodelnden Zorn noch nicht erlebt.

»Bist du des Wahnsinns, Valbharion?«, zischte sie, die Stimme leise aber bebend. »Von diesem Menschen geht keine Gefahr aus, also lass ab von ihr!«

»Filyina!«, sagte Dialya in ruhigem Tonfall, jedoch gleichsam mahnend. »Halte deine Gefühle im Griff. Valbharion konnte doch nicht wissen, dass sie dir, so wie es scheint, etwas bedeutet. Er wird den Dolch jetzt runternehmen und sie loslassen«, fügte sie mit Seitenblick auf ihn hinzu. »Nicht wahr?«

Ohne das Gesicht zu verziehen, neigte Valbharion den Kopf etwas zur Seite, ließ jedoch augenblicklich von Solveig ab, sodass Filyina, nun da die Klinge ihres Freundes nicht mehr unvermittelt an der Kehle der jungen Frau lag, sich ein wenig entspannte. Sofort war sie bei ihrer Freundin, der die Beine wackelten, und schlang einen Arm unter ihre Achseln hindurch, um sie zu stützen.

»Sie hat hier herumgeschnüffelt!«, meinte der Elb schließlich. »Ich war der Annahme es sei sicherer sie vorerst in Gewahrsam zu nehmen und nichts dem Zufall zu überlassen.« Er sah Filyina durchdringend an, die hellgrünen Augen funkelten rotorange im Schein des Feuers. »Du kennst sie also?«

Ohne zu zögern nickte Filyina als Antwort auf die Frage ihres Freundes. »Das tue ich.«

Solveigs Gewicht auf ihren Schultern machte Filyina nichts aus, indes sie die junge Frau zum Feuer geleitete und sie so auf den Teppich an Flechten und Moos zwischen den Wurzeln einer majestätisch in die Höhe ragenden Eiche sinken ließ, dass sie sich mit dem Rücken an deren Stamm lehnen konnte.

Flügelschlag eines SchmetterlingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt