9. Der Brief

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Warte mal, neu? Redet er von sich selbst? Dass er meine ‚alte' Liebschaft ist? Er riss mir den Brief aus der Hand. Anscheinend deutete er das kurze Schweigen als ja. „Gib mir den Brief wieder! Bitte. Samuel ist der Verlobte meiner Tante." „Und du hattest was mit dem?" Seine Augen wurden groß. „Denkst du eigentlich auch an was anderes?" „Eigentlich nicht, nein. Vielleicht noch Essen." Er setzte erneut sein schiefes lächeln ein. „Samuel war immer für mich da. Er war der einzige, der mich genauso mochte, wie ich war." Sein Lächeln verschwand. „Oh, dass wusste ich nicht... Hier." Er gab mir den Brief wieder zurück. „Und wieso öffnest du ihn nicht?" „Ich habe Angst was drin steht..." Eine Träne fand den Weg aus meinen Augen. Aber nicht, weil ich traurig war, sondern weil ein Wind ging. „Oh Gott, ich wollte nicht, dass du weinst. Nicht schon wieder. Ich will dich nicht ständig zum Weinen bringen, sondern zum Lachen." Er schloss mich in die Arme. Eigentlich wollte ich protestieren aber er roch so gut. Seine Nähe fühlte sich so angenehm an. Ich wollte ihn einfach nicht loslassen. „Ich mag es nicht, wenn Leute traurig sind." „Ich weiß, hab es am eigenen Leib erfahren." „Ja sorry... Missverständnis" „Alles Schnee von gestern." „Ja, alles... Ehm, morgen fahren wir ins Disneyland Resort." „WIRKLICH??" „Ja, war meine Idee.", grinste er stolz. „Das hast du gut gemacht." Er löste sich von mir und wischte die eine Träne weg. „Bis morgen, ja? Schlaf gut, Prinzesschen"

Im Van schossen Taddl und ich wieder sinnlos von allem ein Foto. Es machte unheimlich Spaß. Im Disneyland war dieses Fotografieren ein bisschen nervig, dennoch machte es Spaß damit Ardy und Marley zu ärgern. Ich machte Fotos mit fast allen Figuren und vor jedem Schloss und es machte unheimlich Spaß. Taddl ist für sowas der richtige. Er mutierte langsam aber sicher zu meinem besten Freund. Nachdem Taddl mich von Baymax wegzerren musste und ich meine Souvenirs eingesammelt hatte verließen wir Disneyland. Ich war sichtlich traurig. Wie ein kleines Kind nahm Taddl mich hoch und trug mich zum Ausgang, wo mich der Wärter nur doof angelächelt hat.

Wir beschlossen, dass heute jeder das machen konnte, wozu er Lust hatte. Ich bestellte mir was vom Zimmerservice und schaute die ganzen Fotos durch, die wir während dem Trip bis jetzt gemacht hatten. Man glaubt es nicht, es waren genau 1.814 Fotos. Nervenzerreißende 120 Minuten dauerte es, bis ich alle durch hatte. 12 druckte ich sofort aus. Eins würde mein Lieblingsbild werden. Darauf waren Ardy und ich zu sehen und er lächelte sogar echt süß. Auf einem anderen gaben ich und Taddl Ardy einen Kuss auf seine Wangen und Ardy's Blick ist darauf einfach unbezahlbar. Auf den anderen bin meistens ich mit Baymax oder mit Taddl oder er alleine drauf.

Ich entschied mich zum Strand zu gehen. Es war 20.34 Uhr und ziemlich dunkel. Ich zog meine Schuhe aus und lief Barfuß über den Sand. Ich ging am Meer entlang spazieren und sah nur wenige Leute. Ich setzte mich in den Sand und spielte ein wenig damit. Bis ich mich entschloss den Brief aufzumachen. Ich nahm ihn aus meiner Tasche und fuhr die Kanten mit einem Finger ab. Ich hatte große Bedenken.

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Hallo meine Kleine,

Ich habe keine Ahnung, ob du den Brief überhaupt lesen wirst oder wann du ihn lesen wirst. Ich hoffe, du verstehst dich mit deinem Bruder sehr gut. Ich kenne ihn leider nicht persönlich, aber er ist dein Bruder, er muss nett sein. Laureen und ich vermissen dich. Ich weiß, wieso du weg wolltest und ich kann dich verstehen. Ich muss ehrlich sagen, ich hätte es nicht anders gemacht. Ich habe einen Grund diesen Brief zu schreiben, genauer gesagt 5 Gründe.

Grund 1: Ich will mich für das, was Laureen dir angetan hat, entschuldigen. Sie wollte, dass du genauso wirst wie sie. Sie wollte aus dir ein begehrenswertes Magermodel machen, aber das bist du zum Glück nicht. Zum Glück konntest du dich genug durchsetzen, damit sie dich nicht komplett unter Ihre Kontrolle brachte. Vielleicht hatte es auch gute Seiten. Ich weiß es nicht.

Z.B. das du Klavier spielen, italienisch und tanzen gelernt hast.

Grund 2: Es ist zu früh, ich weiß, aber es muss sein. Das Testament deines Vaters habe ich Simon geschickt. Lies es, es ist sehr wichtig für dich.

Grund 3: Ich will, dass du deine Mutter triffst. Elfriede Wiefels. Ich glaube, die Zeit ist gekommen. Rede mit Simon, er wird noch Kontakt zu ihr haben, hoffe ich. Es wird dir gut tun, vor allem, da dein Vater verstorben ist.

Grund 4: Ich will, dass du weißt, dass du jeder Zeit zu Laureen und mir kommen kannst. Komm mal mit Simon nach Thüringen! Wir würden uns sehr freuen.

Grund 5: Bitte vergiss niemals, wer du bist. Du bist du und anders sollst du nicht sein. Du wirst Jemanden finden, der dich liebt so wie du bist. Das wird nicht schwer, glaub mir. Erst dachte ich auch jahrelang, dass ich niemanden finden werde. Dann kam Laureen.

Ich hoffe, dass du den Brief liest, wenn nicht wäre das sehr schade. Hoffentlich sehen wir uns bald wieder. Wir lieben dich.

Alles Liebe,

Samuel und Laureen

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Ich dachte viel zu viel nach. Über das geschriebene von Samuel. Eine Träne kullerte über meine Wange und ich lege den Brief wieder zusammen. Ich strich wahllos im Sand Buchstaben. Bevor ich aufstand und zum Hotel zurück ging schrieb ich „I will."

Simon war noch nicht um Zimmer, also lehnte ich mich wieder auf das Geländer und beobachtete Menschen. Den Obdachlosen mit seinem Hund. Eine Frau, die wahrscheinlich auf den Strich ging, so wie die angezogen war. Einen Mann mit Anzug, der in schnellem Schritte die Straße hinunterlief. Ich entdeckte ein Schild, was mir zuvor nicht aufgefallen war. Auf dem Schild, das hinter Palmen verborgen war, stand mit Graffiti: Make love, not war; Don't worry, be happy; life's too short for sadness.
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Kritik erwünscht :)
-Lisa

Just this time | ArdyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt