Vorsichtig öffnete der Weißhaarige die schwere Tür des Gebäudes. Frische Luft wehte ihm um die Nase und nach wie vor schien die Sonne. Eigentlich sollte es ein wirklich guter Tag sein, wäre da nicht die Kälte, die ihn von Hinten entgegen kam.
Mit einer mehr als unglücklichen Miene kam Reo ebenfalls aus dem Gebäude und gesellte sich zu Nagi, der ihm die Tür aufhielt.
Leicht nervös versuchte Nagi sich Worte zurecht zu legen, die begründen konnten, weswegen er getan hatte, was er tat. Aber wenn er ehrlich war, gab es einfach keine wirklich gute Begründung. Und selbst wenn er ihm sagen würde, dass sie niemals gemeinsam hätten gewinnen können, würde Reo ihm einfach nur sagen, dass sie es nur für die Erfahrung hätten machen sollen.
Und vielleicht hätte er damit auch Recht gehabt, aber verdammt. Er wollte nicht noch mehr trainieren und sich noch mehr verausgaben, wenn er den Sinn dahinter für sich nicht verstehen konnte. Denn so sehr er es auch genoss, dass er seinem Freund damit einen Gefallen tun konnte, so sehr zweifelte er, dass es für ihn selbst das Richtige war. Herrgott, Nagi konnte ja nicht einmal sagen, ob ihm Fußball wirklich Spaß machte. Wie sollte er denn da sagen, ob er sein Leben lang weiter spielen wollte, geschweigedenn morgen.
Er konnte doch nicht sein Leben lang so weiter machen, nur weil Reo es wollte.
Aber wieso fühlte es sich auf der anderen Seite so unfassbar schlecht an? Seine Augen schauten erneut zu seinem Freund, der die Hände in die Hosentaschen gesteckt hatte und mit gesenkten Kopf neben ihm her ging.
So niedergeschlagen hatte er wirklich noch nie ausgesehen.
"Reo...?", tastete Nagi sich vorsichtig vor und merkte, wie ihm dabei das Herz in die Hose zu rutschen schien.
Langsam hob dieser seinen Kopf und sah dem Weißhaarigen genau in die Augen: "Was?".
Die Kälte in diesen Worten war förmlich greifbar. Spätestens jetzt wusste Nagi genau, dass er es wirklich verbockt hatte. Zwar hatte Reo ihm zugesichert, dass er ein Mitspracherecht hatte, aber in Wirklichkeit hatte dieser einfach all seine Hoffnungen in ihn gesetzt. Er hatte Nagi vertraut und das wurde diesem erst jetzt wirklich klar.
Nagi hatte ihm versprochen, ihn bei seinem Traum zu unterstützen. Doch anstatt er das tat, hatte er Reo einfach nur bitter enttäuscht.
Mit einem Mal überkamen den Schüler Emotionen, die er zuvor so noch nie gespürt hatte. Sein Herz zog sich immer weiter zusammen, während er die Leere in den Augen seines Freundes anschaute. Es tat einfach so unfassbar weh, obwohl er nur für seine eigenen Bedürfnisse hatte einstehen wollen.
"Es tut mir Leid", tat es ihm wirklich. Aber wenn er doch nur da schon gewusst hätte, dass dies nicht die einzige, falsche Entscheidung in seinem Leben bleiben würde.
Zögernd streckte der Weißhaarige seine Hand nach Reo aus. Am Liebsten würde er ihn jetzt einfach in den Arm nehmen und an sich ziehen. Vielleicht würde solch eine Umarmung ja alles wieder gut machen. In Filmen und Serien schien das zumindest immer zu helfen.
Allerdings kam Nagi gar nicht so weit, da schlug Reo seine Hand zur Seite. Dieser fletschte die Zähne, ehe er förmlich die nächsten Worte ausspuckte: "Fass mich nicht an Nagi. Ich hab da gerade echt keinen Nerv für".
"Aber ich habe doch schon gesagt, dass es mir Leid tut", es war mehr ein Flüstern.
"Und du meinst damit sind alle Probleme gelöst Nagi? Glaubst du wirklich, dass das Leben manchmal so einfach ist? Ach wach doch auf. Nicht alles lässt sich mit einer Entschuldigung gerade rücken".
Die Worte verfehlten seine Wirkung nicht. Das schlechte Gewissen des Jungen wurde immer größer.
Etwas eingeschüchtert sah er wieder zu Reo, wo er doch zuvor seinen Blick abwenden musste: "Was kann ich tun, damit du nicht mehr so sauer bist?".
"Gib mir Zeit. Ich brauche einfach Zeit", sagte dieser und ehe Nagi noch etwas darauf antworten konnte, stürmte Reo voraus und verschwand hinter der nächsten Kreuzung.
Zurück blieb ein völlig durcheinander geratener Nagi, der einfach nicht wusste wo oben und wo unten war. Er hatte seinen Freund schon in verschiedenen Lebenslagen angetroffen, jedoch war dieser nie zuvor so wütend und verletzt gewesen. Wenn Nagi so darüber nachdachte, dann war Reo sogar ehrlich gesagt immer eher fröhlich gewesen. Dies war also eine ganz neue Erfahrung und irgendwie eine, auf die er am Liebsten verzichtet hätte. Hätte ihm nämlich jemand zuvor erzählt wie weh es tun konnte einen Freund zu verletzen, dann hätte dieser sich das Ganze nochmal überlegt. Wenn Nagi wirklich zuvor schon verstanden hätte, wie sehr Reo an dieser Chance zu hängen schien, dann hätte er natürlich Ja gesagt. Wenn Nagi vorher schon gewusst hätte, wie schwer es war einen Freund so sehen zu müssen, dann wäre alles anders gewesen...Verdammt, was hatte er sich nur dabei gedacht? Seit wann fing Reo so schnell an aus der Haut zu fahren? Noch nie in seinem Leben hatte er so schnell die Fassung verloren und einen Freund verbal so angefahren.
Natürlich ging es noch schlimmer, da war er sich sicher. Aber allein schon wie Nagie ihn angesehen hatte, während er seine Entschuldigung klein gemacht hatte, war Grund genug sauer auf sich selbst zu sein. Nagi war immerhin sein Freund und wirklich nichts gab ihm das Recht so zu ihm zu sein.
Am Liebsten wäre Reo jetzt schon umgedreht und hätte sich bei Nagi für sein Verhalten entschuldigt. Auf der anderen Seite konnte er aber auch immer noch nicht glauben, was in der letzten, halben Stunde passiert war. Ihm wurde erneut bewusst was für eine riesen Chance er hatte verstreichen lassen.
Tränen brannten ihm in den Augen, während der Schüler mit den Händen in den Hosentaschen die Straßen entlang ging. Ein wirkliches Ziel hatte er scheinbar nicht. Generell kam ihm die Gegend nicht mal bekannt vor. Es war eh selten das Reo mal zu Fuß unterwegs war.
Normalerweise war er mit seinem eigenen Chauffeur unterwegs und ließ sich von A nach B fahren. Schon immer war sein Leben eher bequem gewesen. Reo würde lügen, wenn er sagen würde, dass ihm das nicht gefiel. Dabei fiel ihm auch hier auf, wie verwöhnt er manchmal einfach war. Vielleicht hatte er also genau diesen Dämpfer gebraucht, um zu verstehen, dass er eben nicht alles im Leben haben konnte. Auch wenn er natürlich der Auffassung war, dass er alles im Leben verdient hatte.
Schließlich hatte er nur noch eine weitere Stunde gebraucht, um zu Hause anzukommen. Nachdem er sich zwei Mal verlaufen hatte und sich sehr viele Gedanken auf dem Heimweg gemacht hatte, war er dann auch daheim gewesen. Seine Eltern hatten ihn natürlich Löcher in den Bauch gefragt und sich sehr für dessen Teilnahme am Blue Lock Projekt interessiert. Doch als Reo nur gesagt hatte, er würde nicht daran teilnehmen, waren seine Eltern sofort verstummt. Vielleicht hatten sie in dem Moment damit gerechnet, dass er nicht gut genug gewesen war, so wie sie es die ganze Zeit gedacht hatten. Aber das war Reo auch herzlich egal gewesen. Ihm hatte die Kraft gefehlt das Ganze ins richtige Licht zu rücken und hatte es daher einfach so stehen lassen.
Danach hatte er sich einfach schnell verabschiedet und war in sein Zimmer gegangen. Nun lag er auf seinem Bett, nachdem er sich umgezogen hatte und seine Schuluniform gegen Jogginghose und Shirt getauscht hatte. Sein Blick ging an die Decke und seine Gedanken waren nach wie vor bei Nagi.
Wieso musste er auch immer so unfassbar stur sein?
Erneut brannten ihm Tränen hinter den Augen, die sich am liebsten ihren Weg ins Freie kämpfen würden.
Bloß nicht heulen, dachte Reo sich und zog dabei sein Handy hervor. Irgendwie hatte er gehofft dort eine Nachricht seines Freundes zu erblicken. Leider war keine neue Nachricht da. Typisch Nagi...
Sauer schmiss der Lilahaarige sein Handy ans Ende seines Bettes. Danach drückte er sein Gesicht in sein Kissen und boxte mit den Händen auf seine Matratze. Wieso war Nagi nur so stur? Verstand er denn gar nicht was sie da verpassten? Hoffentlich würde er irgendwann verstehen, was es ihn an Kraft gekostet hatte seinetwegen mit abzusagen.
Schon jetzt hatte Reo nämlich das Gefühl es zu bereuen. Würde er die Chance nochmal bekommen, so war er sich jetzt sicher, dass er sie ergreifen würde. Auch ohne Nagi. Denn so hart es in diesem Augenblick war, Reo wollte einfach die Möglichkeit bekommen sein Talent unter Beweis zu stellen und über sich hinaus zu wachsen. Irgendwann wollte er mal einer der besten Stürmer werden, wenn nicht sogar der Beste. Ob mit oder ohne Nagi lag dabei ganz bei ihm.
Langsam setzte der Teenager sich wieder auf und schloss dabei sein Kissen in seine Arme. Er drückte es an sich und suchte darin den Trost, den er gerade brauchte. Dabei beschloss Reo für sich, dass er die nächste Chance, die sich ihm bot, annehmen würde. Egal was Nagi sagen würde, er würde ebenfalls egoistisch handeln und einfach das Beste daraus machen. Und dann würde Nagi sehen, wie es sich anfühlte im Stich gelassen zu werden.
Oder aber er würde endlich verstehen wie wichtig es war im Leben die Chancen zu ergreifen, die sich einem boten.
DU LIEST GERADE
Sorry ... [Reo x Nagi]
FanfictionWas wäre passiert, hätte Nagi sich gegen das Blue Lock Projekt und somit auch gegen seinen besten Freund Reo entschieden? Das konnte so genau niemand wissen. Erst, als Nagi wirklich diesen Schritt gegangen ist, merkte er, was er seinem Freund und so...