Kapitel 9

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Eine gewisse Anspannung machte sich in dem Weißhaarigen breit, während er mit seinen hellen Augen in die seines Freundes blickte. Es war ungewohnt ihn so über sich zu sehen, wie er ihn ansah und Nagi dabei das Gefühl hatte, er würde ihm so auf einer anderen Ebene näher sein. Aber es war schön, es war gut und keinesfalls zu viel. Nur wie konnte man einem guten Freund sagen, dass man es irgendwie schön fand, wenn man ihm näher war? Solche Gefühle kannte Nagi einfach nicht, erst Recht nicht, weil er schon länger alleine lebte und nie der Mensch war, der großen Kontakt zu anderen pflegte.
Doch nun gab es Reo...
Es gab ihn in seinem Leben und irgendwie machte er einfach alles besser. Ohne das er wirklich eine Ahnung hatte, was er Nagi alles bedeutete, machte er sein Leben einfach schöner. So schön, dass Nagi anfing einfach zu handeln. Früher hätte er abgewogen, ob sich gewisse Dinge lohnten. Würde er auch etwas daraus ziehen können? Oder war es schlichtweg einfach zu anstrengend, als das es klar gehen würde. Viele Fragen, die am Ende eh alle negativ beantwortet wurden, sodass der Weißhaarige sich nie hatte aufrappeln können irgendwas davon in die Tat umzusetzen.
Und nun lag er hier auf dem Rasen, kaum bedeckt und schaute in das Gesicht eines anderen Jungen und fühlte dabei ... Glück.
Erst als Reo von ihm runter sprang, merkte Nagi, dass er sich die letzte Minute kaum bewegt hatte. Sogar den Atem hatte er angehalten, was ihn jedoch nicht sonderlich gestört hatte.
"Ist alles okay Reo?", zögerlich setzte er sich langsam auf.
Bei genauerem Betrachten bekam Nagi das Gefühl, er hätte etwas falsch gemacht. Auch wenn er nicht genau sagen konnte was es war. Vielleicht die angespannte Haltung seitens des Lilahaarigen. Oder die Tatsache, dass er ihn nicht ansehen konnte. War es ihm etwa aufgefallen, dass Nagi es genossen hatte ihm so nah zu sein? Vielleicht war er damit einfach einen Schritt zu weit gegangen. Verübeln konnte er es ihm definitiv nicht.
Vorsichtig streckte Nagi eine Hand aus und legte diese sachte auf die Schulter des Anderen: "Wenn ich irgendwas falsch gemacht habe, tut es mir wirklich Leid. Ich wollte dir nicht zu nah treten".
Überrascht drehte Reo sich zu ihm um, die Hand über seinem Mund und sah ihn dabei verwirrt an. Es dauerte einige Sekunden, ehe er anfing zu reden. Dabei hörte seine Stimme sich auf einmal so belegt und brüchig an: "Du hast nichts falsch gemacht. Ich war einfach nur sehr unvorsichtig. Das ist alles. Sorry, wenn das falsch rüber kam".
Ein knappes Nicken überkam den Weißhaarigen, danach stand er lässig auf und hielt seinem Freund seine Hand hin. War es vielleicht zu viel, wenn er ihn nun fragen würde, ob sie einfach weiter spielen würden?
Ein kurzes Zögern kam von Reo, ehe er die Hand seines Freundes entgegen nahm. Kurz dachte Nagi, dass das nun der Beweis für sein Scheitern war. Doch als er nun so neben ihm stand und sich verlegen den Nacken rieb, sah er es als gutes Zeichen. War das überhaupt gut?
Verdammt, wenn ich jetzt wieder irgendeine Scheiße gebaut habe, kann ich das doch nie wieder gerade biegen? Ich weiß ja nicht mal was genau passiert ist. Scheiße, wieso sind Freundschaften auch so kompliziert?
"Wollen wir vielleicht einfach weiter spielen?", versuchte Nagi die Stille zu füllen. Scheiß auch drauf, schlimmer konnte er es ja eh nicht mehr machen.
Kurz sah Reo wieder in seine Richtung, danach glitt sein Blick sofort wieder weg: "Wenn es in Ordnung ist, würde ich gerne nach Hause fahren. Ich glaube das war gerade alles... zu viel".
Langsam hob er seine Klamotten auf und zog diese der Reihe nach wieder an. Währenddessen stand Nagi wie der größte Depp daneben und starrte Reo an. Wie seine Muskeln sich dabei bewegten und alles sich unter seinen Sachen abzeichnete. War es normal, wenn man seinen Freund dabei so intensiv zusah? Wahrscheinlich taten das insgeheim alle in der Mannschaft, nur redete niemand darüber.
"Habe ich irgendwas falsch gemacht?".
Reo hielt inne: "Was solltest du falsch gemacht haben?".
Zögernd ging Nagi einen Schritt auf ihn zu: "Ich weiß es nicht, deswegen frage ich dich ja, ob ich etwas falsch gemacht habe".
Der Lilahaarige schloss in diesem Moment die letzten Knöpfe seiner Schuljacke. Danach hob er den Ball auf und sah mit einem kühlen Blick in Nagis Richtung: "Ich glaube es war heute einfach etwas zu viel. Zuerst warst du nicht da, danach hatten wir dieses aufwühlende Gespräch und gerade eben ... ja. Ich möchte einfach nur nach Hause und alles etwas sacken lassen. Tut mir Leid".
Am Liebsten würde der Weißhaarige sich ihm nun einfach in den Weg stellen. Einfach die Arme ausstrecken und ihn an sich ziehen, ihm sagen das es ihm Leid tat, egal was er nun getan hatte. Denn gerade fühlte es sich wieder an, als würde er Reo verlieren, obwohl er nicht mal wusste wieso. Tat das eigentlich immer so verdammt weh? Wenn ja, wieso schloss man überhaupt Freundschaften?
Hastig zog Nagi sich daher an und lief Reo hinterher, als dieser die Hälfte der Rasenfläche überquert hatte. Abrupt blieb er vor seinem Freund stehen und sah dann ernst zu ihm hinab: "Ich lasse dich nicht so gehen. Nicht, bevor du nicht mit mir geredet hast".
"Was soll ich dir denn jetzt bitte noch sagen?".
"Die Wahrheit".
Die Augen des Anderen wurden größer, als er Nagis Worte vernahm. Wieder hatte der Schüler dadurch das Gefühl er hätte eine Grenze überschritten. Aber manchmal musste das wohl einfach sein, damit man an sein Ziel kam. Er konnte doch nicht schon wieder klein bei geben und Reo ziehen lassen, obwohl ein ganzer Abgrund zwischen ihnen stand.
Dieser drehte nur sein Gesicht weg und antwortete mit einem bissigen Unterton: "Du hast doch gar keine Ahnung wie überfordert man sich nach all dem fühlt, was ich in der letzten Zeit passiert ist".
"Dann erkläre es mir. Ich verstehe es nicht. Vielleicht wollte ich es am Anfang auch nicht verstehen, doch jetzt stehe ich hier und bitte dich darum", kam es leise über Nagi seine Lippen: "Bitte stoß mich nicht einfach so von dir".
Minuten vergingen in denen niemand etwas sagte und in denen Nagi sein eigenes Herz so laut schlagen hören konnte. Es fraß ihn innerlich auf, nicht zu wissen was los ist und doch konnte er Reo nicht weiter drängen. Kam nun auch noch ein leichtes Zittern dazu? Langsam hatte er wirklich das Gefühl, er würde die Kontrolle über sich und seinen Körper komplett verlieren. War das alles wirklich so normal?
"Reo..?", es war ein leises Flüstern zwischen ihnen.
Seine Augen hatten sich auf den Boden zwischen ihnen fixiert, sein Körper bebte ebenso: "Tut mir Leid, aber ich kann gerade nicht. Ich habe dich letztens erst um etwas Zeit gebeten und ich glaube, dass ich sie gerade wirklich brauche. Bitte lass mich einfach gehen".
Mit diesen Worten setzte Reos Körper sich in Bewegung und umging Nagi ganz automatisch. Er konnte noch spüren wie sein Freund auf Abstand an ihm vorbei zog, fast als würde es ihn verletzten, sollte er ihn berühren. Scheiße, tat das weh.
Kurz drehte er sich um, um mit eigenen Augen sehen zu können, dass er ihn einfach so stehen ließ. Hätte er es doch nur nicht gemacht, denn ja... Reo ging einfach weiter und drehte sich nicht mal mehr um.
So musste es sich anfühlen, wenn einem das Herz gebrochen wurde. Anders konnte Nagi es sich nicht erklären. Diese Art von Schmerz hatte er zuvor noch nie empfunden, dabei hatte er sich doch geschworen nie einen Menschen so nah an sich heran zu lassen.

Die Augen fest zusammen gekniffen ging Reo schnellen Schrittes zurück zu den Parkplatz, auf dem sein Chauffeur in der Limousine auf ihn wartete.
Als er ankam, stieg dieser sofort aus und sah Reo mitfühlend an: "Kann ich Ihnen etwas Gutes tun junger Herr?".
"Nein danke, ich möchte einfach nur nach Hause", gab Reo mit dünner Stimme von sich und stieg in die offene Tür ein, die sein Chauffeur ihm anbot.
In der Limousine angekommen, kuschelte er sich in die Sitze und genoss den Trost und die Sicherheit, die dieses Auto ihm bot. Wieso war das gerade auch so ausgeatet?
Reo konnte nicht mit Sicherheit sagen, dass Nagi etwas mitbekommen hatte. Dabei war es so unfassbar peinlich wie er körperlich auf ihn reagiert hatte. Aber wahrscheinlich hätte er doch etwas gesagt, wenn er es gemerkt hätte, oder?
Ach fuck, das Risiko konnte er dennoch nicht eingehen. Nachher würde er noch denken, er würde auf ihn stehen und das konnte Reo sich nicht leisten. Er wollte nicht, dass andere dachten er würde auf Jungs stehen oder auf seinen besten Freund. Aber wäre es wirklich so schlimm? Wahrscheinlich nicht, wenn es Nagi ebenso gehen würde.
Kopfschüttelnd versuchte Reo seine Gedanken auf andere Routen zu schicken. Es konnte doch nicht sein, dass er sich nun den Kopf darüber zerbrach, ob er Nagi auf eine andere Weise gut fand. Sie waren Freunde und Ende. Immerhin fand er Frauen wunderschön und wirklich ansprechend. Sie hatten ihm schon immer den Kopf verdreht. Was anderes konnte er dazu zu diesem Zeitpunkt nicht sagen.
Einen Arm stützte er an der Tür auf, während er mit seiner Hand seinen Kopf stützte. Sein Blick ging dabei aus dem Fenster. All die Straßen zogen an ihm vorüber, während er seinem Elternhaus immer näher kam. Sollten seine Eltern ihn heute fragen wie sein Tag war, müsste er sich auf alle Fälle noch eine passende Ausrede zurecht legen. Er konnte schließlich nicht die Wahrheit sagen. Das er halbnackt mit seinem besten Freund Fußball gespielt hatte....
Ach Scheiße, wieso dachte er nur schon wieder daran?
"Wir wären da junger Herr", tönte es von vorne zu ihm.
"Vielen Dank", gab Reo von sich und schnappte sich seine Schultasche. Den Fußball sah er kurz an, ließ ihn dann aber doch einfach liegen. Dafür war er einfach zu überfordert, als das er ihn heute nochmal in die Hand nehmen konnte.
Ohne große Umschweife ging Reo in sein Zimmer, während er mit knappen Worten von seinem Tag berichtete. Wie immer hatte seine Mutter eigentlich alle Details erfahren wollen, doch hatte er sie mit kurzen Floskeln schnell abgespeist. Vielleicht würde er zum Abendessen in Ruhe mit ihr reden und dann einfach behaupten, er hätte Kopfschmerzen gehabt. Sie würde ihm glauben und damit wäre die Sache auch gegessen.
Jetzt allerdings musste Reo erstmal auf andere Gedanken kommen. In seinem Zimmer angekommen, schmiss er seine Schultasche in die nächste Ecke. Seine Schuluniform folgte daraufhin. Als er schließlich nackt war, nahm er sich ein Handtuch und ging in sein angrenzendes Badezimmer. Wie immer, würde ihm ein Bad helfen auf andere Gedanken zu kommen.
Kurzerhand entschied er sich für ein Schaumbad, welches er einlies und sich direkt rein setzte. Vielleicht war es etwas heiß, doch konnte der Schmerz auch eine willkommene Abwechslung sein. Egal was, aber jede Abwechslung war dem Lilahaarigen gerade willkommen. Wenn er sich nun also auf seine brennende Haut konzentrieren musste, dann nahm er das gerne in Kauf.
Und dennoch wanderten seine Gedanken immer wieder zu diesen hellen Augen, sobald er seine eigenen schloss. Angelehnt an den Badewannenrand und komplett entspannt konnte er immer noch nicht Nagi vergessen.
Wie er ihn angesehen hatte, wie tief seine Trauer steckte und wie sehr er zu leiden schien. Das alles, weil dieses Mal Reo der Arsch gewesen war. Verdammte Scheiße, wieso konnten sie nicht einen Tag ganz normal miteinander reden? Warum war es seit der Auswahl nur so unfassbar angespannt und anstrengend?
Mit einer Hand fuhr Reo sich durch seine Haare und versuchte sich weiter zu entspannen. Leider gelang es ihm nicht und mit jeder Sekunde wurde das Bedürfnis größer Nagi sofort anzurufen. Er wollte seine Stimme hören und wissen, dass es ihm gut ging. Auf der anderen Seite wusste Reo aber einfach nicht, was er ihm sagen sollte. Das konnte doch einfach nicht wahr sein.
Da ließ Nagi ihm schon den Freiraum, den er brauchte und dann war es ebenso wenig richtig. Seit wann war er nur so ein egoistisches Arschloch seinen Freunden gegenüber?
Ganz egal wie es dazu gekommen war, es musste aufhören. Sie konnten so einfach nicht weiter machen, andernfalls würden sie sich wirklich irgendwann nicht mehr unter die Augen treten können und so weit konnte Reo es einfach nicht kommen lassen.
Jetzt musste er erstmal runter kommen, damit diese seltsamen Gefühle Nagi gegenüber einfach weniger wurden. Aber dann, dann würde er das Gespräch auf alle Fälle suchen. Und dieses Mal musste er sich entschuldigen. So viel stand fest.
Bis dahin würde er aber wirklich entspannen müssen und runter kommen.
Langsam ließ der Mikage Spross sich daher im Wasser hinab gleiten, sodass er mit dem Kopf unter tauchen konnte. Die Stille um ihn herum wirkte wahre Wunder. Mit einem Mal war es so ruhig und für den Bruchteil einer Sekunde hatte Reo ebenso das Gefühl, dass auch sein Kopf endlich seinen Frieden finden würde.
Nagi war sein Freund und das sollte auch so bleiben, egal was war.

Sorry ... [Reo x Nagi]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt