Kapitel 16

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Für einen kurzen Moment konnte der Weißhaarige nicht schalten und somit verstehen was um ihn herum eigentlich passierte. Das alles war einfach viel zu schnell passiert.
Während er in der einen Sekunde noch den Mut gefunden hatte einen Schritt auf Reo zuzugehen, ihm sein Herz auszuschütten und zu flirten - verdammt und wie er geflirtet hatte - war im nächsten alles komplett anders.
Panisch hatte er seine Hände von dem Lilahaarigen genommen und widerwillig mit angesehen, wie dieser von ihm runter gegangen war. Eine Kälte hatte Nagi überzogen, als er merkte wie der angenehme Druck des Anderen auf seinem eigenen Körper fehlte. Schon jetzt fühlte es sich so verdammt falsch an Reo nicht in seiner direkten Nähe zu wissen. Ob es anderen Menschen, die verliebt waren, ebenso erging?
Reo hatte seine Hände gehoben und versuchte seiner Mutter mit Gestiken klar zu machen, dass alles in Ordnung sei. Zumindest sein flehneder Ausdruck, den er nun angenommen hatte, ließ vermuten, dass er sie milde Stimmen wollte.
Verzweifelt überlegte Nagi, ob es irgendwas gab, das er tun konnte. Vielleicht würde er ja mit Worten helfen können, auch wenn er absolut keine Ahnung hatte was er sagen sollte. Ja, er war definitiv nicht der Beste, wenn es um Kommunikation ging, aber irgendwas musste er doch tun können. Reo so zu sehen, brach ihm einfach das Herz.
"Mom? Dad? Ich weiß, was ihr gesehen habt und ich möchte nicht damit anfangen abzustreiten, was passiert ist. Mit dem Satz 'Es ist nicht das, wonach es aussieht', werde ich wahrscheinlich nicht wirklich weit kommen", pure Verzweiflung schien aus dem Jungen vor Nagi zu sprechen.
"Allerdings junger Mann. Ich habe genau gesehen, was hier vor sich ging und ich kann es mit keiner einzigen Silbe gut heißen. Weißt du, was du da gerade getan hast?", gab seine Mutter von sich, während sie zusammen mit ihrem Ehemann nun endlich in den Raum kam und sie hinter sich die Türen schlossen. Scheinbar sollte nicht die ganze Station Wind davon bekommen was hier vor sich ging. Gut so.
"Ich weiß was ich getan habe Mom. Ich habe Nagi geküsst, okay? Ich habe ihn geküsst und es hat sich unfassbar gut angefühlt", sagte er mit durchgedrückten Schultern, während Nagi dabei gefühlt das Herz aus der Brust sprang, so stolz war er in diesem Moment auf den Jungen vor sich.
Er selbst verstand ja nicht einmal was da vor sich ging. Er war in Reo Mikage verliebt. In einen Jungen seiner Schule. Machte ihn das nun schwul? Ehrlich gesagt hatte Nagi sich nie mit Labels wie diesen auseinander gesetzt. Für ihn hatte immer nur die Liebe im Vordergrund gestanden, die er hoffentlich irgendwann mal für einen Menschen empfinden würde. Und nun war sie da, stand hier vor ihm und schien gerade seinen Eltern sagen zu wollen, wie er fühlte. Dabei hatten sie sich das selbst noch gar nicht genau gesagt.
"Das tut doch gar nicht zur Sache Junge", schaltete sich nun Reos Vater in das Gespräch ein. Zuvor war er wirklich sehr still und zurückhaltend gewesen, doch jetzt hatte er die verschränkten Arme geöffnet und war einen Schritt auf seinen Sohn zugegangen: "Du solltest in deinem Bett liegen und dich schonen. Nach allem was gestern war, ist es wirklich leichtsinnig von dir nun schon durch das Zimmer zu marschieren, als wäre nie etwas gewesen. Mal ganz abgesehen davon, was du mit deinem ... Freund", bei diesen Worten glitt sein Blick zu Nagi, welchen er wirklich absolut nicht deuten konnte: "anstellst. Das ist eure Sache".
Verwirrt hob Reo seine Augenbrauen an und schaute von seiner Mutter immer wieder zu seinem Vater und zurück: "Moment mal, es geht euch gar nicht darum, dass Nagi ein Junge ist?".
Nun waren es seine Eltern, die sich gegenseitig verwirrte Blicke zuwarfen, ehe Reos Vater eine Hand auf die Schulter seiner Frau legte und mit einem Lächeln auf den Lippen ihr zunickte.
Mit einem weichen Blick, der ihr zuvor gefehlt hatte, sah Frau Mikage nun in Nagis Richtung: "Vielen Dank dafür das du da warst Nagi. Wir sind wirklich froh, dass Reo jemanden wie dich in seinem Leben hat, aber ich denke es wäre - wie gestern - wirklich gut, wenn du nun gehen würdest. Ich glaube Reo und ich haben noch ein bisschen was zu besprechen".
Das schien Nagis Stichwort zu sein, auch wenn dieser alles andere als einverstanden damit war. Blieb ihm jedoch eine andere Wahl, als sich dem Willen seiner Mutter zu beugen, wenn er Reo weiterhin sehen wollte? Wahrscheinlich nicht.
"Vielen Dank das ich da sein durfte", gab dieser mit einer knappen Verbeugung von sich und sah danach entschuldigend zu Reo, ehe er das Zimmer verließ.
Für einen kurzen Moment hatten ihre Blicke sich gekreuzt. Nagi hätte schwören können, dass der Schmerz in Reos Augen zum greifen war. Wenn er gekonnt hätte, wäre er sofort umgedreht und hätte ihn in den Arm genommen. Ganz egal was seine Familie dann von ihm gedacht hätte. Reo stand immer an erster Stelle.
"Seishiro, könntest du mir einen kurzen Augenblick schenken?", es war die Stimme von Reos Vater, die sich hinter ihm bemerkbar machte.
Neugierig drehte Nagi sich um und erblickte den Kleineren Mann vor sich, wie er verlegen seine Hände in die Taschen seiner Anzughose vergraben hatte.
"Gerne doch. Wie kann ich Ihnen weiter helfen?", sagte Nagi so neutral es ging. Er wusste nicht was für ein Gespräch das hier werden sollte und wohin es sie führen würde. Innerlich wappnete er sich daher für alles, was kommen könnte.
"Ich wollte dir nur sagen, dass es meiner Frau und mir wirklich nichts ausmacht, was zwischen Reo und dir ist, im Gegenteil. Solange es unserem Sohn gut geht, unterstützen wir ihn in allem, was er macht. Das war schon immer so und nur weil er einen Jungen anstelle eines Mädchens liebt, macht ihn das nicht automatisch zu einem anderen Menschen. Er ist immer noch unser Sohn".
Ja, aber wo verdammt war der Haken?
Nervös ging Nagi auf der Stelle und versuchte sich nicht zu sehr anmerken zu lassen, wie sehr diese Situation an seinen Nerven zog. Wenn es kein Problem für Reos Eltern war, dass sie sich mochten, was war dann ihr Problem?
Mit einer Geste versuchte Nagi zu symbolisieren das er weiter zuhörte. Niemand konnte doch mit so einem Monolog beginnen und dann nicht auf den Punkt kommen. Dieses Gespräch glich fast schon einer Folter, wenn man ihn fragen würde.
"Es ist nur so, dass wir uns einfach gerade Sorgen um ihn und seine Gesundheit machen. Die Sache mit dem Fußball ist Reo so sehr zu Kopf gestiegen. Wir wissen, dass ihr zusammen spielt und du ein Verstärker für seine Obsession warst. Und nun liegt der Junge im Krankenhaus, weil er einen Ball an den Kopf bekommen hat. Normalerweise wäre es kein Problem für ihn gewesen diesem Ball auszuweichen, da sind wir uns sicher. In letzter Zeit war er nur einfach viel zu sehr am Ball, wenn du verstehst was ich meine...", führte Herr Mikage aus.
"Was möchten Sie mir damit sagen?".
"Wir machen uns Sorgen das eure Beziehung zueinander unserem Sohn nicht gut tut. Und damit meinen wir eine Ebene, die weit über eure Gefühle hinaus geht. Wenn wir wüssten, dass er sich langsam wieder zügeln würde was den Fußball angeht, dann würde uns das einen riesigen Ballen an Last von den Schultern nehmen".
Nagi riss die Augen auf, als er das Gefühl hatte langsam zu verstehen: "Wollen sie mir damit etwa sagen, ich soll Reo davon abhalten weiter Fußball zu spielen?".
"So habe ich das nicht gesagt Seishiro", gab Reos Vater eindringlich von sich und versuchte mit seinem eisernen Blick seinem Standpunkt deutlich zu machen.
"Vielleicht haben Sie das nicht, aber gemeint haben Sie es genau so, wie ich es gerade gesagt habe".
Nun entwich dem Mann ein Seufzen: "Wahrscheinlich hast du Recht. Aber kannst du uns nicht verstehen, dass wir uns Sorgen um unseren einzigen Sohn machen? Er ist noch so jung und hat sein ganzes Leben vor sich. Wenn er jetzt unvorsichtig wird, könnte das nächste Training sein Letztes gewesen sein. Er ist dem Rollstuhl doch jetzt schon nur knapp entkommen und das kann mit siebzehn nicht das Ziel im Leben sein".
"Wahrscheinlich haben Sie Recht...", so schwer es Nagi auch fiel, aber er musste zugeben, dass er nun verstand was Reos Vater von ihm wollte. Wenn er ehrlich war, waren ihm solche Gedanken immerhin selbst schon gekommen. Reo war momentan einfach zu verbissen, wenn es darum ging Fußball zu spielen. Manchmal fragte Nagi sich, ob er das wirklich noch tat, weil er Spaß daran hatte oder weil es wirklich zu einem Zwang geworden war.
Nun legte der Mann Nagi eine Hand auf seine Schulter und drückte diese leicht, als er seine Bitte formulierte: "Wir möchten euch unter keinen Umständen im Weg stehen, denn das wäre die andere Alternative gewesen. Allerdings wüssten wir, wie sehr es Reo zu schaffen machen würde, wenn er dich verlieren würde. Und nun noch mehr wie mir scheint", ein kurzes Lächeln huschte über seine Lippen: "Daher hoffen, nein wir bitten dich an unseren Sohn zu appellieren, er möge mehr auf sich und seine Gesundheit achten. Du bist unsere letzte Chance an ihn ran zu kommen. Langsam sind uns wirklich die Hände gebunden, weswegen wir einfach hoffen, dass er auf dich hören wird".
Nagi versuchte den Kloß in seinem Hals hinunter zu schlucken, welcher sich im Laufe der letzten Minuten angesammelt hatte. Das Ganze war wirklich ein Brett, welches er erstmal irgendwie verdauen musste. Wie sollte er nämlich seinem besten Freund und seiner Liebe erklären, dass dieser es mit dem Fußball momentan maßlos übertrieb, wenn er doch selbst schon etliche Male daran gescheitert war?
Reo Mikage war besessen vom Fußball und Nagi konnte wirklich nicht einschätzen, ob dieser den Sport mehr mochte als ihn. Denn wenn das nicht der Fall war, hätte er wenigstens eine minimale Chance ihn vor seinem eigenen Unglück zu bewahren.

Sorry ... [Reo x Nagi]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt