Listen to your Heart

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Nach dem Essen räumten wir zusammen ab und liefen in mein Arbeitszimmer. Dort steckte ich den Stick in den Laptop und setzte mich an den Schreibtisch. Yva stand neben mir und so griff ich kurzerhand um ihre Hüfte und zog sie auf meinen Schoß. "Du musst doch nicht stehen mein Engel." "Ok, dann zeig mal, was ihr bis jetzt habt." lächelte sie und legte den Arm um mich. Ich spielte alle Aufnahmen nacheinander ab und fragte sie immer nach ihrer Meinung, aber es kam immer nur positives Feedback. "Du darfst auch ruhig sagen wenn dir was nicht gefällt, deswegen frage ich dich ja." meinte ich, als wir fertig waren und sah sie an. "Ich weiß, aber es gefällt mir alles." "Wirklich?" "Klar, sonst würde ich das doch nicht sagen. Es klingt alles perfekt mein Schatz." "Perfekt..." murmelte ich und starrte auf den Bildschirm. "Ja. Ist das etwa falsch?" "In dem Fall glaube ich schon..." Ich spürte ihren verwunderten Blick auf mir. "Aber warum? Du bist doch sonst so perfektionistisch..." "Ich weiß, aber vielleicht ist es mal an der Zeit etwas neues auszuprobieren. Einiges würde ich auch so lassen, aber ich weiß zum Beispiel, dass ich mich bei einem Song angehört habe, wie ne Kopie von den Cranberries, nur dass die Sängerin den Ton besser halten konnte als ich. Wir haben die Stelle überarbeitet, aber ich würde das lieber rückgängig machen." "Die Cranberries? Wer soll das sein?" Ich drehte den Kopf zu ihr. "Du weißt nicht wer die Cranberries sind?" "Nein, sollte ich?" "Ähm, ja? Die hatten '94 einen riesen Hit mit einem Protestsong gegen den Nordirlandkonflikt." "Keine Ahnung... Da war ich sieben Hase." "Das ist kein Grund das Lied nicht zu kennen." "Ich kenn es trotzdem nicht. Sorry, ich hab halt nicht so viel Ahnung von Musik wie du." Kopfschüttelnd sah ich sie an und fing an den Refrain zu singen: "In your head, in your head Zombie, zombie, zombie-ie-ie. Komm schon, das muss dir doch bekannt vorkommen." "Ach, jetzt wo ich das höre ja, aber ich weiß doch nicht wer das singt oder wie das heißt." "Oh man, da merkt man wieder die zehn Jahre Altersunterschied zwischen uns, aber jetzt weiß ich jedenfalls, was mich die ganze Zeit gestört hat." lächelte ich und küsste sie sanft. Yva legte die Hand an meine Wange und erwiderte den Kuss lächelnd. "Und trotzdem liebst du mich, auch wenn ich nicht jedes Lied aus deiner Jugend mit Titel und Interpret benennen kann." "Ja, das stimmt. Ich liebe dich, sehr sogar." "Ich dich auch." "Danke für deine Hilfe." "Bitte. Ich würde jetzt unten die Sauna vorbereiten, hast du Lust mitzukommen?" "Gerne, lass mich nur vorher den Laptop ausmachen und den Brief lesen ja?" "Ach so klar." "Du kannst, wenn du willst, schon mal runter, ich komm gleich nach. Das sollte ja eigentlich nicht so lange dauern." "Ok, dann mach ich das. Lass mich aber nicht zu lange warten." zwinkerte sie lächelnd. "Da würde ich nie drauf kommen, ich beeil mich." "Gut." Sie stand auf und verließ den Raum. Ich fuhr den Laptop herunter, klappte ihn zu und griff nach dem weißen Briefumschlag auf dem Schreibtisch. Mein Name und Adresse standen handschriftlich drauf und irgendwie kam mir die Schrift bekannt vor, aber ich konnte sie im ersten Moment nicht zuordnen. Schnell war der Umschlag geöffnet und zum Vorschein kamen mehrere Papiere, wovon eines eine Art Einladungskarte zu sein schien. Gespannt holte ich alles raus und sah mir die Einladung genauer an. Auf der Vorderseite waren zwei goldene Ringe, die miteinander verbunden waren und darunter standen, ebenfalls in Gold, zwei Namen: Anni und Eljas und dann wusste ich auch, warum mir die Schrift auf dem Umschlag so bekannt vorkam. Ich kannte keinen Eljas, aber ich kannte eine Anni und zwar sehr gut. Überrascht klappte ich die Einladung auf und las: "Wir heiraten! Nach zwei gemeinsamen Jahren Probezeit haben wir uns entschlossen, uns das Ja-Wort zu geben. Die Trauung findet am 10.07.2017 um 12 Uhr im Kirschbaumpark Roihuvuori statt. Nachmittags um 17 Uhr treffen wir uns am Restaurant Elite in der Eteläinen Hesperiankatu 22 um zusammen den Tag ausklingen zu lassen." Um ehrlich zu sein verwirrte mich diese Einladung sehr. Zuerst ließ Anni fast 17 Jahre nichts von sich hören und jetzt lädt sie mich zu ihrer Hochzeit ein? Also ich freute mich darüber, schließlich hatte ich nun wieder ein Lebenszeichen von meiner besten Freundin, aber warum dieser Kontaktabbruch? Naja, vielleicht lieferten die restlichen Blätter ja eine Antwort. Ich nahm den Stapel Papiere und sah, dass es alle handschriftliche Briefe waren. Den mit dem aktuellsten Datum, dem 05.03.2017, las ich als erstes: Lieber Samu,
es tut mir Leid, dass du solange nichts von mir gehört hast und hoffe du bist nicht sauer auf mich. Du musst wissen, dass das wirklich nicht meine Schuld war. Ursprünglich dachte ich sogar, dass du mir, aus welchem Grund auch immer, nicht mehr geschrieben hast, weil ich auf meinen letzten Brief vom 01.12.2002 keine Antwort bekommen habe. Mittlerweile weiß ich, dass mein damaliger Freund, deine Briefe vor mir versteckt hat. Ich hab trotzdem noch regelmäßig an dich geschrieben und ihn gebeten, die Briefe zur Post zu bringen. Offenbar hat er das nie getan, denn von dir kam nie wieder etwas. Als ich das, und noch einiges anderes, rausgefunden habe, habe ich ihn sofort verlassen und all meine Briefe gut weggepackt, damit du sie eines Tages vielleicht doch noch lesen kannst. Ich bin nach meiner Trennung wieder nach Helsinki gezogen und direkt zu deinem Elternhaus gefahren, in der Hoffnung deine Mutter lebt noch dort und kann mir sagen, wo ich dich finde, aber leider war dem nicht so und die jetzigen Bewohner hatten keine Ahnung. Ich hab versucht dich zu finden, aber du hältst dein Privatleben so gut unter Verschluss, was ja auch richtig ist so als internationaler Sänger, dass ich keine Chance hatte. Dann hab ich vor zwei Jahren Eljas kennengelernt und ihm recht bald von dir erzählt. Mit seiner Hilfe ist es mir endlich gelungen, dich zu finden! (Frag nicht genau wie, je weniger du weißt, desto besser, ganz legal war es nämlich nicht) Ich muss zugeben, dass ich ziemlich Angst habe, während ich das hier schreibe. Was, wenn du mich nach all der Zeit nicht mehr in deinem Leben haben willst oder wenn du mir das mit meinem kanadischen Ex nicht glaubst? Aber ich musste es trotzdem tun. Erstens möchte ich meinen besten Freund zurück und zweitens hab ich dir schon mit vierzehn gesagt, dass ich dich unbedingt auf meiner Hochzeit dabeihaben will. Vielleicht hast du die Einladung im Umschlag schon gesehen, wenn nicht dann Überraschung, ich werde tatsächlich heiraten dieses Jahr! Meine restlichen Briefe sind in dem Umschlag, ich würde mich sehr freuen, wenn du sie lesen würdest und wenn du zu meiner Hochzeit kommst. Hier ist meine Handynummer, falls du dich bei mir melden möchtest.
Ich vermisse dich
Deine Anni
Sofort schaute ich die anderen Blätter durch. Im Abstand von zwei Monaten hat sie mir 2003 noch geschrieben, dann jeweils zu meinem 28., 29. und 30. Geburtstag, doch dann hörte es plötzlich auf. Zu dem Zeitpunkt muss sie gedacht haben, dass ich nichts mehr mit ihr zu tun haben will. Ich nahm mein Handy und tippte ihre Nummer ein. Die Briefe konnte ich später lesen, aber ich musste ihre Stimme hören und so wollte ich sie anrufen, aber bevor ich soweit kam rief meine Freundin von unten: "Baby ist alles in Ordnung?" "Ja, alles gut!" antwortete ich. "Dann komm! Die Sauna ist bereit!" "Ich komme...!" Statt Anni also anzurufen speicherte ich ihre Nummer also ein und ging nach unten zu Yva.