Kapitel 13 Wahrheit

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Wie versteinert saß ich da. Ich schaute in die glühend roten Augen des Mannes, der mir soeben die Vergangenheit meiner Familie übermittelte. Bei jedem Wort hing ich an seinen Lippen, so als wäre ich süchtig nach ihnen. Jeder neue Satz ließ mich gebannter zuhören, bis er schließlich fertig erzählt hatte und mich nun einfach zurück anstarrte. Sekunden fühlten sich wie Stunden an und für mich schien die Zeit stehen geblieben zu sein. Meine Gehirnzellen versuchten die mir neuen Informationen zu analysieren, aber meine Gefühle waren um einiges schneller. Eine Träne rann mir die Wange hinab, bis ich die salzige Flüssigkeit auf meinen Lippen spürte. Sukuna verdrehte nur die Augen, schnappte sich sein Buch und fing wieder an zu lesen. Ich hätte ihm zu gern ein paar mahnende Worte an den Kopf geworfen wie "Wenn jemand weint, dann sollte man ihn trösten" oder "Hab gefälligst ein wenig Empathie du scheiß Fluch", aber ich bekam kein Ton raus. Ich saß einfach nur da, fühlte Traurigkeit, Wut und Hass. Nach wenigen Minuten die ich so verharrte, kam ich wieder zu mir.

"Sukuna tausch mit Yuji sofort!" Es dauerte nicht lange, da verschwand die Aura des Fluchkönigs und ein strahlender Yuji stand vor mir. Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht, setzte ein gespieltes Lächeln auf und begrüßte den Schüler.
"Hallo Yuji. Ich bin für heute fertig mit arbeiten, du kannst also gehen und noch eine Runde schlafen. Du musst ja schließlich in ein paar Stunden fit sein, denn dann beginnt auch schon das Austauschprogramm der Schulen." Hochmotiviert stand mir der Junge gegenüber und ich wünschte, ich könnte so voller positiver Energie, jugendlichem Leichtsinn und Fröhlichkeit sein, aber das wäre eben nicht ich.
"Vielen Dank Sensei, dann werde ich mich jetzt verabschieden. Sie sollten auch mal wieder richtig Schlafen, in letzter Zeit sehen sie ziemlich müde und mitgenommen aus. Bitte überanstrengen sie sich nicht und wenn Sukuna ihnen zur Last fällt dann..."
"Danke!" Unterbrach ich ihn. "Das ist lieb von dir, aber mir geht es gut. Und jetzt ab mit dir, sonst bekomm ich von Gojolein noch eins auf den Deckel, weil du nicht genügend Schlaf bekommen hast."

Nachdem der pinkhaarige Strahlemann endlich gegangen war, ließ ich mich wieder auf mein Bett fallen. Ich starrte an die Decke. Mein Körper bewegte sich keinen Zentimeter. In meinem Kopf rauschte es, wie bei einem Fernseher der kein Signal bekam und nur schwarz und weißes Grisseln zu sehen ist oder eine Maschine die zu heiß gelaufen ist und nun erstmal runter gekühlt werden muss. Ich hatte noch nie zuvor einfach nichts gefühlt, geschweige denn an NICHTS gedachte, denn mein Gehirn arbeitet immer, doch genau jetzt war da einfach nur Leere. Die weiße Zimmerdecke war alles was ich in dem Moment war nahm. Irgendwann jedoch rappelte ich mich auf. Wie ein Zombie lief ich durch die Gänge, bis ich vor dem Thermalbad stand. Ohne vorher zu duschen oder meine Klamotten im Umkleideraum abzulegen, ging ich einfach hinein. Die warme feuchte Luft umgab meinen Körper und ich spürte wie sich meine Sachen mit Flüssigkeit voll saugten. Meine Füße bewegten sich einfach immer weiter Richtung Wasser, während ich mich meiner Klamotten entledigte. Ein Teil nach dem anderen, landete auf dem Boden, bis ich komplett entkleidet da stand. Ich ließ meinen Körper in das warme Nass eintauchen. Ich spürte zwar die Wärme auf meiner Haut, aber innerlich war mir immer noch eisig kalt. Ob Sukunas Worte der Wahrheit entsprechen? Hatte man meine Familie damals wirklich ermorden lassen, nur weil die anderen sie fürchtetet und aus dem Weg haben wollten? Und stimmt es wirklich, dass sie andere Menschen opferten, nur um ihre eigene Fluchkraft kontrollieren zu können? Aaahhhh!!! Ich tauchte mit meinem Kopf unter Wasser und schrie nochmal in die Flüssigkeit hinein. Danach tauchte ich wieder auf, legte den Kopf in den Nacken und dachte nach. Auch ich entfaltete meine wahren Kräfte mit sechzehn, also hatte er in diesem Punkt nicht gelogen und ich weiß, dass meine Mutter psychisch krank war und sich selbst umbrachte. Vielleicht hatte sie auch Fluchkräfte und konnte nicht damit umgehen? Deshalb wuchs ich in Pflegefamilien auf. Aber konnten Fluchkräfte wirklich über eine so lange Zeit über weitergereicht werden? Normalerweise werden bei jeder Generation in der ein Partner ohne Fluchkraft sich mit jemanden mit Fluchkraft paart die Fluchkräfte schwächer. Zu mindestens ist es in der Biologie so, dass wenn Gene sich vermischen, spezielle Veranlagungen mit der Zeit abnehmen oder sogar verschwinden. Genauso kommen neue Erbmaterialien hinzu und vermischen sich wieder und wieder. Jedenfalls rein Wissenschaftlich betrachtet, sollten man meinen, dass bei den vielen Generationen die zwischen uns liegen, meine Fluchkraft viel schwächer sein müsste oder sie gar nicht mehr existieren sollte. Bestimmt gab es auch Generationen die ganz ohne Fluchkraft auf die Welt kamen und so die Geninformationen ohne ihres Wissens weiter gaben. Auch ich kann meine Fluchkraft nicht auf mich selbst anwenden, dass wusste Sukuna von Anfang an, ohne dass ich es ihm erzählt hatte. Ich kann ihm dennoch nicht hundertprozentig trauen. In unserem Deal war nie vereinbart, dass er mir die Wahrheit sagen muss. Dieses Detail kam mir erst viel später in den Sinn. Ich hätte unsere Abmachung viel genauer definieren sollen. Mir bleibt trotzdem erst einmal keine andere Wahl, als ihm zu vertrauen, denn dass ist mehr Wissen über meine Herkunft, als ich mir jemals vorgestellt hatte. Mein Körper nahm jetzt eine entspanntere Pose ein. Ich ließ mich im Wasser treiben und dachte weiter über meine Familie nach. Wenn alle bis auf eine Person umgebracht wurden, dann stamme ich von dieser Frau ab. Laut Sukuna eine Einzelgängerin, aber mehr hat er nicht erzählt. Das Wissen das ich nun erlangt hatte, war zum einen Teil befriedigend und zum anderen Teil weckte es genauso viele neue Fragen in mir. Wenn er meine Familie studiert hatte, dann könnte er mir vielleicht tatsächlich helfen meine Fluchkraft besser zu kontrollieren und dann wäre ich einen riesigen Schritt näher dran, einen Weg zu finden ihn von Yuji zu trennen. Doch will ich wirklich Sukunas Hilfe? Dieser Fluch ist das böse in Person und ich bin sowieso schon sein persönliches Spielzeug. Verdammt! Innerlich machte mich meine Situation unheimlich wütend, aber ich wollte nicht aufgegeben, denn das passte nicht zu mir. Ich blieb noch eine ganze Weile im Wasser und überlegte, was ich alles machen könnte, wenn ich meine Fluchkraft so bündeln könnte, dass ich eventuell eine andere passende Hülle für Sukuna herstellen und ihn dort hinein befördern könnte. Alles Tagträumerei, aber mein Wissenschaftshirn malte sich schon aus, wie ich das alles in die Tat umsetzten würde.

The Secret / Sukuna x ShioriWo Geschichten leben. Entdecke jetzt