Chapter 1

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Es regnete in Strömen. Bereits den ganzen Vormittag. Seufzend öffnete Shane sein Küchenfenster und stützte sich auf seinen Unterarmen ab, um hinaussehen zu können. Er hatte heute mit seinem Equipment losziehen und Fotos machen wollen, damit er diese im Nachgang bearbeiten konnte. Doch das Wetter machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Niemand befand sich auf der Straße, selbst Autos fuhren nur vereinzelt. Wenn das so weiterging, würde bald ein kleine Fluss durch diesen beschaulichen Ort fließen und man müsste mit dem Boot fahren. Ein amüsiertes Grinsen zupfte an seinen Mundwinkeln und er rieb sich den Nacken.

Gerade als er das Fenster wieder schließen wollte, hörte er ein unterdrücktes Jauchzen von draußen, sah erneut aus seiner Wohnung und beobachtete, wie eine Rothaarige auf dem Gehweg gegenüber entlanglief, welche dabei ihre Handtasche als Regenschutz über ihren Kopf hielt. Natürlich brachte das rein gar nichts, wie er kopfschüttelnd bemerkte. Mit einer raschen Bewegung lehnte er sich über den Küchentisch und ergriff den kleinen Regenschirm der dort lag, lehnte sich wieder aus dem Fenster und grinste leicht.

„Hey, du", rief er etwas lauter, damit er den tosenden Regen übertönte und sie ihn hörte.

Ihr Blick wanderte an dem Haus entlang, aus der seine Stimme gekommen war, blieb dabei stehen und fand ihn nach kurzem Suchen schlussendlich. Shane deutete mit der freien Hand auf den Schirm in seiner anderen Hand und lächelte ihr auffordernd zu.

„Nimm den", fügte er gut hörbar hinzu und sah, wie sie nach links und rechts blickte und über die Straße lief, da kein Auto in Sicht war. „Kannst du fangen?"

„Ich versuchs", vernahm er ihre Stimme und eine minimale Gänsehaut bildete sich auf seinen Unterarmen, was ihn überrascht brummen ließ, während sie ihre Handtasche über ihre Schulter schob und gegen den Regen blinzelte.

Er visierte sie grob an und öffnete seine Hand, damit der Schirm die Distanz aus der ersten Etage zurücklegen konnte und sie fing ihn geschickt auf. Mit einem erstickten Keuchen spannte sie ihn auf und hielt ihn sich über den Kopf. Es war warm, doch der Regen musste im wahrsten Sinne des Wortes wie eine eiskalte Dusche wirken. Mitfühlend verzog er seine Lippen und fuhr sich mit der rechten Hand durch seine dunkelblonden Haare, die er etwas länger trug als üblich.

Der Rotschopf lugte unter dem Rand des Schirms hervor und lächelte ihn an.

„Vielen Dank, mein edler Retter. Leider bin ich ein wenig in Eile", tönte ihre angenehme Stimme zu ihm herauf und ehe er noch etwas erwidern konnte, lief sie schon wieder los.

„Gern...", murmelte Shane mit leisem Bedauern und seufzte dann tief auf.

Nun wusste er nicht einmal ihren Namen. Nicht, weil er seinen Schirm unbedingt wiederhaben wollte, sondern weil er sie auf den ersten Blick aus der Nähe faszinierend und wirklich sympathisch gefunden hatte. Ihre Haare waren anscheinend natürlich rot und normalerweise stand er überhaupt nicht auf diese Haarfarbe, doch irgendwie... irgendwie hatte ihn diese zierliche Person mit ihren fuchsroten Haaren in ihren Bann gezogen, was ihn leicht irritiert die Stirn runzeln ließ, während er nachdrücklich das Fenster schloss und den Kopf kaum merklich schüttelte. Das war doch Wahnsinn. Vermutlich würde er diesen Rotfuchs sowieso nicht noch einmal treffen.

Manchmal war das Leben schon eine gemeine Herausforderung. Menschen, die man nicht gern oder nie wieder in seinem Wirkungskreis haben wollte, traf man alle Nase lang, doch solche Menschen, die man gern um sich haben wollte, waren schneller wieder aus dem eigenen Leben entschwunden, als man blinzeln konnte. Amüsiert über seine eigenen Gedanken trat er an den Kühlschrank und sah hinein. Sandwichtoast, Salami, Schinken, Butter, Mayonnaise, Ketchup, Getränke und Licht. Irgendwie hatte er wohl vergessen einkaufen zu gehen. Verdammt. Dann musste er sich eben mal wieder etwas bei seinem Lieblingsitaliener bestellen, denn schließlich wollte er nicht verhungern.

Photographer Heart [Buch 2]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt