Kapitel 3

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Von dem ganzen schweren Rauch musste ich husten, während ich zu den anderen lief. Gerade noch rechtzeitig bevor der Turm, Stein für Stein, fast wie ein Kartenhaus, das der Wind erwischt hatte, in sich zusammen stürzte. Zitternd und schweigend sahen wir zu wie die Trümmer fielen und das Feuer nach und nach alles verschlang. Immer mehr Tränen benetzten meine Wangen in einem nicht enden wollenden Strom der gnadenlosen Wahrheit. In diesen paar Minuten war alles zerstört worden. Kenric war noch da drin gewesen und hatte uns alle vor dem schlimmsten bewahrt. Oder es zumindest gedacht. Denn mir hatte er das angetan, was ich ihm noch vor ein paar Momenten gesagt hatte, dass es das schrecklichste wäre, was mir passieren könnte: Ich hatte ihn verloren. Ich konnte nicht sagen wie lange ich da stand und auf den zerfallenen, ausgebrannten Turm starrte und mein Herz immernoch hoffte das Kenric zwischen den Trümmern hervor gekrochen käme, doch er kam nicht. Blind vor Tränen stürzte ich mich auf den Trümmerhaufen und versuchte, die Brocken des Kristals weg zu hieven. Ich grub und grub mich tiefer in die Trümmer herein. Meine Hände waren mittlerweile voll von Schutt, Asche und meinem eigenen Blut, doch es war mir egal. Alles war mir egal. Ich nahm nur am Rande wahr, wie Bronte versuchte, mich davon abzuhalten, weiterzumachen, doch ich konnte nicht. Ich musste. Musste. Musste ihn retten. Retten. Retten. Ich spürte zwei Arme, die mich von hinten packten, nicht grob, aber bestimmt. Bronte zog mich mit aller Kraft von dem Haufen aus verkohltem Gestein zurück. Ich nahm es garnicht richtig war, denn ich wollte, ich konnte es nicht glauben. Kenric konnte nicht tot sein! Das konnte nicht sein! Aber es war so, so sehr ich es mir auch einzureden versuchte, in meinem Herzen breitete sich dennoch die Wahrheit aus. Er war nicht mehr da. Ich sank in Brontes Armen zusammen vor dem Haufen aus Turmteilen und begann bitterlichst zu schluchzen. Mir machte es nichts aus, dass mich die Welt so sah, denn der einzige Mensch, der und dessen Meinung mir jemals wirklich wichtig gewesen war, lag jetzt unter einem großen Haufen Steine begraben. Dieser Gedanke brachte in mir einen weiteren Schluchtz-Anfall hervor. Erst nach einer Weile spürte ich, wirklich, wie Bronte mich fest umklammert hielt. Er war nie der Typ für große Gefühle gewesen, doch jetzt rollten auch ihm Tränen der Trauer über das Gesicht. Auch er hatte Kenric sehr gemocht. Wir hatten ihn alle sehr gemocht. Ich hatte ihn geliebt. Verdammt, wie sehr ich diese Vergangenheitsform mit Kenrics Namen in einem Satz hasste. Ich liebe ihn. Ich blieb an dem Turm bis es dunkel wurde und Bronte mir sagte, ich müsse jetzt gehen. Es drang nicht bis ganz zu mir durch, doch ich ließ mich wiederstandslos von ihm nach hause führen. In meinem pinken Palast fiel ich ins Bett und wurde sofort von einem erneuten Schreikrampf geschüttelt. Ich schrie mir die Seele aus dem Leib. All meinen Schmerz, alles was dieser Tag heute mit meinem dummen, liebenden Herz angestellt hatte, doch ich fühlte mich dennoch nicht erleichtert. Ich schlief nicht. Ich lag die ganze Nacht auf dem Rücken und wurde abwechselnd von Heul- und Schreikrämpfen heimgesucht. Es war so schrecklich. Mein Herz war in tausend Stücke gebrochen und ich wusste nicht mehr, ob ich es jemals wieder ganz zusammensetzen konnte. Ich war am Ende meiner Kräfte und konnte nichts anderes denken als: Wieso bin ich nicht schon eher eingeknickt? Wieso bin ich nicht einfach aus dem Rat ausgetreten? Wieso habe ich meine ganze Zukunft weggeworfen? Wieso?!

Eternal heartbeats - Koralie FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt