Kapitel 9

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Nachdem wir beide gefrühstückt hatten, machten wir uns auf den Weg. Wir hatten beim Essen nicht viel gesprochen, aber das Schweigen war nicht unangenehm gewesen. Ganz im Gegenteil. Wir brauchten keine Worte, um zu wissen, wie froh wir beide waren, dass er hier war. Wir... waren Kenric und ich denn ein „wir"? Seit er gestern Abend hier aufgetaucht ist, bohrte sich diese Frage in mein Gehirn, obwohl ich sie mit aller Macht verdrängen wollte. Das war im Moment einfach nicht Priorität und ich brauchte meine ganze geistige Kapazität, um mich auf heute zu konzentrieren. Es gab viel zu regeln, jetzt, wo er wieder da war. Kenric. Er war wieder da. Die Situation war so unwirklich. Wie oft hatte ich mir gewünscht, ich hätte in der Vergangenheit anders gehandelt, hätte mich auf mehr eingelassen. Und nun war er unerwarteter Weise wieder da und wir mussten soviel anderes klären, dass wir „uns" schon wieder bei Seite schieben mussten. ‚Wie in alten Zeiten also', dachte ich bitter. Die Ratspaläste waren zum Glück nicht weit von dem Hauptgebäude Eternalias weg, dem großen Gebäude des hohen Rats. Genau da marschierten wir strammen Schrittes nun ein. Auch auf dem Weg fiel unsere Konversation eher spärlich aus. Über was unterhielt man sich denn, wenn man zum hohen Rat ging, um diesem zu präsentieren, dass ein Mitglied, dass sie tot geglaubt hatten, doch lebte? Wie würden sie reagieren? Was würden sie sagen, nachdem Kenric ihnen erzählt hatte, was ihm widerfahren war? Würden sie ihn zurück wollen, obwohl Alina jetzt schon gewählt war? Bekäme er seinen alten Platz zurück? Das wäre gut... Aber wollte er das überhaupt? Vor seinem Verschwinden hatte er in meiner Gegenwart oft einen Austritt aus dem hohen Rat angesprochen. Aber seine Bedingung war stets gewesen, dass ich mit ihm gehe. Er wollte mit mir zusammen sein, schon vor seiner Entführung und ich hatte immer nein gesagt. Das führte mich unweigerlich zu der Überlegung, ob er nicht all diese schrecklichen Qualen hätte ertragen müssen, hätte ich mich für die Amtsablegung entschieden. War es am Ende meine Schuld? Nein. Stop. So darf ich nicht denken. Ich wusste, dass Schuldgefühle wie diese den Geist eines jeden Elfen brachen. Aber dennoch... würde er mich überzeugen wollen, meine Position aufzugeben, sofern er sich gegen seinen alten Platz an meiner Seite entschied? Würde ich das wollen, um mit ihm zusammen zu sein? Ich wusste es nicht...
Immernoch tief in Gedanken versunken, traten wir ein, in den Empfangsbereich des Ratsgebäudes. Als wir zum Rezeptionstresen schritten, sah ich, dass alle Blicke der Anwesenden auf Kenric lagen. Einige hörte ich sogar aufkeuchen, andere wispern. Die Augen der Rezeptions Dame wurden groß, als sie sah, wer da an ihrem Schreibtisch vorbei ging, zu einem der Aufzüge, der uns direkt in eine Ratssitzung befördern würde. So hatte ich es geplant. Ich hatte gewusst, dass um diese Uhrzeit, der Rat tagen würde. Natürlich. Ich war ja ein Teil davon. Als der Aufzug uns schließlich freigab, öffnete ich die Tür des großen Saals und trat gleichzeitig mit Kenric ein. Alle Blicke hafteten auf uns. Bronte hielt mitten in seinem angefangen Satz inne und starrte uns mit offenem Mund an. Die Augen der Anwesenden wurden groß wie Untertassen als sie erkannten, wer hier war. Emery fasste sich als erster wieder. „ Rat Kenric. Welch... unerwartete Überraschung. Setzen sie sich doch!" Gewohnt gefühlvoll und emphatisch wie immer. Seine Worte waren freundlich, doch in seiner Stimme schwang ebensoviel Misstrauen mit, wie in den Blicken der übrigen Mitglieder. Insbesondere Alina sah alles andere als glücklich aus. Kenric würde viel erklären müssen und ich würde ihm dabei zur Seite stehen so gut ich konnte. Jetzt wo ich ihn einmal wieder hatte, war ich fest entschlossen, das immer zu tun, ein Leben lang. An seiner Seite stehen.

Eternal heartbeats - Koralie FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt