Irrevisibel

52 4 0
                                    

Lilien

„Du hattest angerufen, denk ja nicht, ich wäre deswegen hierher kommen."
Seitdem Persephone auf Flavius geschossen hatte, hatte sich etwas geändert, er sah sie mit einem ganz anderen Blick an und sie war einfach nur genervt. „Du kannst gehen, Flavius. Deine Dienste werden nicht länger gebraucht", fauchte meine beste Freundin und Flavius grinste sie nur weiter an um sie zu provozieren, das ganze spielte auf meinem Flur ab, ich sah beide von meinem Bett aus genau und konnte diese Streitereien kaum noch ausstehen. Wahrscheinlich würde ich Flavius den Kopf abreißen oder etwas anderes dummes tun. Ich war voller Wut, Frust, Angst und Sorge geladen, diese Mischung war gefährlich und besorgniserregend zugleich.
„Kleine Ärztin, ich gehe, wir sehen uns bald wieder. Mach mich für nichts verantwortlich."
Er ging durch die Tür und Percy kam zornig stampfend in mein Zimmer bis sie mich erblickte. Wahrscheinlich war ich nur ein Wrack, dass man endlich entsorgen sollte. „Lils, was ist passiert?", fragte sie voller Sorge. Sie setzte sich am Bettrand und legte eine Hand auf meinem Unterarm der fest um meine Beine geschlungen war.
Ich sah sie mit tränenvollen Augen an. „Ich kann nicht mehr, Percy. Ich kann nicht mehr", schluchzte ich. Sie nickte. „Ich weiß, gib mir bitte nur noch eine Woche, dann hab ich eine Wohnung und du kannst dann zu mir ziehen!", versicherte sie mir. „Dann kannst du alles hinter dir lassen", versprach sie. Ich fing bitterlich an zu weinen und umarmte sie. „Chase ...", weinte ich.
„Was?", fragte sie verwirrt.
Ich weinte mich aus und sie ließ es zu. Sie stoppte mich nicht, sondern strich mir beruhigend über den Rücken.
Ich löste mich von ihr und sah sie an.
Sie wartete geduldig bis ich bereit war etwas zu sagen. „Bis jetzt war mir das nie passiert, da ich mit Flavius zusammengearbeitet habe, aber jetzt wollten die Produzenten den Preis dafür, dass ich für sie arbeiten darf", mir rollte eine Träne über die Wange.
„Oh mein ...", sie sah mich schockiert an. „Ich war mit ihnen in diesem fast leeren Umkleideraum, wo Sofas drin standen, anscheinend haben sie es genau dafür", erzählte ich schluchzend.
Percys Blick füllte sich mit Mitleid. „Ich habe Flavius geschrieben, dass ich Hilfe brauche, aber er hatte Zeit gebraucht und sie hatten angefangen mich anzufassen, da kam er durch die Tür."
„Flavius? Ich bin froh, dass dir nichts pass ist, Lilien, ich verstehe du bist völlig ..."
„Chase", unterbrach ich sie.
„Was?"
„Chase kam rein und meinte er würde es zuerst tun. Die anderen hatten Alkohol getrunken, da hat Chase mich ... meinen Slip runter gezogen und die sind eingeschlafen, im Alkohol war was."
Percys Augen wurden rund und groß.
„Was hatte er da verloren?", fragte sie leise und musterte mich. „Ich weiß es nicht", flüsterte ich.
„Was ist dann passiert?"
„Er hat sich hingesetzt und ..."
Mir war das so peinlich, weswegen ich meinen Blick senkte. „Hat er was gemeines gesagt?", fragte sie mich besorgt. „Er hat mich auf sein Schoß gezogen und nach seiner Aussage, sein Recht genommen."
Percys Blick wurde hart. „Er hat dich vergewaltigt?", fragte sie mit beherrschter Stimme, aber der Hass war genau zu hören. „Nein ...", sagte ich zu schnell. „Was nein? Wolltest du das?"
„Nein!"
„Lilien ...", fing sie an. „Vergewaltigung ja oder nein?"
„Wir sind verheiratet", sagte ich kleinlaut.
„Ich verstehe deine Aussage nicht, du musst mir sagen, ob du den sexuellen Akt wolltest oder nicht."
Ich sehe sie stark verwirrt aus. „Ich habe keine Ahnung", sagte ich ehrlich.
„Er hat es ausgenutzt, dass du so verletzlich warst. Dieses Arschloch", fauchte sie. „Dann ist Flavius gekommen", erzählte ich weiter und zog ihre Aufmerksamkeit wieder zu mir. „Während ...", sie versuchte die richtigen Worte zu finden. „... des Aktes?"
Ich schüttelte den Kopf. „Danach."
Percy atmete erleichtert aus.
„Chase hat zu Flavius gesagt, er nimmt ihn jetzt sein Spielzeug weg."
Percy sagte nichts, was mich wunderte.
„Fällt ihm ganz schön früh ein", meinte sie nach einiger Zeit. „Sie sind alle gleich, Lilien. Sie scherren sich kein Stück für uns. Unsere Familien nicht, dein Mann nicht. Diese Welt ist so gemein geworden. Jeder tut das, was er in seinen Augen für richtig hält und wir unschuldigen werden zwischen all den Egoisten zermahlen. Du hast recht, es reicht. Nimm deine Sachen, ich suche ein schönes Hotel für dich raus, wo du eine Woche bleiben kannst."
„Aber Percy, was ist mit der Sicherheit? Wenn mich jemand erkennt, dann haufen sich die Leute um uns."
Ich wusste, dass Percy nicht so viel Geld hatte, dass sie mich in einem Fünfsterne Hotel unterbringen konnte, ihr Geld würde für ein dreisterniges reichen. Wo ich wohnte, durfte niemand rein, ohne sich in der Einfahrt bei der Security angemeldet zu haben. Man rief mich an und fragte zuerst, ob die Person durch darf. Auf die Privatsphäre dieser Wohngebäuden wurde stark geachtet. Niemand durfte rein oder raus ohne an der Security vorbei. Die Gebäude wurden von einem hochmodernen Zaun umsiedelt und die Security wusste, dass nur Percy und Flavius hier rein konnten ohne Erlaubnis.
„Hier ist es sicher", versicherte ich ihr. An meiner Haustür klingelte es und Percy sah mich fragend an. „Flavius?"
Er war der einzige außer Percy, der überhaupt bis hier her rein konnte oder ein Nachbar. „Ich schaue mal", meinte Percy und stand auf um auf die Haustür zuzugehen. Leider hatte ich keinen Türspion und Percy machte auch nicht die Türkette dran und bevor ich sie aufhalten konnte, machte sie die Tür auf.
„Was willst du hier?", fragte sie jemanden, den ich nicht vom Bett aus sehen konnte.
„Chase, ich lasse dich nicht rein!", hörte ich Percy sauer sagen.
„Ich bin schon drin Persephone und ich rate dir, dich nicht einzumischen. Ansonsten lasse ich deinen Vater, Konsequenzen für dich ziehen."
Ich biss meine Zähne zusammen und betete. Er sollte gehen.
„Nein warte, die darf ich ja jetzt selber ziehen."
„Ich lasse mich von niemandem bedrohen, Chase. Stopp, bleib stehen!"
Ich legte beide Hände an meinen Ohren und drückte fest. Ich wollte nichts hören. Ich kniff meine Augen zusammen. Sehen wollte ich auch nicht. Ich konnte nicht mehr.
„Chase bitte ... geh! Sie kann eine Panikattacke bekommen und ..."
„Kann man mehrere an einem Tag bekommen?", fragte er sie. Wieso hörte ich sie noch. Wieso?
Ich fing an zu schreien, seine Stimme war unerträglich ...
Jemand riss meine Hände nach unten und ich wurde festgehalten. Meine Sicht war verschwommen, weswegen ich Percys Gesicht nur schwimmend vor mir sah. „Na komm, Lils. Mund auf!"
Sie drückte meinen Mund auf und tropfte was rein. Es brannte auf meiner Zunge und Rachen, aber ich kam runter.
„Was war das?", fragte ich voller Schock.
„Ignatia", antwortete sie grinsend.
„Was ist das?"
„Das was du ab jetzt einnimmst, wenn dein Kopf anfängt zu platzen."
Ich sehe sie verwirrt an. „Habe ich geträumt? Ich hatte Chase gehört ..."
Percy hob ihr Finger und deutete hinter mir. Erst jetzt merkte ich, dass jemand hinter mir sitzen musste.
Ich stand auf und sah nicht nach hinten und ging in meine Küche. „Übrigens, kein Alkohol mehr für dich", sagte sie und nahm mir die Rotwein Flasche aus der Hand, die ich aus dem Kühlschrank geholt hatte. Sie grinste und kippte den Inhalt in den Abfluss. „Du weißt ganz genau, dass ich einen ganzen Vorrat habe", zischte ich.
„Wenn du diese Medikamente einnimmst, darfst du kein Alkohol trinken, noch Kaffee. Diese Sachen machen die Medikamente nutzlos."
Ich stöhnte. „Hast du nichts anderes gefunden?"
Sie schüttelte den Kopf. „Es hat doch nicht gewirkt. Du bist nur verrückter geworden. Sieh doch selbst, jetzt siehst du gut aus."
Ich sah sie verständnislos an und schaute zur Küchentür.
„Sag ihm bitte, er soll gehen!"
Percy sah mich mitleidig an und nickte. Sie ging sofort aus der Küche um in mein Schlafzimmer zu können. „Chase, ich bitte dich höflich zu gehen", hörte ich sie sagen. Da mein Bett knirschte, wenn sich jemand darauf bewegte, hörte ich wie er wohl aufstand. „Ich tue dasselbe Persephone, ich bitte dich zu gehen, ansonsten bin ich gezwungen, Flavius zurück zu rufen und er zerrt dich dann raus."
Ich eilte aus der Küche zu Percy. „Du kannst nicht so mit ihr sprechen", ich sehe ihn total emotional an und stelle mich vor Percy. „Erzähl mir nichts, Chase. Du hast Flavius aus der Familie geworfen, er würde nie auf dich hören."
„Als ich ihn eben bat, mich durch das Tor zu lassen, hat er das getan und da du ja anscheinend auf ihn geschossen hast, ist es wahrscheinlich voller Rage. Ich würde mich an deiner Stelle in Acht nehmen."
Ich sah zu Percy, die sichtlich schluckte. „Hör auf damit, sie hat nichts getan!"
„Sie ist auf deiner Seite, das reicht schon als Verbrechen", Chase sah mich wütend an. Ich hatte Percy erst seit einer Woche wieder. Nochmal würde ich sie nicht verlieren wollen. „Ich muss mit dir sprechen", sagte Persephone plötzlich. „Mit mir?", fragte ich. „Nein mit Chase. Würdest du kurz mitkommen, bitte?", fragte sie ihn sehr höflich. Chase sah sie misstrauisch an, aber folgte ihr, bevor er dir Haustür erreichte, sah er mich an. „Fang an deine Sachen zu packen."
Er zog meinen Schlüssel aus der Tür und folgte Percy raus.
Ich wollte nicht zurück in die Isolation.

I know you care Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt