⊗Success • 2⊗

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J E O N G G U K
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Ein Zischen entkam meiner Kehle, als das feuchte Tuch mit der Wunde an meinem Bein in Berührung kam. Verzweifelt hielt ich meinen Kopf, der Blick war noch leicht verschwommen. Die Umgebung war für mich nur sehr vage wahrzunehmen.

»Es ist gleich vorbei«, versicherte mir die junge Frau, die mir fürsorglich die Wunde säuberte. Meinen Kopf hatte sie zuvor schon behandelt. Ich war hart aufgekommen, daran konnte ich mich erinnern, als ich vor Hunger ein Stück Fleisch von einem Metzger entwendet hatte und dann geflohen bin. Mein Körper war also wieder der Bewusstlosigkeit verfallen, ein Symptom meiner unbekannten Krankheit. Nichts Überraschendes, aber es war nicht nur lästig, sondern auch gefährlich.

Man hätte mich erwischen können und der Metzger hätte mich wohl selbst zu Fleisch verarbeitet. Hier unten herrschten keine Gesetze. Mord und Gewalt waren gängig. Erneut musste ich aufzischen. Die Wunde brannte höllisch, mein Kopf fühlte sich an, als würde er gleich explodieren. Ich spürte kalte Hände an meinen Waden, als sie die Wunde schließlich mit einem Verband verdeckte.

Dann sah sie mich mit einem mütterlichen Blick an. Ihre Gesichtszüge wirkten weich, hatten etwas Vertrautes an sich. Ein schwarzes Muttermal schmückte ihre Wange, die dunklen Haare waren zu einem lockeren Dutt zusammengebunden. Ich blinzelte mehrmals. »Kannst du dich erinnern, was passiert ist?«, fragte sie besorgt und richtete sich wieder auf. Ich schüttelte den Kopf, auch wenn es halb gelogen war. Ein wenig konnte ich mich schon erinnern, aber die meisten Erinnerungen waberten wie Nebel in meinem Kopf umher. Ich konnte sie weder erfassen noch anderweitig erkennen.

»Wie lautet dein Name? Du kannst mich Natasha nennen.«
Ich schluckte bei der Frage, mein Blick fiel dabei beinahe schon schüchtern zu Boden.

»Jeongguk«, nuschelte ich leise und kratzte an meinen Fingern. Um ehrlich zu sein, wunderte ich mich sehr, warum mich diese fremde Frau von der Straße aufgesammelt und hierher gebracht hatte. Niemand sonst hätte das getan.

Ich sah mich um. Das Zimmer war geräumig. Es standen überall Lampen umher, Ständer, an denen komisch aussehende Beutel mit unbekannten Flüssigkeiten hingen, ein Tablett mit metallenen Instrumenten und etliche Betten mit Vorhängen über ihnen.

Ich selbst saß auf eines dieser quietschenden und heruntergekommen aussehenden Gestelle. Bis auf mich war niemand sonst in der Praxis. Gemütlich war das keinesfalls, aber ich war es gewohnt. Bei mir Zuhause schlief man für gewöhnlich auf dem Boden. Mein großer Bruder hatte nicht einmal eine Decke. Die hatte er mir gegeben, da ich des Öfteren aufgrund meines schwachen Körpers fror.

Der Gedanke, meinen älteren Bruder womöglich nie wiedersehen zu können, versetzte mir einen leichten Stich in die Brust. Irgendwie fühlte sich das Wegrennen doch falsch an.

»Hast du dich irgendwie verlaufen und deine Eltern verloren?«, hakte Natasha weiter nach und nahm dabei sanft meine Hand in ihre. Die Finger waren lang und zierlich, gleichzeitig fühlten sie sich stark an, hatten einen eleganten Eindruck auf mich. Sie sei Ärztin, hatte sie mir erzählt, gleich nachdem ich erwacht und panisch feststellen musste, dass ich mich an einem mir völlig unbekannten Ort befand.

Es überraschte mich, selten fand man Ärzte, die einem so selbstlos halfen und meist verlangten sie nach der Behandlung direkt Geld. Vielleicht war diese Frau nicht anders und sie würde meiner Familie direkt eine Rechnung hinterherschicken, sollte ich ihr sagen, wer sie waren. Im schlimmsten Falle würde sie mir mit dem Tod drohen, wenn wir ihr das Geld nicht aushändigen sollten.

Allein aufgrund des schrecklichen Szenarios schüttelte ich schon den Kopf.
»Ich ... habe keine Eltern. Ich lebe schon seit Jahren alleine«, log ich so überzeugend wie möglich und spielte dabei nervös mit den Fingern. Die Ärztin schien überrascht, die Augen wurden nur noch mitleidiger. Mir gefiel das nicht. Ständig sah man mich aus diesen mitleidigen Augen an und es fühlte sich an, als wäre mein Leben ein Fluch; was es auch war, aber dann war es erst recht nicht nötig, mir das auf diese Weise noch mitzuteilen.

»Ganz allein und das all die Jahre. Du bist tapfer, kleiner Mann«, lächelte sie traurig. Ich hingegen entzog ihr jedoch meine Hände und warf ihr dabei einen vorwurfsvollen Blick zu.
»Ich bin schon neun! So klein bin ich nun auch wieder nicht.« Ein helles Lachen erklang, Hände wuschelten durch meine dunklen Haare.

»Natürlich, Jeongguk, du bist für dein Alter tatsächlich schon sehr reif. Dann wirst du auch sicherlich wissen, dass du dich ausruhen und ein wenig schonen solltest, bevor ich dich freilassen kann. Du hast dir eine schwere Kopfverletzung zugezogen, als du umgekippt bist. Ich würde mir Sorgen machen, würdest du in diesem Zustand gehen.«

Ich senkte den Kopf. Kein Ton kam über meine Lippen. Wenn sie nur wüsste, dass ich auch umkippen würde, hätte ich keine Kopfverletzung.
»Ich bringe dir noch etwas Suppe und eine warme Tasse Tee. Ruh dich solange aus, wie dir beliebt. Ich werde täglich deine Wunden waschen und sie mit neuen Verbänden ersetzen.«

»Wie viel würde es kosten?«, fragte ich kleinlaut und sah die Ärztin beinahe schon dunkel an. Wieso sonst sollte sie das tun, außer um mir Geld aus der Tasche zu ziehen. »Ich habe kein Geld, um diese Behandlung zu bezahlen. Ich möchte nicht in Ihrer Schuld stehen.«

Verdutzt hob Natasha ihre Augenbrauen. »Ich mache das kostenlos, kleiner Mann. Geld ist nicht alles und hier unten leben wir so oder so schon elendig. Einige Menschen benötigen ärztliche Hilfe wie diese und das möchte ich ihnen soweit es geht bieten. Mein Mann verdient anderweitig genug Geld und das so viel, dass es für die Praxis und für das Leben selbst reicht.«

Irgendwie unglaubwürdig für mich und doch hätte ich ihr gerne vertraut. Kostenlos und freiwillig? Sie könnte auch lügen und am Ende würde Natasha doch Geld verlangen. Was soll's, wenn ich doch den Tod finden sollte, dann hätte ich meinem Körper und auch meiner Familie einen Gefallen getan, selbst wenn der Gedanke daran schmerzte. Ich brauchte Essen und in dem Zustand weiterzugehen, würde für mich ebenfalls das Ende bedeuten.

Noch immer drehte sich alles um mich herum und mein Kopf schien sich gar nicht beruhigen zu wollen. Die Müdigkeit lud mich geradezu ein, mich in dieses quietschende Bett zu legen und mich dem traumlosen Schlaf hinzugeben.

»Du kannst mir wirklich vertrauen...«, wisperte Natasha, die meine Müdigkeit bemerkt zu haben schien und half mir, mich vernünftig ins Bett zu legen. Wie es meine Mutter sonst immer getan hatte, legte sie die Decke über mich und strich mir sanft durchs Haar. Meine Brust zog sich immer mehr zusammen und ließ die Tränen in mir aufsteigen. Denn ich musste zugeben, ich vermisste meine Eltern, meinen Bruder, mein Zuhause.

Noch ein letztes Mal hätte ich sie gerne gesehen, sie umarmt und mich vernünftig von ihnen verabschiedet. Das einzige, was ich jedoch hinterlassen hatte, war ein Abschiedsbrief. Mehr nicht.

Und doch wusste ich, dass es kein Zurück mehr gab. Ich hatte diesen Pfad gewählt, um meine Familie zu entlasten und um auf eigene Faust nach einem Heilmittel zu suchen. Denn ich wollte leben wie jeder andere Mensch auch.

Ich hörte, wie Natasha die Tür zuzog und mich allein ließ. Meine Gedanken kreisten noch lange herum, die ersten Tränen liefen über meine Wangen. Und doch fand ich mich schnell im Tiefschlaf wieder, mit roten Augen und einem gebrochenen Herzen.

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𝐄𝐫𝐫𝐨𝐫 𝐑𝐗37ᵏᵒᵒᵏᵛWo Geschichten leben. Entdecke jetzt