7. Rauchwolke

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Man muss sich notfalls jemand mieten,
hat man an Geist selbst nichts zu bieten.

(Heinz Erhardt)

LINA


Die nächtliche Kälte überrascht mich und so gut es unserer Lunge auch tun mag, endlich ein bisschen frische Luft zu bekommen, es bringt alles andere in meinem Körper zur Verzweiflung. „Scheiße ist das kalt", bringt es Tammy trocken wie immer auf den Punkt. „Lina!" höre ich dieselbe tiefe Stimme rufen, die mich vorhin noch hier her zitiert hat.

Vorsichtig streckt Mark seinen Kopf um die Ecke, winkt einmal kurz und wir leisten folge. „Hi", begrüße ich ihn mit einem unsicheren Lächeln. In diesen wenigen Sekunden spielen sich unzählige Gedanken in meinem Kopf ab.

Er reagiert so ruhig, so professionell und abgeklärt. Ob er das schon öfter gemacht hat? Irgendwelche Mädels aus der ersten Reihe in den Backstage begleiten? Wie viele Groupies hat er wohl schon gesehen und betreut? Falle ich überhaupt darunter? Sollte ich mich so bezeichnen? Gehe ich vielleicht sogar als Freund durch? Weiß Mark überhaupt irgendwas?

Bevor ich mich weiter in dieses Loch begeben kann, streichelt er mir einmal kurz über die Schulter und schenkt mir ein warmes Lächeln. Eines dieser Dad-Lächeln, die eine seltsam beruhigende Wirkung haben. „Schön, dich kennen zu lernen. Ich habe schon viel von dir gehört."

„Ehrlich?" rutscht es nicht nur mir direkt über die Lippen. Auch Tammy sieht ihn verwundert an. Ein Bild, welches ihn kurz dazu verleitet, aufzulachen. „Ja, ehrlich", versichert er uns, als er bemerkt, dass seine Reaktion nicht gerade einen ruhigstellenden Effekt hat. Unendlich viele Fragen schießen mir in diesem Moment wieder in den Sinn und gerade, als ich der Versuchung nachgeben will, höre ich, wie sich eine Tür quietschend öffnet.

„Heilige Scheiße, ist das kalt", flucht eine Stimme, die ich bis dato lediglich von einem abendlichen YouTube-Loch kenne. Dass ich mich in ein solches je begeben hatte, würde ich leugnen bis zum bitteren Ende. Es reicht, dass Matthew weiß, wie viele dieser blöden Konzert-Videos ich mir angesehen hatte, als ich ihn mal wieder vermisste.

„Ich wusste schon, warum er mein Favorit ist", kichert mir Tammy ins Ohr und mit offenem Mund sehe ich dabei zu, wie sie ihr Oberteil zurechtrückt und ihre Brüste nochmal ordentlich betont. Die Frage nach Harry verkneife ich mir und sehe lieber dabei zu, wie sie selbstsicher auf den Bassisten zugeht.

„Das könnte interessant werden", spricht Mark mit einem Male meine Gedanken aus und hält mir eine Schachtel Zigaretten unter die Nase. Dankend nehme ich mir eine, warte ab, bis er sich seine angezündet hat und greife nach seinem Feuerzeug.

Unauffällig schlendern wir gemütlich zu den beiden und so sehr ich meine beste Freundin auch liebe, flirten ist einfach nicht ihr Ding.

Bevor sie sich allerdings noch weiter um Kopf und Kragen plappern kann – Ross kam nämlich nicht ein einziges Mal zu Wort – schreite ich ein. „Ihr wart wirklich großartig heute Abend!"

Dunkelbraune Augen treffen auf meine und ich muss Tammy zustimmen. Das Lächeln, welches er mir schenkt ist nicht nur ansteckend, sondern auch wirklich schön. Die kleine Zahnlücke zwischen seinen beiden vorderen Zähnen ist ungewöhnlich attraktiv und auch der Bart des riesigen Mannes gefällt mir gut.

Genüsslich zieht er an seiner Zigarette, bedankt sich freundlich und fragt uns ein bisschen aus. Woher wir kommen, wie lange wir die Musik schon hören. Er horcht uns aus nach Lieblingssongs aus, Künstlern, die wir sonst so hören, was wir beruflich machen und allerhand seichte Fragen. Sein Lachen gefällt mir gut und insgeheim frage ich mich, wieso Matty seine Jungs so lange versteckt gehalten hat.

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