3. Pechschwarz

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❝ „Gott hat die Welt aus Nichts gemacht"
so steht es im Brevier,
nun kommt mir manchmal der Verdacht,
er macht sich nichts aus ihr ...
(Heinz Erhardt)

LINA


„Ach Fuck!" Die Frustration in Mattys Stimme spiegelt meine Gefühlswelt einwandfrei wieder. Wer auch immer hier in meine kleine Bude platzt, ich würde sie am liebsten auf der Stelle erschießen. So eine verfluchte Scheiße!

Hastig hebt Matty sein Shirt auf, was letzte Nacht vor meinem Bett auf dem Fußboden gelandet ist und sich seitdem nicht bewegt hat. Dass er immer noch, naja, vollgeschmiert ist, interessiert ihn dabei wenig. Für so unwichtige Details, wie Körperhygiene ist in einer derartigen Ausnahmesituation auch wirklich keine Zeit. Schließlich stehen wir der Apokalypse bevor.

Das Stimmenwirrwarr habe ich schnell entziffert und es bedeutet nur eines: Verdammte Scheiße! „Okay, du musst hier irgendwie weg."

„Schatz, du wohnst im fünften Stock." Stellt er trocken und leider auch ziemlich überflüssig fest. Habe ich durchaus bemerkt, danke für den Hinweis.

„Dann versteck dich irgendwo, hau dich unters Bett, auf den Kleiderschrank, mach dich unsichtbar. Ist mir völlig Schnuppe, Matthew. Wenn die dich hier sehen, wirst du sie nie wieder los!" Die Tatsache, dass ihn meine Panik so amüsiert, macht mich zwar rasend vor Wut aber das Grinsen, was sich unweigerlich auf meine Lippen schleicht, nimmt mir leider jeglichen Wind aus den Segeln. Also kriegt er nur einen Ellenbogen in die Rippen, nachdem er die Frechheit besessen hat, hinter mir auf zu tauchen und seine Hände auf Wanderschaft zu schicken. „Der Slip muss hoch, nicht runtergezogen werden, man", zische ich und höre bereits, wie sich die Kühlschranktür mit einem Quietschen öffnet.
„Wenn diese kleine Ratte sich über meinen letzten Muffin hermacht, haue ich ihm aufs Maul", flüstere ich eher zu mir selbst und höre Mattys typisches Kichern. „Klappe!" fauche ich ihn an und schiebe ihn einfach in das ans Schlafzimmer grenzende Bad. Duschvorhang sei Dank bleibt er in der Badewanne stehend unentdeckt. Ich hoffe zwar die beiden loszuwerden, bevor sich die doppelte Belastung wie ein Trüffelschwein durch meine verstaubte Wohnung gräbt. Aber Vorsicht ist besser als Nachsicht.

„Vielleicht pennt sie", höre ich Tom von draußen gedämpft sprechen. „Ne aber eine halbe Stunde später hätte sie das vielleicht", flüstert Matty und streckt seinen Kopf hinter dem Vorhang vor. Sein Grinsen ist dreckig und ich muss mich schwer beherrschen. „Länger hättest du's nicht mehr geschafft, was?" kontere ich und grinse mindestens genauso zweideutig in Richtung des Musikers.

Er versucht mir einen beleidigten Blick zuzuwerfen, greift sich theatralisch an die Stelle, an der ich wage ein Herz vermuten würde und fällt in Oscar-reifer Manier zurück gegen die kühlen Fließen. „Sie haben mich schwer getroffen, Miss."

„Klappe jetzt!"

Demonstrativ betätige ich die Toilettenspülung, wasche mir die Hände, was nach unserem kleinen Abenteuer sicher nicht die schlechteste Idee ist und trete aus dem Bad.

„Boah, pfui! Zieh dir doch mal was an, ey, ist ja ekelhaft!" lautet die Begrüßung der kleinen Pest und erst jetzt fällt mir auf, dass ich nur im Slip aus dem Bad gekommen bin. Im Hintergrund bilde ich mir ein, ein erdrücktes Kichern zu hören und muss mich zusammenreißen, dass ich nicht selbst anfange zu lachen.

„Sorry aber man rechnet ja nicht alle Tage damit, dass ihr einfach hier hereinplatzt." Mum, die die kleine Auseinandersetzung bereits gehört haben muss, tritt direkt hinter meinem Bruder ins Schlafzimmer und mustert mich. „Spatz, du hast ja schon wieder ein neues Tattoo."

Verwirrt sehe ich an mir herunter, was meint sie? „Und dann auch noch am Hals? Was ist denn das, das sieht ja schrecklich aus, von hier. Zeig mal her."

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