Rettung

506 22 7
                                    

Ich renne durch den Wald. Es ist lange her, als ich das letzte Mal mit einem Menschen gesprochen habe. Ich weiß noch nicht einmal genau, wann das ganze angefangen hat, doch es kommt mir wie eine Ewigkeit vor. Das Leben zieht sich ein wenig, findet ihr nicht auch? Es ist jeden Tag das gleiche gewesen, doch seit die Zombies unsere Erde überrannt haben, hat sich das Blatt gewendet. Zum ersten Mal bemerken die Menschen, dass sie nicht alles verhindern können. Manche Dinge schreiten unaufhaltsam voran. Die Bullen, die Army, die ganze Welt musste das früher oder später begreifen. Ganz am Anfang, als alles noch fast heil war, verschwanden meine Schwester Laura und meine Mutter raus aus der Stadt. Raus aus Columbus. Ich habe immer noch den Krach im Kopf. Die Schüsse sind in unseren Ohren wiedergehallt. Immernoch sehe ich die vor Angst verzerrten Gesichter meiner Mutter und meiner Schwester. Gruselig. Selbst der erste Moment, der erste sogenannte "Mord" an einem Streuner ist mir im Kopf geblieben. Wie er schrie und wie er stank. Erinnerungen, die immer bleiben werden. Wie ich seinen Kopf mit meinen Springerstiefeln zertrat. Kraftvoll und unbarmherzig.
Heute gehe ich in eine Kleinstadt in der Nähe des Yellow Jacket Creek, um zu plündern. Ungeduldig binde ich meine Zombies an eine nahen Laterne fest. Ich laufe mit Pfeil und Bogen und meinem riesigen Wanderrucksack in den nächstgelegenen Supermarkt und leuchte mit einer Taschenlampe durch die Gänge. Anhand der fast leergeräumten Regale erkenne ich, dass mehrere Leute hier nach Essen gesucht haben. Langsam und leise, um keine Aufmerksamkeit von versteckten Beißern auf mich zu lenken schleiche ich in die dritte Abteilung und sehe gefrohrenes Obst und Gemüse. Schnell packe ich die verbliebenen Tüten ein und stopfe sie eilig in meinen militärgrünen Rucksack. Hungrig und ein wenig verzweifelt laufe ich durch die Getränkes und stelle erleichtert fest, dass noch ein paar Flaschen Bier und Apfelsaft in Sicht sind und packte sie ein. Als ich am Regal mit den Konserven vorbeikomme, muss ich enttäuscht feststellen, dass alles leergeräumten sind und laufe an den Knabbereien wie Chips vorbei. Zum Glück sind ganz hinten im
Regal die letzten Tüten. Das reicht für für ein paar Tage. Ich seufze verträumt, denn ich muss daran denken, als ich den Pizzservice bestellt habe und der mir meine typische Vier-Käse-Pizza gebracht hat. Die hat immer so lecker geschmeckt. In Gedanken laufe ich weiter und sehe noch ein paar weitere Kleinigkeiten, die ich Gierig einsammelte. Plötzlich höre ich ein Geräusch hinter mir. Ein leises Klirren. Leise, dennoch unüberhörbar für mich. Wachsam drehe ich mich ruckartig um. Ich erspähe eine Tüte voller gebratenen Speck und während ich die Packung verstaue, höre ich wieder ein Klirren, diesmal lauter und ein Geräusch, das an einen Atem erinnert. Ich nehme einen Pfeil aus meinen Rucksack und halte ihn in die Hand, doch es ist zu spät. Wie in Zeitlupe fällt das vordere Regal auf mich und hinter ihm befindet sich ein Zombie mit abgebissen Gesicht. Ich falle hart auf den Boden und stöhne vor Schmerz auf. Es fühlt sich an, als würde man mit Nadeln in meine Stirn stechen und ich merke, wie ich allmählich verdammt müde werde. Schnell sehe ich Sternchen und bekomme einen Tunellblick. Der Zombie nähert sich keuchend, findet langsam den Weg zu meinen Gesicht und setzt zum Beißen an. Mich quält der Gedanke, dass ich nichts dagegen tun kann. Das Letzte, was ich sehe ist ein Pfeil, der von der Seite durch den Kopf des Zombies rauscht. Augenblicklich kippt dieser um. Jemand muss hier sein. Mir fallen langsam die Augen zu und von nun an sehe ich nichts mehr. Ich bin ohnmächtig.

Die Einsamen • Daryl DixonWhere stories live. Discover now