Lähmende Angst

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Ich wache später in Daryls Armen auf. Wir befinden uns in seiner Zelle, da, wo sonst nie jemand ist. Er hat mich auf die Seite gelegt und hält mich von hinten fest. Im Bett ist nicht sehr viel Platz, so nah ist ihm bisher keiner von uns gekommen. Seiner ruhigen Atmung zufolge, scheint er zu schlafen, also drehe ich mich so leise wie möglich um und beobachte ihn kurz. Seine braunen Haare hängen ihm im Gesicht und obwohl er insgesamt einen ziemlich ungepflegten Eindruck macht, gefällt er mir einfach. Er hat mir von Anfang an gefallen, aber so sehr wie jetzt noch nie. Obwohl ich bei seinem Anblick ein kleines Maß an Zufriedenheit verspüre, habe ich Angst. Diese Angst ist so groß, dass sie mich bis ins Mark erschüttert. Sie lähmt mich, raubt mir die Wärme. Ich bin eiskalt und angsterfüllt. Es ist eine Art Panik, die meinen Körper zerdrückt, doch mein Herz nicht daran hindert schneller zu schlagen, wenn ich Daryl ansehe. Dieses Gefühl habe ich noch nie gehabt, jemanden bedingungslos zu lieben und über kleine Fehler hinwegzusehen.

"Diana", murmelt er verschlafen, doch ich antworte nicht. Ich schaue ihn einfach nur an, "Geht's dir besser?"
Ich antworte wieder nicht. Stattdessen rollt mir eine einzelne Träne über die Wange. Ich trauere um Michonne, die ich schon für tot erklärt habe, ab dem Moment, an dem ich wusste, dass Merle sie entführt hat. Niemand weiß, was mit ihr geschehen wird und es bringt mich um. Daryl starrt mich einfach nur an. Keine Ahnung, was ich von ihm erwarte, aber was folgt, ist es definitiv nicht gewesen; er küsste mich sanft auf die Lippen, doch ich lasse es nur geschehen. Ich reagiere nicht, die Angst um Michonne lähmt mich. Er küsst meine Unterlippe und dann meine Oberlippe und knabbert sanft an ihnen. Es ist ein eigenartiges Gefühl seine zärtlichen Küsse zu genießen, doch gleichzeitig Angst zu haben. Eine weitere Träne benetzt mein Gesicht.

"Sag doch etwas", bittet er mich, als er aufhört meine Lippen mit kleinen Küssen zu bedecken. Ich antworte nicht. Es fühlt sich an, als hätte es mir die Sprache verschlagen. Es ist, als könnte ich nicht mehr reden, selbst wenn ich wollte. Daryl seufzt einfach nur verzweifelt und richtet sich auf. Er rückt mich zur anderen Seite, um auf der Bettkante sitzen zu können. "Ich weiß, dass du Michonne sehr magst. Aber ich verspreche dir, wir finden Sie und Merle. Ich lasse nicht zu, dass er dir noch mehr leid zufügt als ohnehin schon.", sagt er, "Du musst wohl unter Schock stehen. Ich gehe jetzt zu Hershel und der gibt dir etwas dagegen, damit es dir bald wieder besser geht." Dann steht er auf und lässt mich in seinem Bett liegen. Alles riecht nach ihm, gestern wäre ich noch überglücklich gewesen, aber nun... bin ich taub. Ich liebe Daryl, aber ich mache mir unglaubliche Sorgen um Michonne. Ich schlafe  noch einmal ein unf als ich aufwache, sitzt Hershel auf einem Stuhl vor mir. "Hallo, Liebes.", sagt er, "Geht es dir gut?" Ich antworte wieder nicht. Ich bringe kein Wort über die Lippen, falls es doch so wäre, würde ich ganz deutlich "Nein" sagen. Er schnaubt und fährt fort: "Du bist nicht gerade zart besaitet und doch liegst du so vor mir. Du bist in eine Art Schockzustand, das vergeht aber, versprochen." Ich schaue ihn einfach nur verständnislos an. Mein Mund fühlt sich trocken an und Hershel schaut mich nur nachdenklich an. Mein Blick scheint leer zu sein, obwohl ich das gar nicht will. Ich will ihm keine Sorgen bereiten, doch ich kann nicht. Es ist tatsächlich eine Schochstarre, aus der ich nicht alleine herauskomme.
"Schon so viele Jahre bin ich Tierarzt gewesen, doch ich habe mich immer auch für Menschen interessiert und seit Rick da ist, ist es zu meiner Berufung geworden, Menschen zu helfen. Ich habe mich nachdem meine Frau gebissen wurde auch so gefühlt, ohne es zu merken habe ich alle von mir weggestoßen. Aber die Zeiten sind vorbei für mich. Ich bin für dich da."
Ich mag Hershel, weil wir etwas gemeinsam haben: Wir mögen die Medizin. Ich hätte so gerne fertig studiert...
Gerade als er angestrengt aufsteht und seine Krücke unter sein Arm geklemmt hat, schaffe ich es meinen starren Mund zu bewegen und meine Stimmbänder so zu pushen, dass ein raues, schwaches Flüstern den stillen Raum erfüllt: "Was ist mit Daryl?"
Hershel dreht sich verwundert um.

"Er sucht Michonne und seinen Bruder. Er hat gesagt er erträgt es nicht, dich so zu sehen. Daryl hat dich wohl sehr gern.", sagt er und geht. Ich drehe meinen Kopf und erblicke ein graues Tablett mit Suppe, einem Apfel und Wasser darauf. Ich schaffe es mich aufzurichten und mit zitterten, eisigen Händen die Wasserflasche zu öffnen, um einen kleinen Schluck daraus zu trinken. Ich fühle mich wie erschlagen vor meiner Trauer, sodass ich keinen Hunger habe. Allein der Gedanke daran, was mit Michonne passiert sein könnte, zerschlägt mich innerlich. Ich lege mich erneut hin und starre an die Decke. Eigentlich bin ich nie jemand gewesen, der schnell katatonisch geworden ist. Das konnte ich mir nie leisten.

Ich schlafe wieder ein, meine Energie ist verloren, bei Michonne wahrscheinlich. Es ist, als hätte ich sie ihr gegeben, um entwischen zu können.

Nicht lange später wache ich wegen einem Geräusch auf. Nun etwas wachsamen öffne ich die Augen und schaue mich kurz um. Diesmal bin ich in meiner Zelle, was bedeutet, dass Daryl wieder zurück ist, vielleicht sogar mit Michonne. Ich merke, wie sich ein warmes Gefühl in meinem Körper breit macht, gemischt mit Adrenalin. Ich erinnere mich daran, wie schön es sich angefühlt hat, von Daryl geküsst zu werden und setze mich auf. Es scheint Nacht zu sein, denn es ist fast ganz still, außer eine schniefende Nase nebenan. Das schlimmste befürchtend stehe ich auf.

Ist Michonne doch tot? Wurde sie gebissen?

Leise verlasse ich meine Zelle und schreite zur schräg gegenüberliegenden, der von Daryl. Von dort kommt das Geräusch, das Schluchzen. "Daryl?", flüstere ich besorgt, doch erhalte keine Antwort. Als ich hineingehe, sehe ich ihn in seinem Bett liegen. Daryl liegt auf der Seite und weil er kein T-Shirt trägt, fallen mir die schreckliche Narben auf seinem Rücken auf.

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⏰ Last updated: Apr 09, 2017 ⏰

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Die Einsamen • Daryl DixonWhere stories live. Discover now