Ich stand noch kurz da und bemerkte zuerst gar nicht, wie Daryl schwerfällig zu mir lief und sich dabei das Tuch vom seinem Mund nahm. Er lächelte nicht mehr, sondern schaute mich ernst an. "Hey.", sagte er leise und ich wusste, worauf das hinauslief. Dennoch spielte ich mit. "Was gibt's, Daryl?", fragte ich so selbstbewusst wie möglich, denn in Wirklichkeit schüchterte diese Situation mich ziemlich ein. "Ich will mit dir reden. Du weißt, über das, was vor ein paar Tagen passiert ist.", meinte Daryl. "Was soll ich dazu sagen...?", fragte ich verunsichert. Daraufhin meinte er entschlossen: "Du musst schonmal gar nichts sagen. Wenn jemand etwas sagen sollte, dann mein Bruder, aber du weißt wahrscheinlich wie er ist. Er würde niemals um Verzeihung bitten." "Das will ich auch gar nicht von ihm, da ich ihm sowieso niemals verzeihen könnte.", entgegnete ich etwas schroff. "Das verlangt auch keiner von dir. Ich will nur, dass du eines weißt: Es tut mir leid.", meinte er zu Boden schauend. "Du weißt nicht, wie das ist, oder? Niemand kann sich auch nur im Geringsten vorstellen, was ich durchgemacht habe. Ich hatte nächtelang Albträume, Paranoia alles mögliche... Alles dank deines Bruders!", erzählte ich panisch. "Ich weiß. Und ich kann verstehen, falls du mir nicht mehr in die Augen sehen kannst, falls du meinen Bruder immer wieder in mir siehst...", fing er an, doch ich unterbrach ihn. "Ernsthaft jetzt? Glaubst du wirklich ich wäre so dumm? Nein, Daryl. Ich sehe nicht deinen Bruder in dir. Das einzige, was ich sehe ist ein wunderbarer Mensch! Ich weiß nicht, wann du das endlich begreifst, aber ich habe es schnell begriffen. Wieso vergleichst du dich mit Merle?", schrie ich. "Ich vergleiche mich nicht mit Merle, sondern mit meinen Vater! Der Vater, der mich und Merle jahrelang mit dem Gürtel gepeitscht, uns geschlagen, sich jeden Tag besoffen hat! Der Vater, wegen dem ich mit acht in den Wald geflohen bin! Der Mensch, der mir jeden einzelnen Tag zur Hölle gemacht hat!", schrie er zurück. "Hör auf, Daryl.", befahl ich ihn so ruhig wie möglich, "Hör auf dich mit ihm zu vergleichen! Lass es einfach, okay? Das bringt nichts. Du bist anders, etwas besonderes. Verstehst du das nicht? Muss ich es dir zuerst zeigen?"
"Zeigs mir. Beweis es mir. Ich will deinen kläglichen Versuch scheitern sehen. Dann hab ich den endgültigen Beweis. Wenn ich gehen würde, würde mich niemand vermissen.", antwortete er ernst. Ich blinzelte meine Tränen weg. "Hör auf. Ich kann es dir zeigen. Versprochen. Schließe die Augen.", sagte ich. Er verdrehte die Augen, anstatt sie zu schließen und ich warf ihn daraufhin einen genervten Blick zu: "Tu es einfach." Daraufhin schloss er seine blauen Augen und ich kam mit meinem Gesicht näher. Bist du dir sicher, dass du das tun willst? Was ist, wenn er es schlimm findet?
Ich schüttelte die Gedanken ab und schloss auch meine Augen, stellte mir vor ich wäre woanders. An einem Ort, an dem das alles viel romantischer wäre, wo es nicht nach verbrannten Leichen stank. Ich kam immer näher und war überzeugt davon, dass er wusste, was gleich passieren würde. Ich konnte seinen Atem auf meiner Haut spüren genauso wie meinen Herzschlag in meinem Brustkorb. Jetzt war es soweit. Unsere Lippen berührten sich sanft und ich merkte, wie sich seine leicht öffneten. Ich tat es ihm gleich. Wir küssten uns eine Minute etwas inniger und ich merkte, wie er seine Hand auf meine Taille legte und ich meine Hände um seinen Nacken.
Alles um uns herum schien nicht mehr zu existieren und wir genossen unsere vorsichtigen Küsse. Komischerweise war das mein bester Kuss bis jetzt. Das kam unerwartet, da wir uns mitten in einer Apokalypse befanden und ich mir romantischere Ort vorstellen konnte, doch das brauchte ich nicht. Das einzige was ich brauchte war Daryl. Das war mir jetzt endgültig klar.
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Die Einsamen • Daryl Dixon
FanfictionDiana Andrews versucht seit dem Ausbruch des Viruses das Leben unter den Toten zu meistern. Sie ist ein gebrochenes Mädchen, das glaubt niemand zu haben und niemanden je wieder lieben zu können, bis sie nicht auf den kühlen Redneck mit dem Herzen au...