10. Die Nacht

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Es ist 21:57 als du am Afterlife ankommst. Der Türsteher steht wieder an der Tür. Ihr kennt euch. Trotzdem schiebt er seine Sonnenbrille wieder mit dem Finger auf die Nasenspitze. Er schaut über die Brille hinweg und begutachtet dich von oben bis unten.

Bis er dich anspricht: "Wieder da?" 

Du antwortest nicht weniger schlagfertig: "Immer noch mit Sonnenbrille bei Nacht?" 

Er rümpft die Nase, ein grummeliges "Hmm" lässt er verlauten. 

Als er sich wieder aufbaut, fragst du: "Darf ich?"

Er tritt zur Seite, beachtet dich nicht mehr. Dir kommt es vor, als ob sich in diesem eisernen Gesicht ein kurzes Lächeln löst, doch es verschwindet genauso schnell wieder.

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Du trittst ein, der Club füllt sich gerade. Heute scheint ein anderer DJ da zu sein. Es ist weniger basslastig, dafür vernimmst du mehr E-Gitarren; heute scheint Metal-Tag zu sein. Bei genauerem Hinhören erkennst du die Band. Das sollten The 69 Eyes sein. Also doch kein Metal, eher Gothic-Rock, aber trotzdem gut.

Du schaust dich um, alles sieht noch genauso aus, wie du es in Erinnerung hast. Die Tanzfläche füllt sich immer mehr. An der Bar wurde gerade ein Platz frei, das musst du ausnutzen. Kaum hast du dich hingesetzt, kannst du June erkennen. Sie steht am anderen Ende der Bar. Im Augenwinkel hat sie dich bemerkt. Sie hebt den Zeigefinger, ohne sich umzudrehen, dass du es weißt und bedient erst zu Ende. Dann kommt sie zu dir.

Schwungvoll huscht sie zu dir an den Tresen. "Naaaa, die Four Hourseman gut verdaut?"

Diesmal gibst du dich selbstsicher: "Klar!" 

Sie lächelt dich an, sieht sie das etwa als Herausforderung? "Also Lust auf was Neues?"

Du musst überlegen und bringst nur ein: "Hmm..." heraus. 

Sie schaut dich genau an und beobachtet dich, überlegt, wie du dich verhältst. Dann kommt sie zu einer Erkenntnis: "Irgendwas ist anders..." 

Durchaus kommt dir in den Sinn, du sagst aber nur: "Ja..." 

Weiter kommst du nicht, da fällt sie dir ins Wort: "Nein, nichts sagen. Du bist nicht mehr so niedergeschlagen, aber trotzdem stimmt etwas nicht." Da scheint sie eine Idee zu haben: "Ich glaube, ich weiß, was ich dir mische." Sie dreht sich um, überlegt kurz, dann wirbelt sie wieder mit Flaschen umher und filetiert danach eine Ananas. Sie scheint zu spüren, dass du sie beobachtest: "Keine Panik, die ist nur für die Deko..." 

Du musst lachen: "Alles klar. Ich muss dich noch etwas fragen. Wegen der Frau, die verschwand."

Im nächsten Moment hört sie auf, die Ananas zu schneiden, hebt den Kopf und starrt die Flaschen in der Bar an. Dann schneidet sie weiter. Sie drapiert die Ananas am Glasrand und stellt das Glas auf eine Serviette direkt vor dir.

Sie schaut dich an. "Bitte schön. The Painkiller!" 

 Etwas skeptisch schaust du sie an. "Soll mir das was sagen?" 

Sie muss lachen: "Haha, je nachdem wie die Nacht hier verläuft." 

Dann weißt du, wie sie das meint. "Verstehe. Um nochmal auf die Frau zu kommen..." 

"Tut mir leid, aber da hinten wartet ein Gast, mit einer Bestellung." Sie zwinkert dir zu und blickt ganz kurz, mit großen Augen, auf dein Glas. Danach dreht sie sich weg und geht zum nächsten Gast.

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