Das Hotel - Part 1

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"Sagst du es mir heute endlich?", bettelte ich Minho nun schon zum hundertzweiunddreißigstenmal an. Mittlerweile antwortete er gar nicht mehr auf diese Frage. "Ach, komm schon! Das ist super gemein von dir!", quengelte ich noch hinterher. Er blieb hart. Den Weg bis zum Auto schlurfte ich hinter ihm her und machte immer wieder unzufriedene Geräusche, was ihn aber einfach nicht störte. Er öffnete den Kofferraum und hob unser Gepäck hinein. Die Klappe fiel ins Schloss und er spazierte nach vorn, wo er einstieg. Wehleidig lief ich ums Auto herum und ließ mich mit einem nun etwas genervten Stöhnen auf den Sitz fallen, um dort weiter zu schmollen. "Bist du sicher, dass du alles eingepackt hast?" - "Hm.", murrte ich mit vorgeschobener Unterlippe zurück. "Ich glaube, das hieß 'ja'.", entschied er und startete den Motor. Während er schon einige Tage vor Abfahrt gepackt hatte, hatte ich erst gestern Abend alles wild in den Koffer gestopft, was ich in unsere Flitterwochen mitnehmen wollte. Minho machte so ein Geheimnis daraus, wo es hinging, dass ich einfach gar keine Ahnung hatte, was ich überhaupt einpacken sollte. Die einzige Aussage von ihm war: "Wir bleiben im Land.", sodass ich immerhin wusste, wie das Wetter wird. Unser Ziel hätte alles sein können! Strand, Berge, Camping, Nobelhotel, Tierheim voll süßer Katzen...


"Wann hörst du denn auf, zu schmollen?", fragte er, nachdem ich die erste Viertelstunde der Fahrt noch immer nichts gesagt hatte. "Du bist gemein.", sagte ich ihm nur und verschränkte die Arme vor der Brust. "Wieso willst du es denn unbedingt wissen? Lass dich doch einfach überraschen!" - "Gemein.". Er schüttelte den Kopf und konzentrierte sich auf die Straße. "Ge-mein!", wiederholte ich noch einmal und entlockte ihm ein leises Lachen. Ich zog mein Handy aus der Hosentasche und schrieb in den Gruppenchat mit Chan und Felix: "Minho ist gemein. Sagt mir nicht, wo es hingeht!". Kurz nachdem ich den Bildschirm gesperrt hatte, ertönte mein Handy und ich las mir Chans Antwort durch: "Du wirst es mögen!". Moment mal. "Du hast Chan verraten, wo wir hinfahren, aber nicht mir?!", protestierte ich ungläubig. "Jap.", bekam ich als Antwort und ich wettete im Stillen darauf, wem er noch alles von unserem Zielort erzählt hatte. "Hast du es allen erzählt außer mir?", wollte ich von ihm wissen. "Nur Chan, Felix, deinen Eltern, meinen Eltern, dem Nachbarn von unten, dem Postboten, meinem Friseur und der Tante vom Lieferservice.", zählte er scherzhaft auf und ich schmunzelte. "Gemein.", betonte ich erneut und er legte seine Hand auf meinen Oberschenkel. "Willst du es unbedingt wissen? Dann sage ich es dir.", bot er mir an, doch nun wusste ich nicht so wirklich, was ich sagen sollte. Ich wollte es die ganze Zeit wissen, aber jetzt, wo er es mir anbot, wollte ich mir die Überraschung doch nicht mehr kaputt machen. "Nein, ich halte jetzt die paar Stunden noch aus.", antwortete ich ihm und streichelte zärtlich seine Hand.


Endlich rollte unser Auto auf den gepflasterten Parkplatz und ich konnte mir ein erstes Bild vom Hotel machen. Es wäre untertrieben, wenn ich sagen würde, dass es verdammt nobel und teuer aussah. Das Gebäude an sich war zwar nicht allzu riesig, aber man legte hier anscheinend so viel Wert auf das Erscheinungsbild, dass ich davon ausging, dass hier jedes herunterfallende Blatt noch im Flug gefangen und weggeworfen wurde. Jeder Kieselstein schien in Reih und Glied zu liegen und die Pflanzen am Wegesrand trauten sich vermutlich schon gar nicht mehr, krumm zu wachsen. Und dann stieg ich aus dem Auto, in meinen ripped Jeans und mit Schlabberpullover. Toll. Ich würde bestimmt Gesprächsthema Nummer 1 sein. "Habt ihr den gruseligen Typen im Schlabberpulli gesehen? Der ist bestimmt kriminell.", hörte ich es schon in meinem Kopf. Ich öffnete den Kofferraum und hob unser Gepäck raus, was Minho mir sofort abnahm. Ziemlich eingeschüchtert, folgte ich ihm und verkrümelte mich in seinem Windschatten. Er passte hier irgendwie perfekt rein, aber ich kam mir gerade doch etwas fehl am Platz vor. Wir schritten durch die Doppeltür und betraten somit das Hotel. Alles hier sah super edel aus. Alte Möbel, die bis ins kleinste Detail aufgearbeitet wurden, schmückten den Empfang. Hinter dem Tresen saß eine zierliche Frau, die uns bereits von Weitem anlächelte. Zielstrebig lief Minho vorweg und wir wurden begrüßt: "Guten Tag! Was kann ich für Sie tun?". "Guten Tag. Lee, ich hatte reserviert.", sagte er, nachdem er den Koffer neben sich losgelassen hatte und mich an der Hand nahm. Die Empfangsdame tippte auf der Tastatur herum und während ich sie unauffällig dabei beobachtete, fiel mir das Halsband auf, das sie trug. Schmales, schwarzes Leder und an der Vorderseite ein Ring. Okay, das war merkwürdig. Ich schüttelte verwirrt meinen Kopf und versuchte nicht allzu viel hinein zu interpretieren. "Ihr Zimmer ist im ersten Obergeschoss, es ist die Nummer 4. Möchten Sie, dass Sie jemand begleitet?", fragte sie und Minho versicherte ihr, dass wir den Weg finden würden. Entschlossen zog er mich hinter sich her zum Fahrstuhl, in den wir einstiegen und den metallenen Knopf mit der Eins drückten. Sobald sich die Türen geschlossen hatten, sagte ich leise: "Die hatte ein Halsband um, hast du das gesehen?!" und Minho nickte nur. Okay, anscheinend war ich weitaus überraschter als er. Die Tür des Fahrstuhls öffnete sich und das Paar, was vor der Tür stand und einsteigen wollte, machte uns Platz und grüßte uns leise. Nachdem wir an ihnen vorbeigelaufen waren, drehte ich mich noch einmal kurz um und vergewisserte mich, ob ich das gerade richtig gesehen hatte. Ja, der Mann führte seine Partnerin an einer Leine in den Fahrstuhl. "Minho, wo genau sind wir hier?", flüsterte ich ihm mittlerweile extrem verwirrt zu. Stumm lief er den Flur entlang und wies mit seiner Hand auf die Tür: "Bitte, nach dir!".


Unsicher umklammerte ich die Klinke und zog die Tür auf. Ich trat ein und auf den ersten Blick schien es irgendwie doch normal zu sein. Ich schlüpfte aus meinen Schuhen und stellte sie ordentlich nebeneinander. Minho schloss leise die Tür hinter sich und trat an meine Seite. "Wir haben Schlafzimmer, Bad mit Wanne, Sitzbereich mit Sofa, eine kleine Küche und einen Spielbereich.", zählte er auf. "Spielbereich?!", wiederholte ich den letzten Punkt seiner Aufzählung und er schob mich mit seinem Arm um meinen Rücken weiter in die Suite. Nach dem kleinen Flur folgte ein Ess- und Wohnbereich. Großes Ledersofa, ein etwas komisch geformter Sessel, Tisch und Stühle, ein Kamin, für den es mittlerweile leider zu heiß war. Soweit, so gut. Nebenan befand sich eine kleine Küche und ich beschloss schonmal für mich selbst, dass wir nicht selbst kochen sondern hier im Restaurant des Hotels essen würden. Die Küche war ein Durchgangszimmer und führte ins Bad, in dessen Mitte eine freistehende Wanne direkt zum Baden einlud. Ich drehte um und lief wieder in den kleinen Flur zurück, um durch die zweite Tür zu laufen, die in die andere Richtung der Suite führte. Hinter ihr befand sich das Schlafzimmer. Ein riesiges Bett stand dort und ließ ein mulmiges Gefühl in meinem Bauch entstehen. Kopf- und Fußende sahen sehr speziell aus. Das Bettgestell war aus dunklem Metall, hatte hier und da Ösen und das hohe Fußende hatte drei runde Öffnungen. Außen zwei Kleinere, in der Mitte eine Größere. Ich warf Minho einen fragenden Blick zu, doch der hatte mal wieder nur seinen Blick aufgesetzt, dass hier alles ganz normal sei. Ich drehte mich nach rechts und sah durch den Torbogen in den Bereich, den Minho so nebenbei erwähnt hatte. Meine Kinnlade klappte auf und ich brauchte ein paar Sekunden, um weiterzugehen.


Ich trat in den letzten Bereich der Suite und sah mich um. Das Zimmer war ein wahres Wimmelbild, denn egal, wo ich hinsah, ich entdeckte immer mehr. Schwere Holzbalken, wie bei einem Fachwerkhaus, waren an den Wänden und daran angebracht waren mehrere Ösen. Ein Stahlkäfig stand im Raum, noch dazu ein riesiges Andreaskreuz. Direkt mir gegenüber prunkte ein schwerer Ledersessel, der auf einem dunklen Podest stand. Eine Liege und ein komischer Bock waren der Abschluss des Ganzen. Fassen wir zusammen: Am Empfang sitzt eine Frau mit Lederhalsband, im Flur begegnet uns ein Paar, von dem einer an der Leine geführt wird und in der Suite finden wir Ösen, Käfig und ein fragwürdig aussehendes Bett vor. Und obwohl das alles so offensichtlich schien, kapierte mein Hirn noch immer rein gar nichts. "Gefällt es dir?", fragte Minho fröhlich und ich sah ihn mit meiner gesamten Verwirrung an. "Ich.. Naja, also... Es ist genauso schön wie merkwürdig.", brachte ich es auf den Punkt und wartete auf eine Erklärung, die ich natürlich mal wieder nicht bekam. Mein Mann drehte um und stiefelte in den Flur, aus dem er unseren Koffer holte. Mit Schwung hob er ihn aufs Bett und öffnete den Reißverschluss, um auszupacken. "Kannst du mir mal bitte eine Erklärung geben?!", forderte ich ihn auf und er sah mich an. "Na, aber das ist doch selbsterklärend.", meinte er und ich hätte ihn am liebsten geschüttelt und ihm an den Kopf geknallt, dass ICH es nicht ganz so selbsterklärend fand, all diese Dinge in einem Hotel vorzufinden. Er stellte sich aufrecht hin und fragte, was genau ich denn hören wollte und ich antwortete ihm, dass ich nicht verstanden hatte, wo genau er mich hingebracht hatte. "Wonach sieht es denn für dich aus?", meinte er und ich sagte: "Aussehen tut es nach einer BDSM-Wohnung ganz nach deinem Geschmack.". Er nickte und sagte: "Ja, nur, dass das hier nicht unsere Wohnung sondern ein Hotel ist. Wir sind in einem BDSM-Hotel.". ___________________________________________________________________________

"Be a good boy." - Teil 3 || MinsungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt