Kapitel 2

168 7 0
                                    

Mit einem Gähnen schlurfte Milly den gepflasterten Weg entlang. War keine gute Idee gestern noch bis 03:00 Uhr zu zocken... Sie hatte fast ihren spätesten Wecker verschlafen und musste dann gleichzeitig Zähne putzen und dieses Gott verdammte Gedicht abschreiben.
Sie hatte wirklich Glück das sie immer noch gut in der Zeit war.

Ihre müden Augen streiften mit Hoffnung darauf, den alten Mann wieder zu sehen, nach vorne.

Und da stand er: mit zurück gekemmten Haaren und einer Zigarette zwischen den Lippen. Diesmal sah sein Gesicht nicht so angestrengt aus wie gestern.

Ihn nur zu sehen hieb Millys Laune gewaltig. Fröhlich schlenderte das junge Mädchen rüber und lächelte ihn an. Als er endlich her schaute sagte er in einem freundlichen Ton hallo.

"Guten Morgen." Entgegnete Das blonde Mädchen und setzte sich wie gestern auf die Bank. Mit diesen drei Wörtern war alles gesagt und Milly Ruben fühlte sich wie das glücklichste Mädchen der Welt.

Als der Bus endlich kam, stiegen die beiden ein und leider waren sie nicht so nah aneinander wie letztes Mal.

Hin und wieder blickte Milly verstohlen zu dem Mann und einmal trafen sich ihre Blicke sogar.

Doch den Augenkontakt brach Milly auch sofort wieder, zu schüchtern um ihn noch weiter anzuschauen.
Milly stieg aus dem Bus aus und lief zu ihrer Schule.

Vor dem Unterricht gab sie das Gedicht an Hr. Swarm ab. Er schaute das Blatt Papier selbstgefällig an und schickte sie wieder auf ihren Platz.

Deutsch streckte sich unendlich lang und Mathematik erst recht. Während alle anderen miteinander redeten und nicht auf den Unterricht aufpassten saß Milly aufrecht auf ihrem Platz und versuchte sich so gut wie möglich auf ⅝+7x=¾-6x zu konzentrieren.

Sie wollte es nicht zugeben, doch sie war sehr einsam. Sie entkam der Einsamkeit immer wenn sie mit ihren Freunden oder ihrer Familie Spaß hatte, doch die Einsamkeit hatte sie komplett umhüllt und ihre Geliebten waren nur ein leichter Kratzer gegen eine Felswand. Sie fraß sie immer weiter auf während fünfundzwanzig Kinder um sie herum witzelten und sie langsam in den Wahnsinn trieben.

Der Bleistift kratzte über das schneeweiße Blatt und formte zwei händehaltende Figuren. Eine größer als die Andere.

Das blonde Mädchen schaute sich in der Klasse um. Die meisten hörten dem Lehrer nicht zu und waren heimlich am Handy oder lachten wie Pferde.

Milly drehte ihren Kopf wieder nach vorne. "Weiß jemand die Antwort?" Fragte der Lehrer. Niemand hob seine Hand.

Bis auf Milly. Der genervte Lehrer seufzte und rief sie auf. Als Milly die Antwort sagte, lächelte er müde. "Richtig." Ein Lächeln blühte auf Millys leicht gebräuntem Gesicht auf.
Die schwere Einsamkeit löste sich von ihr für einen Moment und sank langsam auch wieder auf ihren alten Platz.

Um 11:32 Uhr schlenderte Milly mit ihrem Rucksack in den Kunstraum.
"Guten Tag, Fr. Sallow." Milly lächelte die kleine Lehrerin an und setzte sich auf ihren gewöhnlichen Platz. "Guten Tag." Die rothaarige Frau lächelte sanft.

Fr. Sallows Klassenzimmer war voller Bilder, welche sie selber gemalt hatte. Meist schöne, aber doch einsame Häuser mitten im Nirgendwo.

Die letzte Schulstunde verging ziemlich entspannt, bis Milly merkte das sie gar keine Malsachen dabei hatte. "Uh... Fr. Sallow? Ich hab keine Wasserfarbe dabei..."

"Dann... Frag jemand anderen ob du deren Farben haben kannst, aber morgen nimmst du bitte deine eigenen Sachen mit." Das blonde Mädchen nickte, "Selbstverständlich, danke."

Als es dann endlich um 13:00 Uhr klingelte, verließ Milly das graue Gebäude während sie sich von der Lehrerin und ein paar Klassenkameraden verabschiedete.

Zuhause angekommen, zog Milly ihre Mary Janes aus und stellte sie ordentlich in das Schuh Regal.

"Milly..." Überrascht schoss Millys Kopf hoch und sie schaute in die hellbraunen Augen ihrer Mutter. "Oh, Hallo, ich hab dich gar nicht gehört. Warum bist du nicht im Krankenhaus? Hast du frei?"

Ihre Mutter schaute betrübt zu Boden. "Ich hab mir heute frei genommen..." Milly runzelte die Stirn. "Ist alles okay?" Die schwarzhaarige Frau wischte ihre blassen Hände and ihrem Rock ab und schaute ihrer Tochter tief in die Augen. "Papa besucht uns morgen wieder, er sagte er wolle dich sehen... "

Millys Augen wurden groß und sie ließ ihren Rucksack fallen. "Was..?" Als er das letzte Mal hier war, war ich 9. Jetzt bin ich 15. Er und Mom haben sich nach knapp acht Jahren Ehe geschieden. Er hat uns dann noch einmal an Weihnachten besucht, aber danach nie wieder... Bis jetzt.

"Ich will ihn nicht sehen!" Zischte Milly in einem aggressiveren Ton als sie eigentlich wollte. Sie liebte ihre Mutter und wollte sie nicht wegen so einem Idioten anschreien.

"Aber Milly..."

Die Blondine schnappte sich angespannt ihren Rucksack und verschwand in den 1. Stock.

Wenn er mich sehen wollen würde, dann wäre er erst gar nicht gegangen.

Mit einem dumpfen Geräusch ließ sich Milly auf ihr Bett fallen und ließ die trüben Gedanken ihr Wesen erfüllen.

Morgen ୨ৎ RoutineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt