Letztendlich bewegte ich mich zu dem kleinen Fenster, öffnete es und entfernte die Klappläden. Vor mir lagen Bäume. Große, grüne Tannen soweit ich blicken konnte. Nur der blaue Himmel blitzte ab und zu hervor. Ein Wald. Ein Wald, der so weit war, dass man sich leicht verlaufen konnte. Keine Menschenseele weit und breit, kein Autolärm. Allerdings fielen mir zwei schwarze Autos auf, die vor der Haustür standen. Innerhalb von nur wenigen Sekunden öffnete sich die Tür, was mich kurz zusammenzucken ließ. Fremde Männer traten aus dem Haus. Sechs Unbekannte, bis mir auch der Blonde auffiel. So schnell ich konnte griff ich nach dem Fenster und schloss es. Allerdings nicht ganz, denn dieser Knall würde die Aufmerksamkeit der Männer auf mich locken und ich sollte mich so leise wie möglich verhalten.
''Ihr seid sicher, dass euch niemand dabei beobachtet hat oder beobachten wird?'' Eine geheimnisvolle Stimme fiel mir auf. Er redete leise, aber dennoch so laut, dass es bis zu mir durchdrang.
''Ziemlich sicher.'', antwortet einer, dessen Stimme mir bekannt vorkam. Er schien einer der Männer zu sein, denen ich im Kino begegnet war. Als meine Gedanken wieder zu dem Abend wanderten, spürte ich, wie sich meine Muskeln wieder anspannten. Der Schock war noch immer in jeder Faser meines Körpers versteckt.
''Gute Arbeit.'' Eine weitere unbekannte Stimme war zu hören, ehe ich wenige Sekunden später mehrere Autotüren zuknallen hörte. Ein Motor startete und kurz darauf hörte ich, wie sich ein Auto immer weiter entfernte, bis das einzige Geräusch, dass ich mit der Außenwelt verband, auch verschwunden war. Ich setzte mich auf den Holzboden und zog meine Beine an meinen Körper. Schritte schienen mir wieder näher zu kommen, Schritte von mehreren Personen. Mein Blick war auf die Tür gerichtet, die sich jeden Moment öffnen konnte. Ich würde abhauen. Mich an den unbekannten Leuten vorbei drängen und so schnell aus diesem Haus rennen, wie das mit meinen Rückenschmerzen möglich war.
Ein Quietschen ertönte, weswegen ich mich wieder aufstellte. Meine Finger klammerten sich an die Fensterbank, als sich drei Männer in mein Zimmer begaben. Mutig blickte ich alle nacheinander an. Ohne ein Wort zu sagen blickten sie mich an, bis ich mich von der Fensterbank entfernte. ''Kann ich jetzt was zu trinken haben?'' Meine Stimme klang kratzig, weswegen ich mich räusperte, was allerdings nichts änderte.
''Treppe runter, dann links.'' Wieder diese bekannte Stimme von draußen. Ein großer Mann mit dunklen Haaren sprach. Braune Augen durchbohrten meine Blauen, was mich etwas einschüchterte. Dennoch ging ich an den Dreien vorbei. Ich wusste, dass sie mir folgten, dennoch war ich fest davon überzeugt, aus der Haustür verschwinden zu können.
Mit jedem Schritt knarrte das Holz unter meinen Füßen, meine Handflächen kribbelten, als ich mich der Tür näherte. Meine Flucht musste einfach gelingen. Ich wollte nicht länger als nötig bei Kriminellen unterkommen. Ich musste es einfach schaffen, so schnell zu sein, dass ich mich irgendwo verstecken konnte.
Zur Ablenkung schaute ich mich um. Ein großes rotes Sofa stand in der Mitte des Raumes, ein passender Teppich war aufzufinden, ehe ich durch einen Durchgang in die Küche schauen konnte. Die Schränke waren in dem selben Holz angefertigt, wie das ganze Haus. Selbstgemacht? Meine Augen wanderten wieder zu den drei Personen hinter mir, die jede Bewegung verfolgten, doch auch das ließ mich meinen Fluchtversuch nicht vergessen. Unauffällig legte ich meine Hand auf den Türgriff, drückte ihn leicht nach unten und zog mit aller Kraft daran. Mein Herz schlug mir gegen meine Brust, als ich sie schnell ganz aufriss und raus rannte. Ich rannte so schnell, wie ich es noch nie gekonnt hatte. Alles, was um mich herum passierte blendete ich aus. Mein Blick war nur auf die Strecke vor mir gerichtet, auf der Suche nach einem Ausweg. Ich spürte, wie ich langsam an meine Grenzen kam, meine restlichen Sinne schalteten sich wieder ein und ich bemerkte schnelle Schritte hinter mir. Außer Atem versuchte ich meine Schritte wieder zu verschnellern, allerdings schien mein Körper mir zu widersetzen und wurde immer langsamer. Plötzlich schlangen sich zwei starke Arme um meine Hüfte und rissen mich von meinen Füßen. Fremder Atem streifte meine Wange, während mir Tränen in die Augen stiegen. Ich hatte es nicht geschafft. Ich konnte meinen Plan nicht umsetzen, war immer noch in den Händen meiner Entführer.
''L-lass mich einfach gehen.'', schluchzte ich, als ich zitternd mein Gleichgewicht verlor und drohte auf den dreckigen Boden zufallen. Nur die Arme, die um mich geschlungen waren ersparten mir ein weiteres Meeting mit dem Boden. Der Kriminelle hinter mir sagte kein Wort, legte einen seiner Arme um meine Beine, bevor er mich hochhob. Die Tränen verhinderten es mir, einen genauen Blick auf ihn zu werfen, allerdings fielen mir seine unglaublich blonden Haare auf. Ich griff nach seinem Arm, der sich in meiner Kniekehle befand, versuchte ihn wegzudrücken, was mir allerdings nicht gelingen wollte. Ich erntete nur ein herablassendes Glucksen des Blonden.
Ich war ihnen immer noch ausgeliefert. Allein. Irgendwo im Nirgendwo.
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Hard Times
RandomWas wäre passiert, wenn Lena an jenem Abend nicht im Kino gewesen wäre? Was wäre, wenn sie diesen Plan, der einigen Leuten innerhalb von nur wenigen Momenten das Leben nehmen könnte, nicht entdeckt hätte? Was wäre, wenn sie diesen schwarzen Männern...