Kapitel 19

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Angestrengt überlegte ich, was zu tun war, während die drei Fremden noch immer in der Küche standen und irgendwas besprachen. Ich brauchte irgendwas, mit dem ich mich verteidigen konnte, denn mittlerweile war ich mir ziemlich sicher, dass sie mich suchten. ''Sie ist durch die Tür abgehauen. Ihr zwei sucht in unmittelbarer Nähe nach ihr. Ich geh nach oben. Benutzt ruhig eure Waffen, wenn sie nicht gehorchen will.'' Waffen. Das war's doch. Ich brauchte die Waffe, die Marco mir gegeben hatte. Allerdings lag diese noch im Schlafzimmer. Aber nicht in dem Schlafzimmer, in dem ich immer schlief. Nein. Ich war mir ziemlich sicher, dass sie auf dem Sessel des zweiten Schlafzimmers lag. Irgendwie musste ich es schaffen, nach oben zu kommen, ohne dass sie mich sehen würden. Aber wie?

Ich lauschte den Schritten, die sich aus der Küche bewegten. Erst als ich mir sicher war, dass einer der drei Männern die Treppe hinter sich hatte, kam ich aus meinem Versteck und huschte an das untere Ende der Treppe. Ich erkannte noch schwarze Stiefel, die in das Schlafzimmer verschwanden, in dem Marco noch immer schlief. Mist.

Schnell, aber wirklich leise rannte ich die Treppe nach oben und schlüpfte an der Tür vorbei, bis ich letztendlich im zweiten Schlafzimmer stand. Ich atmete erleichtert aus, als ich den gefährlichen, schwarzen Gegenstand auf dem Sessel fand. Ohne viel nachzudenken griff ich nach der Waffe und ging wieder in den Flur. Die Tür des Schlafzimmers, in das der Unbekannte vorhin verschwunden war, stand nun weit offen. Ich trat etwas näher, bevor ich erkannte, welche Situation sich abspielte. Marco stand mit erhobenen Hände vor dem ganz in schwarz gekleideten Mann, während dieser auf ihn einredete. Zuerst schien es, als würde mich Marco gar nicht erst bemerken, aber als ich den Gegenstand auf den schwarzen Mann richtete, trafen seine Augen auf meine. Erstaunt öffnete er seinen Mund etwas, fing sich aber schnell wieder und wendete seinen Blick von mir ab. ''Ich will wissen, wo sie ist. Dann, aber auch nur dann, passiert dir nichts.''

''Ich hab dir doch schon gesagt, dass ich keine Ahnung hab, wohin sie verschwunden ist.''

''Du lügst.'' Ein Klicken ließ mich zusammenzucken und als ich sah, wie Marcos Augen erneut auf meine trafen, bildete sich eine Gänsehaut auf meinem Körper. Wenn ich jetzt nichts tun würde, wäre Marco tot. Dann wäre die einzige Bezugsperson, die ich hatte, auch verschwunden. Also atmete ich tief ein, kniff meine Augen zusammen, entriegelte die Waffe und drückte ab. Ich zitterte am ganzen Körper, als ich jemanden kurz aufkeuchen und kurz darauf zusammenklappen hörte. Nicht wissend, ob nun Marco oder der Fremde getroffen wurde, spürte ich, wie auch meine Beine nachgaben und ich auf dem harten Holzboden landete. Ich traute mich nicht, meine Augen zu öffnen, denn ich fühlte mich so unglaublich dreckig. Ich war schuld, dass jemand umgebracht wurde. Entweder, weil ich jemanden erschossen hatte, oder wegen unterlassener Hilfeleistung. Ein Schluchzer verließ meine Kehle, als ich spürte, wie ich auf die Beine gezogen wurde. Jemand drückte mich gegen seine Brust, was mir in diesem Moment nicht recht war, allerdings zitterte ich zu sehr, um mich irgendwie zu wehren.

''Alles ist gut, ich bin bei dir.'' Für einen Moment schien es, als würde ich mich beruhigen, als ich die vertraute Stimme wahrnahm, doch nur kurz darauf strömte erneut eine salzige Flüssigkeit aus meinen Augenwinkeln. Panisch drückte ich mich gegen ihn, während seine Hände über meinen Rücken strichen.

''D-da sind noch zwei.'', stotterte ich unter Tränen, woraufhin Marco von mir abließ und die Treppe nach unten stürmte. Ich hörte, wie die Haustür in ihr Schloss fiel, was daraufhin passierte, nahm ich nicht mehr wahr. Mein Blick war nur auf den toten Menschen vor mir gerichtet. Das Schwarz seines Pullovers war mit einem großen, roten Fleck beschmutzt, was Übelkeit in mir aufkommen ließ. Ich hatte ein Menschenleben auf dem Gewissen. Erneut war ein Schluchzer meinerseits zu hören, als ich versuchte den Abstand zwischen der Leiche und mir zu vergrößern.

Ich war eine verdammte Mörderin.

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