Kapitel 10

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Fast schon ohne auf eine Antwort zu warten, drehte ich mich um und wollte gehen, wurde allerdings sofort wieder von Marco abgefangen. "Du solltest mal überlegen, weshalb ich dir beibringe, wie man eine Waffe bedient." Seine Stimme war wieder gefährlich dunkel und über seine Augen schien sich ein Schatten gelegt zu haben. Er war wütend, wütend wegen meiner Äußerung. "Wenn ich dich hätte umbringen wollen, wärst du jetzt nicht hier. Langsam frag' ich mich aber, ob das überhaupt so 'ne gute Idee war."

Ich starrte ihn an, war fast unfähig was zu sagen, bis ich dann letztendlich meinen Blick abwendete und auf meine Schuhe schaute. Ab und zu war ich wohl doch ziemlich Vorlaut, was mir auch zum Verhängnis werden könnte. Ohne ein weiteres Wort zusagen griff Marco erneut nach meiner Hand und zog mich wieder hinter sich her. Wir führten kein Gespräch, starrten einfach nur auf den Weg vor uns, bis wir letztendlich wieder vor der Hütte standen. Marco öffnete die Tür und ließ mich vor ihm eintreten. Er schien über irgendwas nachzudenken, allerdings störte mich die Stille etwas. "M-meinst du, ich könnte duschen gehen?"

Plötzlich trafen seine Augen, die wieder in diesem wunderschönen braun-grün strahlten, auf meine. Ich musste schlucken, um mich unter Kontrolle zu behalten und mich nicht in seinen Augen zu verlieren. So unmöglich es auch klingen mag: Seine Augen waren wirklich wundervoll. Auch wenn er mich entführt hatte und verdammt gefährlich zu sein schien, musste ich das zugeben. "Natürlich kannst du. Das Bad ist hinter der zweiten Tür im Schlafzimmer." Ich nickte und ging die Treppe nach oben, merkte allerdings erst etwas spät, dass Marco mir gefolgt war und ebenfalls im Schlafzimmer stand. "Ich geb' dir neue Sachen zum Anziehen.", meinte er, ließ mich gar nicht erst antworten und drückte mir letztendlich ein Stapel Kleidung in fie Hand. Ohne ein weiteres Wort verließ er wieder das Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich. Froh, endlich wieder Wasser auf meiner Haut spüren zu können, sprang ich fast schon unter die Dusche. Das hatte ich die letzten zwei Tage wirklich vermisst: einfach duschen zu können und all den Mist von mir schrubben zu können.

***

Mit den eigentlich viel zu großen Klamotten, die ich etwas hochgekrempelt hatte, verließ ich das Badezimmer. Meine nassen Haare fielen mir über meine Schultern, während mir ein angenehmer Duft in die Nase kam. Mein Magen meldete sich zu Wort, als ich eine Silhouette in der Tür erkannte. "Du hast hunger." Der Satz von Marco war mehr eine Feststellung, als eine Frage, die ich dennoch mit einem leichten Nicken beantwortete. Seit dem ich hier war, hatte ich nichts gegessen, ich hatte mich fast schon hängenlassen: Meine Haare waren glanzlos, meine Kleidung dreckig und auf meine menschlichen Bedürfnisse bin ich auch nicht eingegangen. Es tat fast schon gut, dass eine außenstehende Person mehr auf mich achtete, als ich auf mich selbst.

Fast dankend ließ ich mich auf das rote Sofa fallen. Auf dem Tisch standen zwei Teller, jeweils mit Toast, Speck und einem Spiegelei belegt. Neben den Tellern ein Glas mit Cola. Mit großen Augen schaute ich zu Marco. Er schien sich doch irgendwie Sorgen um mich zu machen. Warum? Ich war doch, wie gesagt, nur ein Entführungsopfer, das sich dazu auch noch oft wie ein Elefant im Porzelanladen verhielt. "Danke.", meinte ich leise, nachdem ich mehrere Schlücke von der kalten Cola getrunken hatte. Ich hätte gedacht, ich würde mit solchen Luxusartikeln nicht mehr in Berührung kommen.

Grinsend trafen Marco's Augen wieder auf mich, als ich einen großen Bissen vom Essen nahm. Mir war in diesem Moment total egal, ob er in das Essen irgendwas getan hatte, was mich hätte umbringen können. Meine menschlichen Bedürnisse übernahmen die Überhand und drängten meinen gesunden Verstand in den Hintergrund.
Mir war egal, ob das nun mein letztes Essen hätte sein können. Mein Körper kümmerte sich nur um das Essen, das endlich wieder den Weg in meinen Magen fand.

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