Kapitel 11

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Mit vollen Magen beobachtete ich den jungen Mann, der mittlerweile grinsend zu mit schaute. Es faszinierte mich, dass ich genau sehen konnte, wie seine Stimmung gerade war. "Marco?" Ich schluckte, bevor ich meinen Blick abwendete. "Wieso lässt du mich nicht gehen?" Meine Stimme war eher ein Flüstern, aber dennoch so stark, dass das Grinsen aus Marco's Gesicht verschwand. Ich musste erneut Schlucken, um den Blick in seine Augen nun doch stand zu halten.

"Wieso ist das deine einzige Frage?" Er schnaubte kurz ehe er sich gegen die Rückenlehne des Sofas fallen ließ, seine Augen verließen meine nie. "Du könntest so viele andere Fragen stellen, die ich dir noch nicht beantwortet hab."

"Ich vermisse meine Familie, Freunde und meinen Hund.", gab ich kleinlaut zu. Mein Mut war etwas nach hinten gedrängt worden und ich hatte Angst er könnte jeden Moment wieder diese dunklen Augen bekommen. "Ich will dich damit nicht nerven, aber es ist irgendwie in mir drin. Ich will hier weg."

"Sie vermissen dich nicht.", antwortete er knapp, was meine Augen größer werden ließ. Sie füllten sich mit Tränen, während sich mein Hals langsam zuschnürte, was ich allerdings durch ein Schlucken etwas verhindern konnte. Sie vermissten mich nicht? Meine eigene Familie?

"W-was?"

"Sie denken du wärst nach England gegangen, um dort dein Abitur zu machen." Mein Mund klappte auf, während er mich emotionslos anstarrte.

"A-aber meine Eltern waren dagegen, als ich das Angebot bekommen hatte." Meine Stimme brach etwas, während schon vereinzelte Tränen meine Wangen hinunter kullerten. Ich wusste genau, welche Folgen es hatte, wenn sie dachten ich wäre nach England gegangen, obwohl sie dagegen waren.

"Eben.", meinte er und wendete seinen Blick von mir ab. Wut kam in mir auf, während er ruhig an seinem Glas Cola nippte. Was bildete er sich ein? Wollte er mein komplettes Leben zerstören? Er hatte es geschafft, dass selbst meine Eltern gegen mich waren. Was kam denn bitte als nächstes? Will er, dass ich niemanden mehr habe?

"Du bist so widerlich." Ich schüttelte meinen Kopf und sprang vom Sofa auf. "Was versuchst du damit zu bezwecken, hm? Willst du, dass ich hier bleibe, weil sich da draußen kein Schwein mehr für mich interessiert?" Ich zitterte, allerdings nicht vor Angst - eher vor Wut. Es war mir egal, ob er gefährlich war. Die Tatsache, dass er alles dafür tat, dass mein Leben den Bach hinunter geht, machte mich so wütend, dass ich alles andere um mich vergaß. "Was bist 'n du bitte für ein Mensch? Hast du kein Gewissen?"

Marco stand nun auch vom Sofa auf und türmte sich vor mir auf. Er war einige Zentimeter größer als ich, was mich normalerweise einschüchtern ließ, aber gerade jetzt war ich einfach nur so wütend, dass mir, wie gesagt, alles egal war.

Ohne viel zu überlegen griff er nach meiner Hüfte und drückte mich gegen eine Wand. Ich konnte mich nicht mehr bewegen, was mich aber nicht daran hinderte, ihn wütend anzustarren. "Manchmal bist du wirklich zu Vorlaut, Lena. Wärst du 'n Kerl würdest du spätestens jetzt schwerblutend auf dem Boden liegen." Ich musste kurz schlucken, brach den Blickkontakt aber nicht. "Aber da du 'n Mädchen bist..." Ohne, dass ich reagieren konnte, wanderten seine Hände unter meinen bzw. seinen Pullover. Ich schnappte nach Luft, bevor ich meine Hände gegen seine stemmte und ihn davon abhielt, weiter nach oben zurutschen. Ein Grinsen, das mir etwas Angst machte, hatte sich auf seinem Gesicht gebildet, bevor seine Hände wieder zu meiner Hüfte wanderten und dort ruhten. "Weißt du, ich hab mir eigentlich vorgenommen, dich nicht anzufassen, aber wenn mich jemand provoziert... Vergess ich ziemlich schnell mein Vorhaben."

"Du hast mir beigebracht, wie man 'ne Waffe bedient und mittlerweile würde ich mich nicht scheuen, sie gegen dich zu verwenden", zischte ich, was ihn nur zum Lachen brachte.

"Gewöhn dich schon Mal an das Leben hier. Leute aus deinem engsten Umkreis wollen mittlerweile nichts mehr mit dir zu tun haben."

Hard TimesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt