3. Wahrheit oder Pflicht

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»Sie haben unrecht«, sagte ich leise, als ich mich neben ihm positionierte. Mit ganz viel Mut hatte ich mich neben ihn gestellt und er schaute mich sehr skeptisch vom Boden aus an.
»Was?«, fragte er, sichtlich irritiert.
»Dass du ein Pferdegesicht hast. Und dass der Job bei der Militärpolizei ein Larifari-Leben ist. Sie haben unrecht.« Jean schaute mich an und regte sich nicht. Es war, als hätte es ihm die Sprache verschlagen. Ich wusste nicht was er dachte. Sein Blick schien genervt zu sein. Vielleicht aber hatte er auch einfach nur Schmerzen, denn die Beule auf seiner Stirn, die etwas blutete, war sicher nicht ohne.
»A-Also finde ich...«, fügte ich schüchtern hinzu.
»Tzäh. Ist mir scheißegal«, antwortete er nur und stand dann langsam auf, während er sich seine Stirn hielt. Ich glaubte ihm kein Wort. Es war ihm alles, aber nicht scheißegal.
»Das Leben spielt nunmal nie mit fairen Karten. Das ist mein Schicksal und da muss ich wohl durch. Außerdem interessiert mich Eren's Möchtegern-Bigfooteier-Gelaber nicht die Bohne. Er will nur jemanden imponieren, ansonsten ist da nichts dran.«
»Etwa Mikasa? Dass glaube ich kaum. Eren ist an Mikasa nicht interessiert. Dafür jemand anderes...«, antwortete ich und biss mir innerlich auf die Unterlippe. Das Thema war fehl am Platz. Und warum unterhielten wir uns eigentlich über Mikasa? Warum fing ich gerade damit an? Mist!
Laut Jean's Ausdruck war er nun wirklich deutlich genervt und sein Blick war fragend und misstrauisch.
»A-Also versteh mich nicht falsch. Ich rede dummes Zug, tut mir leid. I-Ich geh dann mal...k-kommst du heute auch zum Treffen?« Kurz zögerte er, ließ den Blick aber nicht von mir ab.
»Ja«, sagte er und ich nickte nur zustimmend.
»O-Okay...dann...dann bis später...vielleicht...«, verabschiedete ich mich und sah zu, dass ich Land gewann. Mann, was war das bitte? Meine Aktion war ja auf einer Peinlichkeitsskala von 1-100 kaum zu übertreffen und landete mit einer 200 auf dem höchsten Platz. Ich hatte nicht nur unsinniges Zeug gelabert, sondern war vermutlich mal wieder auf die Farbe einer Tomate mutiert. Wie peinlich willst du sein? JA!

Ich verkroch mich erst einmal aufs Zimmer, wo Milly schon wartete. Ich teilte mir zusammen mit ihr eins, was wirklich ein Glücksgriff war. Es war das einzige mit zwei Betten. Alle anderen mussten sich zu dritt oder zu viert ein Zimmer teilen, was ich auf Dauer ziemlich anstrengend gefunden hätte.
Milly war schon dabei, sich ihre Nachtkleidung anzuziehen und sich ein wenig aufzutakeln. Nachtkleidung und auftakeln? Das passte nicht so recht zusammen.
»Ich dachte wir treffen uns einfach nur und hängen ab, und nicht, dass wir Jungs aufreißen gehen«, merkte ich an, während sie sich ihre langen Haare gerade zu einem ordentlichen Dutt steckte.
»Na eben, wir hängen zusammen ab, mit ein paar Jungs. Da takelt man sich dennoch ein wenig auf.« Ich ließ das umkommentiert und ging zum Schrank, um meinen besten Schafklamotten rauszusuchen. Ich hatte nur zwei mit. Also würde die Wahl nicht sonderlich groß ausfallen.
»Und? Hast du deine Chance ergriffen und den Prinzen angesprochen?«, fragte Milly mit einem Hauch Spott in ihrer Stimme. Sofort schoss mir das Gespräch wieder in den Sinn und ich errötete erneut.
»Er kommt auch«, sagte ich nur und nahm eine schwarze lockere Hose mit einem weißem Oberteil heraus, ehe ich mich umdrehte und in Milly's abwartendes Gesicht schaute.
»Das wusste ich schon«, sagte sie.
»Und das war nicht die Information, die ich wissen wollte.«
»Ich...wir...haben gesprochen«, sagte ich.
»Wow«, ließ sie gespielt erstaunt los. »Wirklich jetzt?!«
Ich ignorierte ihre Antwort mit einem Augenrollen und zog mich um.
»Worüber habt ihr geredet? Und hast du ihm gesagt, dass du ihn gut findest?«
»Natürlich. Ich bin hingegangen und habe gesagt: Hey, Jean. Ich bin schon seit Jahren in dich verknallt. Weißt du eigentlich, wer ich bin? Wollen wir zusammen sein?« Milly lachte und quittierte meinen Satz dann mit Hochfreude und Herzchen in den Augen.
»Du bist seit Jahren in ihn verliebt? Also, dass du ihn seit Jahren gut findest, wusste ich. Aber direkt Liebe
»Nun ja, ich würde nicht von Liebe sprechen. Ich finde ihn halt gut und...«
»...und du könntest dir mehr mit ihm vorstellen.« Ich nickte bloß und richtete nun auch meine Haare. Dann begutachtete ich mich im Spiegel. Mein kleines grünes Amulett hing mir um den Hals, welches meinen Blick direkt einfing. Dieses trug ich schon, seit ich denken konnte. Meine Oma hatte es mir damals geschenkt und gemeint, es würde mich in jeder Hinsicht beschützen. Es war damals von Opa gewesen, der im Krieg gefallen war. Damals im Krieg, außerhalb der Mauern...
Es war also kein Geheimnis, dass sich dort draußen noch mehr befand. Die meisten wussten es nur nicht und mein Opa war einer der wenigen gewesen, die lebend wieder zurückkamen. Danach unterlag er drei Tage später seinen Verletzungen, so erzählte Oma es mir. Ich war damals noch so klein gewesen, dass ich mich höchstens an seine strahlend blauen Augen und seinen Grübchen erinnern konnte, die immer dann auftauchten, wenn er sich sehr über etwas gefreut hatte. Er fand die Titanen großartig, wollte sie studieren. Vermutlich war ich deshalb genauso begeistert, weil er so euphorisch über sie gesprochen hatte.

Jean X Reader- Always LovedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt