9. Verflixt

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Wir beobachteten Jean, Armin Sasha und Connie dabei, wie sie sich von einem Holztitanen zum nächsten pirschten und versuchten die Nacken oder die Fersen zu durchtrennen. Dabei folgten meine Augen zwar allen Vieren, aber ganz besonders Jean, der irgendwann ausgepowert am Boden ankam und sich stolz sein Werk anschaute.
Bis sich eine gewisse Person an ihn anschlich...
»Oh mein Gott! Schlampenalarm auf zwölf Uhr!«, schoss es aus Milly's Mund und zeigte hysterisch auf Luna, dieser falschen blonden Schlange, die Jean gerade ihre Hand auf den Rücken legte und sie sanft bewegte. Pfoten weg!
»Was macht die da? Die hat sich doch letztens total darüber aufgeregt, dass Jean sie verpfiffen hat!«, beschwerte Milly sich. Doch es sah ganz danach aus, als würde sie ihm ihre persönliche Entschuldigung ins Ohr flüstern. Sie grinste. Er grinste. Und dann nahmen sie sich in die Arme.
Meine Eifersuchtsglocken gingen auf volle Alarmbereitschaft und mein Magen zog sich zusammen.
»Das gibts doch nicht«, sagte Milly fassungslos. »So ein falsches Luder!«
»Hey, Y/N. Die schmeißt sich an deinen Typen ran. Solltest vielleicht mal hingehen und die Alte von der Bühne schubsen«, sagte Milow und ich erinnerte ihn noch einmal daran, dass Jean nicht mein Typ war, sondern ein freier Mann. Ein freier Mann, der tun und lassen konnte, was er wollte. Und...mit wem er wollte.
»Finde ich trotzdem nicht so geil. Immerhin scheint er auf dich zu stehen und flirtet gerade mit dieser Klimpertruller rum«, beschwerte sich Milly weiter. Ich seufzte nur genervt aus.
»Na und? Lasst ihn doch. Er darf machen was er will.«
Mir gingen die Argumente aus. Die Kraft, mich darüber aufzuregen, was vor meinem Auge passierte. Lange konnte ich dem Blick nicht mehr standhalten und schaute weg, nur um daraufhin aufzustehen.
»Lasst uns unsere Zeit nicht mit nervigen Blondinen verschwenden. Kommt, wir trainieren noch ein bisschen.«
»Geht klar!«, sagte Milly und stand ebenfalls auf, woraufhin sie, den sich eben aufraffenden Milow, zurück auf den Boden katapultierte.
»Hey! Was soll denn das, du blöde Ziege!«
»Y/N sagte doch, wir sollen unsere Zeit nicht mit nervigen Blondine verschwenden.« Grinsend streckte sie ihm die Zunge raus, woraufhin er herausfordernd die Augen zusammenkniff.
»Na warte«, drohte er ihr und begab sich in Windeseile nach oben, nur um das davonrennende quietschende Mädchen zu jagen, was sich meine Freundin nannte.

»Hey«, ertönte dann eine Stimme hinter mir. Ich erschrak, weil ich gerade mit keiner Konfrontation gerechnet hatte. Als ich mich umdrehte machte mein Herz den Turbo an.
»Hey«, sagte ich ebenfalls, aber mit weniger Euphorie.
»Willst du dich etwa schon wieder ans Training wagen? Du musst doch körperlich total ausgelaugt sein.« Es war keine Frage, sondern eher eine Feststellung. Und ich stellte fest, dass Luna sich gerade wunderbar an den Attrappen zu schaffen machte. Das kitzelte mein Ego. Aber sowas von.
»War doch nichts«, gab ich nur von mir und zuckte mit den Schultern. »Außerdem muss ich mich ranhalten, wenn ich irgendwann vor die Mauern will.«
»...du willst das wirklich, oder?«, fragte er mich mit einem Hauch Besorgnis? Bewunderung? VERwunderung? Ich konnte es nicht so ganz deuten.
»Ja. Wieso?«, fragte ich ihn. Sein Blick schweifte von mir ab in die Ferne.
»Es...na ja...hast du denn keine Angst, dass du gefressen werden könntest?«
»Hast du denn keine Angst, dass dich jemand ebenfalls auffressen könnte?«, fragte ich in einen Ton zu zynisch und biss mir innerlich auf die Unterlippe. Scheiße! Bist du komplett bescheuert?
Zum Glück verstand er meine Anspielung nicht und sagte nichts dazu, weswegen ich wieder umdrehte.
»I-Ich muss dann mal los. Man sieht sich«, sagte ich und verschwand. Meine Güte. Das darf doch nicht wahr sein...

Nachdem sich Milly, Milow und ich noch ein wenig an den Attrappen versucht hatten, was zunehmend immer einfacher wurde, brach auch schon der Abend an. Die Sonne sank und erleuchtete den Himmel in einem zarten rot-orange Ton. Wir aßen zu Abend und machten uns daraufhin gleich bettfertig. Dass mit mir etwas nicht stimmte, merkte Milly natürlich sofort und wie ich sie kannte, würde sie auch jeden Moment losfragen.
»Was ist los?!«, fragte sie dann skeptisch. Ich habe es gewusst.
»Du bist seit dem Training irgendwie komisch drauf. Und beim Essen hast du kaum was gesagt und ständig abwesend auf deinen Teller gestarrt, während du lieblos in deinem Püree rumgestochert hast. Nicht mal einen Blick hast du Jean gewürdigt und ich habe so den leisen Verdacht, dass ich dieser Luna die Knochen brechen und sie im Verlies verschwinden lassen muss.« Ihre Art brachte mich zum Schmunzeln und ich war ihr dankbar dafür, dass sie sowas immer in Momenten schaffte, wo ich mich schlecht fühlte. Aber sie hatte recht. Es lag unter anderem an Luna...und an meinem bescheuerten Satz. Lange konnte ich es nicht verbergen, da mein Gemütszustand sich sonst nie bessern würde. Also erzählte ich Milly, was ich zu ihm gesagt hatte. Sie machte daraufhin ein zerknirschtes Gesicht und stöhnte auf.
»Das ist dir nicht wirklich rausgerutscht?!«
»Doch. Leider schon.«
»Da kannst du nur hoffen, dass er es wirklich nicht kapiert hat. Oftmals sind Jungs ja dumm.« Wir lachten und darüber und beließen es dabei. Dann schmissen wir uns in unsere Betten.
»Wir haben morgen Unterricht mit Kommandant Erwin, danach haben wir Wochenende. Sollen wir dann in die Stadt?«, fragte mich Milly und ich nickte, obwohl sie das gerade nicht sehen konnte.
»Klingt gut.«
»Morgen Abend soll auch eine kleine Feier stattfinden. Irgendein Stadtfest. Wird sicher toll. Und alle werden hingehen.« Erhoffte sie sich jetzt eine Reaktion von mir?
»Auch Jean und Luna.«
»Sollen sie doch«, wehrte ich uninteressiert ab, doch wenn es eines gab, was ich nicht war, dann uninteressiert.
»Was ich damit sagen wollte: Wenn sie sich weiterhin an ihn ranschmeißt, fahren wir andere Geschütze auf.« Teuflisch lachte sie und wir verfielen nicht lange danach in den Schlaf.


Jean X Reader- Always LovedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt