19. Auf Wiedersehen

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»Was? Du willst die Ausbildung abbrechen?« Milow war genauso überrascht, wie Kommandant Erwin, als ich ihm diese Nachricht übermittelt hatte.

---»Was? Du willst die Ausbildung abbrechen? Bist du dir da sicher?«, fragte mich Kommandant Erwin, als ich auf einem Stuhl vor ihm in seinem Büro gegessen hatte.
»Ich glaube, dass ist nichts für mich. Ich kämpfe Tage und Nächte mit Bildern, die ich nicht verarbeiten kann. Ich habe immer geglaubt, es wäre kein Problem.«
»Verstehe«, sagte Kommandant Erwin sehr mitfühlend und verständnisvoll. »Leider bist du da nicht die einzige. Du wirkst sehr tough. Deswegen überrascht mich dein Sinneswandel jetzt. Oder hat es was mit dem Brief zu tun, der dich erreicht hat?« Kurz ging ich in mich, doch lange brauchte ich nicht für eine Antwort.
»Vielleicht war er eine Bestätigung. Ich habe mir tatsächlich schon länger darüber Gedanken gemacht und...ich werde Sie und alle anderen vermissen. Doch ich muss auf mich selbst hören.« Kommandant Erwin nickte.---

»Du willst mich doch verarschen, oder? Ist das son Ding zwischen dir und Milly?«
»Ich verarsche dich nicht, Milow. Ich werde gehen. Und das schon morgen.« Ich sagte es entschlossen, aber mit einer menge Trübsal in der Stimme.
»Du kannst mich doch nicht mit der Irren da vorne alleine lassen!«
»Das habe ich gehört!«, rief uns Milly zu, die gerade dabei war ihr Pferd zurück in den Stall zu bringen. Wir kamen gerade vom Reittraining, welches mir jetzt schon fehlte.
»Sie wird schon gut für dich sorgen«, sagte ich und legte ein müdes Grinsen auf.
»Das ist wirklich schade.« Milow brachte nun sein Pferd in den Stall, was ich ihm gleichtat, wenn ich mich nicht vorher umgedreht hätte und einen verdutzten Jean in der Ferne sah, dessen Ausdruck mir verriet, dass er alles mit angehört hatte. Unsere Blicke streiften sich und ich beeilte mich, mein Pferd in den Stall zu bringen.

Am nächsten Tag war es dann soweit. Meine Sachen waren gepackt und ich stand nun mit meinem Gepäck vor der Kutsche, die mich und einige andere, die ebenfalls zurückwollten, nach Trost brachten. Milly und Milow waren mitgekommen, um mich ehrwürdig zu verabschieden und auch Kommandant Erwin, sowie der Hauptgefreite waren dabei, um uns allen eine gute Reise zu wünschen. Der Kommandant reichte mir die Hand und bedauerte noch mal meine Entscheidung. Jedoch gab er mir auch zu verstehen, dass er meine Entscheidung vollwertig akzeptierte. Auch dem Hauptgefreiten hielt ich meine Hand hin, der diese skeptisch beäugelte.
»Danke auch an Sie, Hauptgefreiter. Für alles. Ich finde übrigens, dass Sie gar nicht so ein Arschloch sind, wie alle immer sagen. Man muss Sie nur besser kennenlernen.« Während ich das sagte, hörte man nur Unglaube aus Milly's und Milow's Mund. Der Hauptgefreite Levi entgegnete nichts darauf und nahm meine Hand entgegen.
»Ich bedanke mich für Ihre weiteren Dienste. Ihr Job im Aufklärungstrupp ist wirklich hart und ich hasse die Menschen, die Ihnen nur mit Spott und Verachtung gegenübertreten.«
»Es ist vergeudete Zeit, sich über Deppen zu ärgern. Sie merken es eh nicht.« Das war eine letzte Weisheit von dem Hauptgefreiten, danach entfernten sich die beiden und ich blieb mit Milly und Milow zurück.
»Bitte versprecht mir, dass ihr gut aufeinander aufpasst. Ich will jede Woche einen Brief erhalten. In der Außenwelt bekommt man nämlich schlecht was mit, wie ihr wisst«, sagte ich und musste meine Tränen unterdrücken. Milly hatte den Kampf schon verloren und nahm mich schluchzend in die Arme.
»Das versprechen wir dir. Hoch und heilig! Pass du bitte gut auf dich auf...«
»Okay, lass mir noch was von ihr übrig«, meckerte Milow. Milly ging ein Stück beiseite und stand mir dann zweifelnd gegenüber.
»Bin ja eigentlich nicht so der Körperkontaktfreudige«, schmunzelte er. Nein, das war bei ihm wirklich nicht so. Deswegen gaben wir uns auch eigentlich nur die Faust. Wir schauten uns an, drei Sekunden und mussten dann lachen, ehe wir unsere Fäuste wieder gegeneinander stießen.
»Bleiben wir einfach dabei«, grinste Milow, womit ich völlig fein war.
»Milow, pass auf Milly auf. Milly, pass auf Milow auf. Lasst euch bitte nicht von einen dieser hässlichen Viecher da draußen fressen oder zertrampeln.«
»Ach, pff. Die kennen die Impulsiven-Massaker-Zwillinge noch nicht«, spottete Milow und wir lachten über seinen Satz.
»Hey...«, hörte ich dann eine Stimme sagen, die Milly und Milow dazu brachten, sich umzudrehen. Sofort verstummte ihr Lachen, als sie Jean sahen. Ein letztes Mal umarmte Milly mich noch, ehe sie sich entfernte. Denn sie mussten wieder zurück zum Hauptquartier.
Nun stand da Jean. Er ist gekommen. Er ist wirklich gekommen. 
Ein bitterlicher Schmerz ließ mein Herz schwer werden. Der Abschied hier würde mir definitiv am Schwersten fallen.
Unsicher trat er mir gegenüber und schaute mit trübsinnigen Augen zu mir herunter. Die Augen, die sonst wie ein wunderschöner Edelstein wirkten, wirkten nun ziemlich dunkel.
»Du...willst also wirklich gehen, hm?!«, fragte er mich ruhig. Ich nickte.
»Ja«, hauchte ich schon fast. Nein, hätte ich viel lieber geantwortet. Wegen dir würde ich bleiben. 
»Das ist...sehr schade«, führte Jean das Gespräch weiter und verstummte dann. Du kannst mir ja schreiben,  dachte ich zuerst zu sagen, aber beim Militär hatte man kaum Zeit für sowas. Und würde ich ihm schreiben? Vermutlich nicht. Ich hatte immer noch keine Ahnung, was in ihm vorging.
Er kam einen Schritt auf mich zu. Nur noch wenige Zentimeter trennten unsere Körper. Seine Hand bewegte sich auf meine Gesicht zu und streichelte ganz sanft meine Wange.
»Dabei...wollte ich dir sagen, dass ich mir Gedanken gemacht habe.« Mein Herz klopfte stärker und mein Hirn schrie küss mich endlich!
»Die Sache mit Lina ist geklärt«, fuhr er fort.
»Weiß sie das auch?«, hauchte ich zurück, obwohl ich dabeigewesen war. Jean lachte kurz auf.
»Oh ja. Sie weiß das auch.« Er studierte nun mein Haar, meine Augen, meine Lippen...ich tat es ihm gleich. Eine starke positive Spannung herrschte zwischen uns.
»Und ich wollte dir noch so viel mehr sagen...«
»ALLEMANN EINSTEIGEN!«, hörten wir dann den Kutschfahrer rufen und ab dem Zeitpunkt wussten wir beide, dass wir keine Zeit mehr hatten. Das ab jetzt alles vorbei sein würde. Für immer.
»...mach's gut, Y/N. Auf bald...«, hauchte er und seine Lippen legten sich auf meine Stirn, was mir einen wohltuenden Schauer einjagte.  Dann entfernte er sich, während er dabei langsam meine Hand aus seiner gleiten ließ. Mir war nicht mal aufgefallen, dass wir Händchen gehalten hatten.
»Auf bald...« hauchte ich zurück. Verletzt, wehmütig und bedauernd stieg ich in diese Kutsche und hielt seinem Blick stand, bis die Kutsche mich komplett aus seiner Sicht entfernte.

Jean X Reader- Always LovedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt