16. Offenbarung

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Ich hatte die Hoffnung aufgegeben. Auch in den weiteren Tagen begegnete ich Jean nur selten. Manchmal trafen sich unsere Blicke, wenn wir zum Unterricht gingen, doch ich konnte seine nicht deuten. Zu einem Gespräch kam es immer noch nicht. Ob dieses Mädchen daran schuld war? Vielleicht war sie seine Freundin und verbot es ihm, mit mir zu sprechen? Aber was sollte dann dieser Moment im Wald? Und die überaus nette Geste mit den Gänseblümchen? Irgendwas war auf jeden Fall anders. Auch Milly und Milow hatten die Gespräche eingestellt, weil sie mir anmerkten, wie schwer mir die Situation fiel.
Gerade saßen wir im Unterricht und mussten unsere 3D Manöver Apparate auseinandernehmen, um sie zu reinigen und anschließend wieder zusammenzubauen. In der Zeit schaute ich öfter zu Jean rüber, doch er schaute nie zu mir. Betrübt und völlig in meinen Gedanken vertieft, wurde ich aber genauso schnell wieder rausgerissen, als die Erde plötzlich bebte. Das ganze Zimmer wackelte vor Erschütterung. Unsere Blicke waren überrascht, verdutzt. Jeder schaute sich an, fraglich, was das gewesen war, als Kommandant Erwin zum Fenster ging und nur ein leises Scheiße ausstieß. Dann wurde er ernst.
»Rekruten, wir werden angegriffen! Schnappt euch die Ersatzapparate und begebt euch nach draußen!«
Es ging alles so schnell. Alle stürmten gleichzeitig drauf los, um sich die Ersatzapparate zu besorgen. Noch nie mussten wir so schnell in unsere Ausrüstung schlüpfen wie jetzt. Noch nie waren wir einer solchen Situation unterzogen worden. War das ein Test? Oder pure Realität? Als wir draußen ankamen bekamen wir das volle Ausmaß der Situation zu Gesicht. In unserer Mauer klaffte ein riesiges Loch. Und hindurch kamen jede menge Titanen.

»Fuck!«, hörte ich nur Milow rufen. Einigen aus unserer Einheit stand die Angst ins Gesicht geschrieben. Verständlich. Es war eine völlig andere Nummer. Vor Kurzem hatten wir zu spüren bekommen, wie es war, gegen Titanen anzutreten. Wir wurden zwar darauf vorbereitet, aber mit solch einer Situation hatten wir trotzdem nicht gerechnet. Es wurde bitterernst.
»Versucht euch in kleinen Gruppen zusammen zu halten!«, hörte ich Kommandant Erwin rufen, der daraufhin mit ein paar anderen in die Richtung des Lochs flog und einzelne Titanen zu Fall brachte. Darunter konnte ich den Hauptgefreiten Levi, sowie die Abteilungsführerin Hanji erkennen.
»Was steht ihr da so rum? Wenn ihr euch nicht bewegt, werdet ihr leichtes Futter für die Viecher sein!«, rief uns jemand zu, doch Milly, Milow und ich waren wie angewurzelt. Dann aber trafen sich unsere Blicke, erst ängstlich, dann entschlossen. Und als wir sahen, dass auch Eren, Mikasa, Connie und Sasha lospirschten, taten wir es ihnen nach.
Wir flogen über die Dächer und kamen auf einem zum Stehen, um uns ein Bild über die Lage zu machen. Das Loch in der Mauer war riesig. Wer oder was hatte es durchbrochen? Dagegen waren die Titanen, die hindurchliefen, ziemlich klein. Jedoch war es ein Problem. Wenn die Titanen kostenlosen Eintritt hatten, würden sie hier alles fressen, was sich ihnen in den Weg stellte.
»Scheiße! Wir müssen zu dritt bleiben, okay? Wir-«
»VORSICHT!«, rief ich Milly zu, da von rechts ein grinsender Kopf hervorlugte, dessen Hand uns versuchte zu schnappen. Wir begaben uns erneut in die Lüfte. Milow holte aus und traf direkt seinen Nacken.
»Findest du diese Viecher immer noch so süß?«, fragte Milow seine Schwester.
»Ist ja gut! Sie sind ätzend!«
»Sie lachen dir dreckig ins Gesicht und fressen dich dann. Tz! Das nenne ich mal arschig.«
»Wir müssen den anderen helfen«, meinte ich dann und deutete in Richtung Mauer. Wir waren uns alle einig, konnten unseren Plan aber leider nicht fortsetzen, da plötzlich wieder ein Titan auftauchte. Die sind wie Geister, dachte ich mir nur, weil sie einfach auftauchten, obwohl sie so groß waren.
Der Titan war allerdings ein wenig größer und verbarg in seinem Schatten viele kleinere. Wir versuchten zu fliehen, den perfekten Winkel zu treffen, um uns an sie heranzupirschen, doch das war schwierig, weil sie so nah zusammenstanden. Ein Kopf, der ziemlich schnell hervorstieß und versuchte, mich zu packen, sorgte dafür, dass ich in letzter Sekunde Halt an einer Hauswand fand und mich mit meinem Apparat von ihm wegzog. Durch die Gassen.
Gasse für Gasse flüchtete ich, ohne zurückzublicken. Doch als ich es dann doch tat, stellte ich fest, dass der Titan mich verfolgte. Links, rechts, links rechts. Ich nahm jede Gasse mit, in der Hoffnung, er würde mich vielleicht doch aus den Augen verlieren. Und als ich mich in Sicherheit wog, zog mich etwas links zu sich rüber. Ein starker Ruck durchfuhr meinen Körper, als ich auf dem Boden ankam, nicht dazu in der Lage zu schreien, da etwas auf meinem Mund lag. Etwas Warmes. Als ich dann den Druck auf meinem Bauch wahrnahm, realisierte ich, dass es Hände waren, die mich festhielten.
»Pssht! Sei leise und komm mit. Schnell!« Bis ich kapierte, wer mich gerade gerettet hatte, lief ich mit dieser Person auch schon in eine kleine, dunkle Hütte. Völlig außer Atem waren ich und...

Jean X Reader- Always LovedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt