09| Identitätskrise

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6 Monate vor Tag X
Toledo
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    Ich werde Ihnen nun eine Erklärung vorlesen. Ich spreche im Namen der Entführer.‹ Findest du nicht, dass das zu geschwollen klingt, Sergi?«

Der Dunkelhaarige rückte seine Brille zurecht und schüttelte den Kopf. »Das ist genau die Wortwahl, die wir brauchen, um die Bürger auf unsere Seite zu ziehen«, behauptete er. »Und hör bitte auf, mich ›Sergi‹ zu nennen!«

»Na ja, du musst es ja wissen, ›Sergi‹«, murmelte ich und schielte grinsend zu ihm herüber. Es war mir ein persönliches Anliegen, den Bruder von Andrés mit dieser ihm verhassten Abwandlung seines Namens auf die Palme zu bringen. Es funktionierte jedes Mal!

Böse funkelte er mich an. »Habe ich mich etwa nicht klar und deutlich ausgedrückt, Verona?«

»Doch, das hast du, aber ich schätze, dass ich auf diesem Ohr leider taub bin«, erwiderte ich.

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Ein Tag nach Tag X
Madrid
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»Ich bin drin!«

Erschrocken fuhr ich zusammen und der Stift, mit dem ich unentwegt Kreise auf meinen Notizblock gekritzelt hatte, glitt mir aus der Hand. Hektisch schaute ich mich um. Es dauerte eine Minute, bis ich einen groben Überblick über die herrschende Situation hatte.

Irgendwie musste eine Geisel in der Banknotendruckerei an eines der Handys gelangt sein. Die Kamera des Smartphones spiegelte sich auf diversen Displays der Brücke wider.

Fuck, was geht da vor?
Das gehört nicht zum Plan!

Die Gedanken wirbelten geradezu durch meinen Kopf.

Habe ich irgendein Detail vergessen?
Nein.
Unmöglich.
Er hat mir den Plan in all seinen Einzelheiten genauestens dargelegt.
Das ist keine absichtliche Videobotschaft!

Plötzlich tauchte neben Alison eine weitere Person auf dem Bildschirm auf. Die Aufnahme verzerrte sich. »Verbindung abgebrochen«, ertönte wenig später die frohe Botschaft, welche mich leise aufatmen ließ.

Doch jene Erleichterung sollte nicht lange währen.

›Rumpelstilzchen‹ gab sich nicht so leicht geschlagen und ließ das Material von den Profis nochmal analysieren und bearbeiten, sodass er wenig später ausrufen konnte: »Wir haben ihn!«.

Mir gefror das Blut in den Adern, als ich das Gesicht einer der Geiselnehmer erkannte. Scheiße, scheiße, scheiße! Entgegen all der schreienden Sinne versuchte ich ruhig und gefasst zu wirken, aber ich war noch nie sonderlich gut darin gewesen, meine Gefühle hinterm Zaun zu halten. Ich konnte nur von Glück reden, dass Suárez noch nicht seine Schicht angetreten hatte und meine entgleisten Gesichtszüge in der allgemeinen Aufruhr untergingen.

Ich musste das umgehend dem Professor melden! Es war elementar für den Erfolg des Plans, dass die Identität der Geiselnehmer geheim blieb. Da wir diesen Punkt von der Liste der eingetretenen Schreckensszenarien streichen konnten, musste die Strategie überarbeitet werden. Und zwar schnell!
Mal wieder war die Zeit mein tickender und unaufhaltsamer Endgegner. Eigentlich sollte man meinen, dass ich mich langsam daran gewöhnen würde, aber das Gegenteil war der Fall.

Ohne weiter darüber nachzudenken, sprang ich auf und rannte prompt in Kiano rein, der unbemerkt neben mir aufgetaucht war. »Verflucht!«, rief ich aus und versuchte vergebens, mein Gleichgewicht wiederzufinden.

El Corazón Del Ladrón | LCDPWo Geschichten leben. Entdecke jetzt